Vor knapp 20 Jahren landete der damals weitgehend unbekannte 30-jährige Douglas Coupland mit Generation X einen weltweiten Bestseller. Der Episodenroman über drei junge Menschen, die sich in eine kalifornische Kleinstadt zurückziehen, um an der Peripherie und nicht in einer Metropole zu leben und sich damit dem Konsumwahn der amerikanischen Gesellschaft ganz bewusst verweigern, wurde zum Kultroman. Couplands neuer Roman Generation A, der in einer nicht näher bestimmten Zukunft spielt, handelt erneut von der Auseinandersetzung einer Gruppe junger Menschen mit gesellschaftlichen Zwängen. Die Welt ist ein Stück digitalisierter und vernetzter als heute. Die Menschen sitzen vor dem Computer, schmachten beim Anblick alter Youtube-Clips und sind mehrheitlich von einem glücklich machenden Medikament namens Solon abhängig.
Nur gibt es in dieser Zukunft ein Problem, das harmlos klingen mag, aber zu einer ökologischen Katastrophe geführt hat: Die Bienen sind ausgestorben, und so werden die Pflanzen nicht mehr bestäubt, ganze Landstriche veröden und Obst avanciert zum Luxusgut, das sich nur die Reichsten leisten können. Doch dann werden fünf Personen, unabhängig voneinander und an ganz verschiedenen Orten auf der Welt, von Bienen gestochen. Woraufhin die Fünf über mehrere Wochen hinweg in Labors gesperrt, ausgiebig untersucht und schließlich für ein Forschungsprojekt auf einer einsamen Insel vor Kanada ausgesetzt werden. Dort erzählen sie einander Geschichten, ganz wie die vor der Pest geflohene Gemeinschaft in Giovanni Boccaccios Dekameron. Da sie, während sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen, bestimmte Proteine produzieren, die womöglich das Rätsel des Bienensterbens klären können, werden sie von einem Wissenschaftler überwacht. Das ist geschickt in Szene gesetzt, denn tatsächlich war in den vergangenen Jahren vielfach von einem Bienensterben und dessen unabsehbaren Folgen die Rede.
Dabei funktioniert Couplands neuer Roman ganz ähnlich wie Generation X, in dem die Hauptpersonen einander ebenfalls mit den Erzählungen ihrer fiktiven Abenteuer unterhalten. Seine Helden kommen diesmal allerdings nicht aus der amerikanischen Middle Class, sondern stammen aus Sri Lanka, Neuseeland, Paris, Iowa und Ontario. Die Unterschiede ihrer geografischen und sozialen Herkunft bilden eine globalisierte Welt ab. In ihren Geschichten formulieren die fünf Auserwählten, denen die Natur in Form eines Bienenstachels zu Leibe rückt, die soziale und kulturelle Abkehr von einer konsumorientierten und einer vereinsamten Existenz. Sie wollen zurück zur Natur, aber nicht im Sinne einer ökologischen Neuorientierung, sondern um dort die Grundlagen der menschlichen Kreativität wiederzufinden.
Dabei sind die Fünf mit ihren einzelnen Geschichten gemeinsam einer großen Erzählung auf der Spur, wie ihnen der Wissenschaftler erklärt, der ihre Quarantäne betreut und überwacht. Löwenzahnschnaps trinkend, in einer Blockhütte oder am Lagerfeuer sitzend ringen Couplands Protagonisten um den grand récit, über den auch in der zeitgenössischen Philosophie eine Debatte geführt wird, nachdem sie als rein rhetorisches Konstrukt entlarvt wurde. Inmitten eines Naturreservats taucht also die von der Postmoderne kritisierte Große Erzählung im Rahmen sozialer und politischer Utopien wieder auf.
Zu glatt, zu perfekt
Insofern ist Generation A deutlich mehr als ein flott geschriebener Unterhaltungsroman, der eine Vielzahl zum Teil genialer Anekdoten enthält: angefangen mit der Geschichte eines Mannes, der als Forstaufseher arbeitet und später als erster Mensch zum Mars fliegt; bis hin zu zwei Freunden, die auf dem Weg zu einem Rockkonzert sind und plötzlich die Grundlagen ihres Sprachverständnisses verlieren, was dramatische Konsequenzen hat. All diese Episoden handeln von einem existenziellen Verlust von Kontrolle, der als großes, stetig wiederkehrendes Thema die Erzählungen der fünf jungen Menschen bestimmt und von ihnen abgearbeitet wird. In diesem Sinn wartet Generation A mit einem versöhnlichen Ende auf. Allerdings war ausgeprägter Pessimismus noch nie Couplands Sache, meist laufen seine Romane auf ein Happy End hinaus.
An sein Debüt Generation X kommt dieses Buch jedoch nicht heran. Der Titel zwingt dem Leser den Vergleich geradezu auf, und auch motivisch wie dramaturgisch ist Couplands jüngstes Werk explizit an seinen Vorgänger angelehnt. Nur kann der Autor die eigenen poetischen Bilder, die er vor zwei Jahrzehnten entworfen hat, nicht einholen. Im Vergleich zu Generation X wirkt Generation A an vielen Stellen zu glatt, zu perfekt.
Zugleich belegt dieser Roman aber, wie souverän Douglas Coupland, der in den vergangenen 20 Jahren etwa ein Dutzend Bücher vorgelegt hat, mit seinem jeweiligen Stoff umgehen kann, da er ein wirklich glaubwürdiges und in sich stimmiges Science-Fiction-Szenario entwirft. Und in den Lagerfeuergeschichten läuft der mittlerweile 48jährige kanadische Autor dann zu einer grandiosen Form auf. So bildet er mehr ab als nur das Lebensgefühl einer jungen Generation von heute: Er entwirft eine umfassende Zivilisationskritik.
Generation ADouglas Coupland Tropen-Verlag bei Klett-Cotta, 330 S., 19,95
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