Lebensmittelindustrie vs. Großhandel

Lebensmittelboykott Der Machtkampf zwischen Nestlé und EDEKA zeigt, die Befreiung aus der Knechtschaft der Lebensmittelindustrie kann (fast) nur durch den Verbraucher selbst erreicht werden.

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Zu Beginn dieser Woche geriet die größte deutsche Supermarktkette EDEKA mit ihrer Absicht, Produkte vom weltweit größten Lebensmittelhersteller Nestlé zu boykottieren, in die Schlagzeilen. Grund dafür waren nicht etwa die anrüchigen Geschäftspraktiken des Schweizer Konzerns, wie zum Beispiel: die Verwendung von Gentechnik, die Duldung von Zwangsarbeit und Kindersklaverei, Preisabsprachen, Repressionen gegen GewerkschafterInnen, Tierversuche, das Abpumpen von Grundwasser und dessen Weiterverkauf oder das Nichteinhalten von Lebensmittelstandards, um nur einige zu nennen.

Nein, natürlich geht es bei diesem Streit zweier Konzerne nicht um moralische Aspekte, sondern nur um das Geld. EDEKA fühlt sich beim Einkauf seiner Produkte gegenüber anderen Supermarktketten benachteiligt und soll deshalb seine 4000 selbstständigen Filialen zum Boykott von ca. 160 Artikeln aus dem Hause Nestlé aufgefordert haben. Auf den ersten Blick erscheint eine solche Handlung wünschenswert, um die Verbraucher vor den Machenschaften des Konzerns zu schützen. Bedauerlicherweise taugen die Beweggründe von EDEKA nur dazu, die eigenen Profite zu steigern. Sollte Nestlé nachgeben, könnten die finanziellen Verluste durch weitere zwielichtige Gewinnmaximierungen kompensiert werden. Die Verlierer bleiben die Verbraucher und insbesondere die Menschen, die unter den dubiosen Geschäftspraktiken des Schweizer Konzerns zu leiden haben.

Was kann dagegen unternommen werden? Zunächst einmal steht die Politik in der Verantwortung, sich vom Einfluss der Lebensmittelindustrie-Lobby zu lösen. Die ausufernde Macht der Mega-Konzerne muss reguliert werden. Schärfere Kontrollinstanzen könnten ein erster Schritt sein. Gleichzeitig wären Gesetze notwendig, die der Industrie die verbindliche Einhaltung von Lebensmittelstandards sowie von Umwelt- und Menschenrechten auferlegt. Außerdem müssten die Rechte der UrsprungserzeugerInnen gestärkt werden, damit diese nicht länger in einem unfairen Abhängigkeitsverhältnis zum Großhandel stehen.

Des Weiteren bedarf es der Erkenntnis, dass ein Umdenken in der Lebensmittelindustrie nur durch die VerbraucherInnen selbst bewirkt werden kann. Von den Unternehmen, die bereits jetzt den Markt monopolartig aufgeteilt haben, ist ein Einlenken nicht zu erwarten. Produkte von Nestlé und den anderen Markführern wie Unilever oder Coca Cola, deren schmutzige Geschäfte sich kaum unterscheiden, gehören nicht in den Einkaufswagen. Bei Betrachtung der Verflechtung der angeblichen Produktvielfalt wird schnell deutlich, dass kaum moralisch vertretbare Markenprodukte übrigbleiben würden. Dennoch stehen den Konsumenten genügend Alternativen zur Verfügung. Es lassen sich zum einen regionale Bio-Produkte anführen, die entweder in kleinen Läden aber teilweise auch in Supermärkten angeboten werden. Zum anderen bieten Bio-Kisten, die Mitgliedschaft in einem CSA-Projekt (Community Supported Agriculture) oder Bauern- und Wochenmärkte den Zugang zu Lebensmitteln, die in der Regel qualitativ hochwertig sind und an deren Verpackungen kein Blut klebt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Florian Sachse

ist Zeithistoriker und freier Journalist. Lebt und arbeitet in Berlin

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