Volkspartei außer Dienst

Österreich Die Konservativen stecken in einer Krise. Die ÖVP ist zerstritten und die Reputation im Keller. Personalrochaden werden daran nicht viel ändern können
Michael Spindelegger
Michael Spindelegger

Bild: Imago / Eibner Europa

Die österreichische Volkspartei (ÖVP) ist eine Partei der Tradition. Und sie selbst pflegt schon seit Jahrzehnten eine eigene Tradition, nämlich die, ihre eigenen Parteiobmänner zum Teufel zu jagen. Nun hat es auch Finanzminister und Vizekanzler Michael Spindelegger erwischt. In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz erklärt er seinen Rücktritt von der Parteispitze und seinem Ministeramt.

Schon seit Monaten wird Spindelegger von prominenten Parteifreunden öffentlich kritisiert. Sie fordern eine Steuerentlastung. Spindelegger wollte nicht auf diesen „Populismuszug“ aufspringen und beklagte in seiner Rücktrittserklärung fehlende „Loyalität und Paktfähigkeit“. Für ihn ist der Rücktritt wohl eine Befreiung. Der farblose und zurückhaltende Spindelegger hat sich selbst in die Rolle des durchsetzungsstarken Partei-Häuptlings gezwungen. Im Wahlkampf trat er mit einstudierter Leidenschaft und unnatürlicher „Packen-wir‘s-an"-Rhetorik auf. Es finden sich kaum Stimmen, die den Abgang in Frage stellen oder tatsächlich bedauern. Er war nur eine Zwischenlösung. Aber der Rücktritt ist keine Befreiung, sondern erwischt die Partei zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Alle Augen sind auf die sie gerichtet, aber niemand weiß wie es nun weitergehen soll.

Seit Jahren kriseln die Konservativen mit sich selbst. Der Schritt ins 21. Jahrhundert wurde verpasst. Die Partei steht nicht für eine bestimmte Vision, sondern ist fürs Blockieren bekannt. Ob Homo-Ehe, Frauenquote, Bildungsreform, Wehrpflicht, Bankgeheimnis oder Vermögenssteuer, alles muss bleiben wie es ist. Während sich die Politik von Angela Merkel durch strategische Zugeständnisse auszeichnet, ist die ÖVP stur.

Das Einzige was sie in den letzten Jahren von anderen Parteien angenommen hat, war die fragwürdige Law & Order-Rhetorik der rechten FPÖ. Doch damit hat sich die Partei in eine Sackgasse manövriert, aus der sie so leicht nicht mehr herausfindet. Wer hartes Durchgreifen gegenüber Ausländer sehen will, wählt lieber gleich die FPÖ. Bürgerliche und liberale Milieus hingegen empfinden die Volkspartei als nicht mehr zeitgemäß und wandern nach links zu den Grünen oder den Neos (Neues Österreich) – ein Sammelbecken für liberale Bobos - ab. Die Stammklientel schrumpft. In Städten ist die ÖVP schon längst eine obskure Untergrundpartei. Nur noch jeder zwölfte Stadtbewohner wählt die ÖVP, die noch vor acht Jahren den Kanzler stellte. In aktuellen Umfragen kommt sie nicht über 20%. Die staatstragende Volkspartei versinkt in der Bedeutungslosigkeit.

Doch auch der SPÖ, die derzeit den Kanzler stellt, geht es nicht viel besser. Sie liegt zwar kontinuierlich vor der ÖVP, verliert aber ebenso sukzessive an Stimmen. Die Große Koalition ist nicht mehr wirklich groß. In aktuellen Umfragen könnte sie nicht mal mehr eine Mehrheit erringen. Das kommt nicht von ungefähr. Große Koalition ist in Österreich seit langem ein Reizbegriff, sie steht für Stillstand und Zankerei. ÖVP und SPÖ sind Erzrivalen. Erfolg wird nur in Relation zum Koalitionspartner gemessen. So sahen manche Funktionäre der ÖVP die historische Wahlniederlage 2013 als Stärkung, da man 0,4% weniger verloren hat als die SPÖ. Eine gepflegte Feindschaft, bei der es schon längst nicht mehr um Politik geht, sondern ums Prinzip. Bundeskanzler Werner Faymann ist es Recht. Kanzler-Sein genügt ihm. Ambitionen, die über den Machterhalt hinausgehen sind ihm fremd.
Dieser Hang zur Selbstzerstörung der beiden Großparteien ist an und für sich auch nicht weiter tragisch. Doch es profitiert nur einer: Heinz-Christian-Strache von der FPÖ. In den Umfragen liegt er derzeit klar voran.

Durch die Personalrochaden erhofft man sich nun einen Neustart. Der derzeitige Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner steht nun an der Parteispitze: der fünfte Obmann innerhalb von knapp acht Jahren. Er ist ein logischer Kompromisskandidat und soll die Partei wieder einen. Gemäßigt, pragmatisch, beliebt. Doch es ist vorstellbar, dass er die Partei nur bis zur nächsten Wahl verwaltet, um dann an Sebastian Kurz zu übergeben. Der 28-jährige „Wunderwuzzi“ ist der jüngste Außenminister der Welt und die Zukunftshoffnung der ÖVP. Er soll die Partei jünger, moderner und knackiger machen. Reiner Etikettenschwindel? Über inhaltliche Veränderungen wird in der ÖVP nur wenig diskutiert. Doch die FDP hat gezeigt, wie schnell man von der Bildfläche verschwinden kann, wenn man nicht dazu in der Lage ist, sich wirklich neu zu erfinden.

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