Lost in Freetown

Spionage Denis Johnsons Buch „Die lachenden Ungeheuer“ präsentiert James-Bond-Typen, wie sie wirklich sind
Ausgabe 07/2017
Funkelt nachts, wenn der Strom denn da ist: Freetown
Funkelt nachts, wenn der Strom denn da ist: Freetown

Foto: Marco Longari/AFP/Getty Images

Er hat ein beachtliches Werk vorzuweisen. In den vergangenen drei Jahrzehnten produzierte der 1949 geborene Denis Johnson: eine durchgeknallte Science-Fiction-Story, Erzählungen von Wahnsinn und Sucht, den großen US-amerikanischen Roman als satirischen Abgesang auf kalifornische Hippies, ein Epos über Krieg und Geheimdienste. Um Nachrichtendienste, die Johnson 2007 in dem fast 900-seitigen Wurf Ein gerader Rauch in Szene setzte, geht es auch in seinem gerade erschienenen Roman Die lachenden Ungeheuer. Im Zentrum der Erzählung steht der dänisch-amerikanische Geheimdienstmitarbeiter Roland Nair. Der wird in die Hauptstadt Sierra Leones, Freetown, geschickt; Nair soll dort für die NATO einen untergetauchten Agenten namens Michael Adriko aufspüren. Der aus dem Kongo stammende Adriko, ein durchgedrehter Hansdampf in allen dunklen Gassen, ist ein alter Freund Nairs. Die beiden haben schon zusammen Einsätze in Afghanistan und in anderen Krisenregionen der Erde hinter sich gebracht.

Johnsons Roman beginnt eher beiläufig als Agentengeschichte mit wenig Glamour. Im heruntergekommenen Freetown gibt es jede Menge Stromausfälle, und die größte Sorge der Agenten ist oft, dass das Internet funktioniert. Johnson zeigt ein postkoloniales Afrika, in dem der weiße Nair sich von einer abgeschotteten Hotelanlage zur nächsten bewegt, sich Sex mit zumeist sehr jungen Frauen kauft, wenn er nicht gerade opulent speist oder jede Menge Alkohol in sich hineinschüttet. Sympathisch sind Johnsons Figuren nicht, im Gegenteil. Vielmehr hat er mit Roland Nair und Michael Adriko zwei unangenehme Mackertypen entworfen, die Probleme und Stress durch ihre besserwisserische und rücksichtslose Art geradezu magisch anziehen. Dementsprechend setzt im Fortlauf der Geschichte ein immer drastischer werdendes Tempo ein. Nair versucht, eine Karte des Glasfasernetzes der US-Armee in Westafrika zu verkaufen, um nebenher ein wenig Geld zu machen. Adriko ist damit beschäftigt, angeblichen Mossad-Agenten angereichertes Uran zu verhökern. Außerdem wollen er und seine Verlobte, Davidia St. Claire, in den Kongo reisen, um in Adrikos Heimatort zu heiraten. Wie sich herausstellt, hat sich Adriko unerlaubt von der Truppe entfernt, einer Abteilung der US-Special-Forces, die in Uganda operiert. Seine Verlobte ist überdies die Tochter des Befehlshabers dieser Top-Secret-Kriseninterventionstruppe, die irgendwo in der Wüstenei Colorados stationiert ist. Von brutalen Prügeleien über Schußwechsel, Massaker, Notoperationen und notdürftig von Blutlachen gesäuberten Autos bietet der Roman jede Menge Action, wobei die Gewalt an keiner Stelle verherrlicht wird.

Die lachenden Ungeheuer ist ein rasantes Road-Movie, das von Sierra Leone über Uganda in den Kongo und wieder zurück geht. Mit der attraktiven Davidia brettert man in geklauten SUVs über schlammige Pistenstraßen oder in Chartermaschinen von einem Land ins nächste, das Drama nimmt ungebrochen seinen Lauf, immer entgrenzter.

Improvisation ist alles

Die Welt der Geheimdienste schildert Denis Johnson als verrückt und grotesk improvisiert. Statt übergreifender Strategien, die es vielleicht irgendwo in Washingtoner Hinterzimmer geben mag, geht es ihm um die Niederungen des Spionagealltags, um Geschäftsinteressen irgendwelcher Glücksritter, die sich von einer Krisenregion in die nächste durchschlagen. Es ist die gewalttätige und tragische Geschichte zweier Männer, die scheitern. Viele der Beschreibungen afrikanischer Wirklichkeit lesen sich wie reportageartige Fragmente. Der Autor hat selbst in den vergangenen 20 Jahren für das Magazin Esquire Recherchereisen durch Afrika unternommen. Stilistisch zieht Johnson aber auch noch andere Register. Er nutzt E-Mails, um den Handlungsfortlauf zusammenzufassen – eine durchaus gelungene Version des digitalen Briefromans. Johnson gelingt eine verstörende Geschichte, eine konzise Erzählung, der Tachometer im Anschlag.

Info

Die lachenden Ungeheuer Denis Johnson Bettina Arbabanell (Übers.), Rowohlt 2017, 272 S., 22.95 €

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