Kein Geld für Festival „Offenes Neukölln“

Gegen Rechtsextremismus Die Bundesregierung entzieht zivilgesellschaftlichem Bündnis die verdiente Förderung

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Eine Kundgebung des Bündnisses "Offenes Neukölln" im Februar 2018
Eine Kundgebung des Bündnisses "Offenes Neukölln" im Februar 2018

Foto: imago/Carsten Thesing

Dass der Berliner Stadtteil Neukölln ein Problem mit rechter Gewalt hat, ist seit längerer Zeit bekannt. Wiederholt ist der Bezirk in den letzten Jahren wegen rechtsmotivierter Straftaten in die Schlagzeilen geraten. Laut Innensenator Andreas Geisel (SPD) wurden allein 2017 125 solcher Vorfälle gemeldet. Dazu zählten u.a. der Diebstahl von 16 Stolpersteinen, körperliche und verbale Angriffe auf FlüchtlingshelferInnen und Menschen, die öffentlich gegen Rechtsextremismus eintreten, sowie verschiedene Brandanschläge auf deren Büros, Häuser und Autos. Der RBB hatte dazu am 03.02.2018 eine Chronologie Rechter Gewalt auf seiner Website zusammengestellt. Vor gut einem Jahr wurde daher eine Sonderkommission der Berliner Polizei eingesetzt, die tatsächlich nach den jüngsten Brandanschlägen in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar dieses Jahres erste Ergebnisse verbuchen konnte.

Bis heute lassen jedoch konkrete Ermittlungserfolge auf sich warten. Um dem sich ausbreiteten Klima von Angst und Gewalt nicht tatenlos zuzusehen und diesem entgegenzutreten, formierte sich das „Bündnis Neukölln“. Die Initiative bezeichnet sich selbst als ein „überparteilicher, überkonfessioneller und multikultureller Zusammenschluss von Organisationen, Gewerkschaften und Geschäftsleuten, privaten und staatlichen Einrichtungen sowie Einzelpersonen im oder für den Bezirk Neukölln“. Dazu zählen u.a. verschiedene Gewerkschaften, die katholische und evangelische Kirche, sowie die SPD, GRÜNE und die Linkspartei. Im Sommer 2017 organisierte die Initiative erstmalig das Festival „Offenes Neukölln“, welches eine ausgesprochen positive Resonanz hervorrief. Daraufhin hatten sich die Organisatoren bei dem Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ beworben, der vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt“ (BfDT) jährlich ausgeschrieben wird. Die Gewinner können Preisgelder zwischen 1000€ und 5000€ erhalten. Das „Bündnis Neukölln“ sollte für sein großes Engagement mit 3000€ belohnt werden. Für die ehrenamtliche Initiative wäre das Preisgeld eine wichtige Grundlage für die Organisation des diesjährigen Festivals (vom 01. bis 03. Juni 2018) gewesen.

Aus der Wertschätzung und Unterstützung dieses Projektes von Seiten des Bundes wird nun aber nichts. Wie zunächst der „Tagesspiegel“ berichtete, hat die Bundesregierung per Erlass die Erstattung des Preisgeldes gestoppt. Als Grund führten Bundesinnen- so wie Bundesjustizministerium in einem Brief an, dass sich unter den Bündnispartnern auch die Interventionistische Linke Berlin (ILB) befindet und es somit „verfassungsschutzrelevante Bedenken“ gäbe, so der „Tagesspiegel“. Das bundesweit agierende Netzwerk wird vom Verfassungsschutz beobachtet und als „linksextremistisch“ eingestuft. Die Anwendung von Gewalt „wird nicht grundsätzlich abgelehnt“, so der Verfassungsschutzbericht von 2016.

Ob die ILB tatsächlich eine gewaltbereite, linksextremistische Organisation ist, die von der Förderung mittelbar profitiere, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Die Initiative „Bündnis Neukölln“ drückt auf ihrer Website ihr Bedauern gegenüber der Entscheidung der Ministerien aus. „Es wäre schön gewesen, wenn wir vom Bundesinnenministerium und Justizministerium unterstützt worden wären. Anstatt die Chance zu ergreifen, ein deutliches Zeichen gegen Rechts zu setzen, wird unser Einsatz auf hanebüchene Art und Weise diskreditiert. Aber das wird unseren Bemühungen keinen Abbruch tun.“ Es wird betont, dass das Festival dennoch stattfinden wird.

Laut „Tagesspiegel“ fühlten sich viele Beiratsmitglieder des BfDT von der Entscheidung der Ministerien „vorgeführt“. Währenddessen begrüßte nicht nur die AfD die Intervention der Bundesregierung. Auch der stellvertretende Neuköllner Bezirksbürgermeister Falko Liecke (CDU) kommentierte den Ausschluss des Bündnisse auf Twitter mit den Worten: „Gute Nachrichten!“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Florian Sachse

ist Zeithistoriker und freier Journalist. Lebt und arbeitet in Berlin

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