Ein ewiger Linker: Gabriel García Márquez

Nachruf Mit seinem Roman Hundert Jahre Einsamkeit erlangte Gabriel García Márquez Weltruhm. Er selbst bezeichnete sich stets als Sozialist und bestritt Kommunist zu sein.
Ausgabe 17/2014

Die gesellschaftskritische genauso wie unterhaltsame lateinamerikanische Literatur ist aus unseren Buchhandlungen zum Glück nicht mehr wegzudenken. Vor 50 Jahren war das noch ganz anders. Erst danach, mit Autoren wie eben Gabriel García Márquez und Vargas Llosa, eroberte sie den deutschen Markt. Márquez’ Hundert Jahre Einsamkeit ist mit weltweit über 30 Millionen verkauften Exemplaren das bedeutendste Buch dieser, ja, so kann man das sagen, literarischen Bewegung.

Wahrscheinlich deshalb wird der am 17. April in Mexiko-Stadt verstorbene kolumbianische Nobelpreisträger oft auf diesen Roman reduziert. Zwar hat der 1927 Geborene seit den fünfziger Jahren Dutzende Bücher veröffentlicht. Aber die bunte, am magischen Realismus entlang geschriebene, operettenhafte Geschichte um die Familie Buendía bricht auf kongeniale Weise prismatisch die Geschichte Lateinamerikas. Außerdem spielt Hundert Jahre Einsamkeit in jener karibischen Kleinstadt, in der Márquez als Sohn eines Telegraphisten aufwuchs.

Den Nobelpreis erhielt er dann 1982 quasi stellvertretend für die erfolgreiche lateinamerikanische Literatur – und zu einem Zeitpunkt, als der Kontinent in politischer Hinsicht weit mehr im Fokus der Weltöffentlichkeit stand als heute. Es ging dabei um linke Politik und gesellschaftspolitische Umbrüche. Die deutschen Intellektuellen und Buchleser beobachteten die Ereignisse dort ebenso interessiert, wie sie sie solidarisch-kämpferisch begleiteten: vom blockfreien sozialistischen Experiment Salvador Allendes in Chile über den karibischen Sozialismus à la Fidel Castro in Kuba bis hin zur brutalen Repression der Militärdiktaturen in Argentinien und Chile.

Gabriel García Márquez stand dabei politisch immer links. Im Jahr 1986 wurden ein paar tausend Exemplare seines Romans Das Abenteuer des Miguel Littín, in dem die Zeit unter Pinochet beschrieben wird, in Chile verbrannt. Márquez selbst bezeichnete sich als Sozialist, verneinte aber vehement, Kommunist zu sein. Dennoch stand er auf jener Seite, die Lateinamerika damals für viele Intellektuelle und politisch Interessierte so attraktiv machte. Sein langjähriger Freund Mario Vargas Llosa dagegen distanzierte sich früh von linken Positionen und vollzog seine persönliche neoliberale Wende. 1976 prügelten sich die beiden sogar während einer Filmvorführung in Mexiko. Márquez trug ein blaues Auge davon, den Anlass der Schlägerei behielten die beiden für sich.

Márquez blieb über all die Jahre auch Fidel Castro treu, was ihm reichlich Kritik einbrachte – war und ist doch das Verhältnis vieler Schriftsteller zum Máximo Líder eher schwierig. Als „Höfling Castros“ beschimpfte ihn Vargas Llosa 1986 auf einem PEN-Kongress. Auch der mexikanische Literatur-Nobelpreisträger Octavio Paz hatte seine Probleme mit Márquez, und der chilenische Schriftsteller Jorge Edwards attestierte dem Kolumbianer, „ein großer Romancier, aber ein mittelmäßiger Politiker“ zu sein. Paz und Edwards waren im Lauf ihrer Karriere dann auch im diplomatischen Dienst tätig, und Vargas Llosa versuchte sich sogar einmal als Präsidentschaftskandidat. Márquez dagegen verzichtete auf so etwas und vermittelte lieber zwischen der kolumbianischen Regierung und den linken Guerilleros der FARC. Aus dem Urwald kam in der vergangenen Woche auch prompt eine Beileidsbekundung. „Wir wiederholen in deinem Namen, dass es noch nicht zu spät ist, um eine Utopie aufzubauen.“

Florian Schmid ist Literaturkritiker und hat Faible für Lateinamerika und Utopien

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