Eine beschränkte Situation

Zweiter Corona-Lockdown Weitere Lockdown-ähnliche Kontaktbeschränkungen. Darüber freuen wird sich wohl niemand. Wobei präziser hier wohl die Rede eher von einem Lockdöwnchen sein müsste.

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Ja. Eine zweite Schließung der Gastronomiebetriebe werden, wenn wir einmal ganz ehrlich sind, so manche Betriebe nicht überleben. Das habe ich in den Wochen nach dem ersten Lockdown dieses Jahr immer wieder von Gastronomen hören können. Ein zweiter Lockdown wird manchen Ladenbesitzern die Existenz kosten. Das ist natürlich mit keinem Wort herunterzuspielen. Und das will weder dieser Kommentar, noch sonst irgendjemand, der sich wirklich seriös mit dieser Angelegenheit auseinandersetzt.

Generell werden wir in den kommenden vier Wochen einiges beobachten können, auf das wir wohl alle liebend gerne verzichtet hätten: Querdenker werden vermutlich wieder wie Pilze aus Humus-Nährboden schießen, die kruden Verschwörungsgurus werden Anhänger wieder einfangen, wie das Licht die Motten. Die Gesellschaft wird eine weitere Spaltung erleben. Spätestens in Woche IV.

Nur drängt sich dem etwas distanzierteren Beobachter eine Frage auf: War so eine Entwicklung wirklich nicht absehbar? Konnte wirklich niemand vorhersehen, dass zum einen die Infektionszahlen im Winter durch das wesentlich mehr in die Innenräume verlagerte Leben, zum anderen durch fast den natürlicherweise auftretenden (wenn auch deswegen nicht weniger ärgerlichen) immer größer werdenden Leichtsinn der Bürger:innen, was den Infektionsschutz betrifft, gegen Ende diesen Jahres die Infektionsrate wieder gen Decke schießen wird?

Wer die Medienberichte der vergangenen Monate beobachtet hat, wird nun wissen und vielleicht sogar mit Reue feststellen müssen: Es gab genügend Menschen, die genau vor diesen Phänomenen gewarnt haben. Darunter Virologen, Epidemiologen, andere Ärzte, aber auch Politiker.

Die sich hierzulande sich immer größer verbreitende Coronamüdigkeit ist nachvollziehbar, ändert sie jedoch nichts an den Tatsachen, dass nicht zuletzt auch ihr und dem Schrei nach einem „normalen“ Leben mitten in der Pandemie, nun wahrscheinlich so manche Existenzen geopfert werden. Von den Leben, die so eine neue Welle, wie sie sich derzeit anzubahnen droht, kosten wird, gar nicht zu sprechen. Aber die sind im neuen gesellschaftlichen Diskurs auch nicht mehr wichtig. Außer man debattiert über die zwei Lieblingsthemen der Deutschen: Suizidbeihilfe und Abtreibung. Diese Themen sind wichtig, keine Frage, nur ist es fast ein wenig höhnisch, auf der einen Seite über das Leben ungeborener Kinder zu debattieren und die Pflicht zum Schutz von Leben, die Anbetracht schwerster Krankheiten nach meist bestens überlegter Entscheidung der Betroffenen als nicht mehr lebenswert bezeichnet werden und andererseits manche Leben durch leichtsinniges Verhalten entweder zu riskieren oder zu nicht mehr lebenswerten Leben umzugestalten. Sterben darf man nicht, leiden schon.

Letztere Sätze sollen auf keinen Fall eine Stellungnahme zu genannten beiden ethischen Themen darstellen. Und natürlich sind die Diskurse enorm wichtig, keine Frage. Nur stellt sich hier die gesamtgesellschaftliche Debatte mal wieder so dar, als würde man prinzipiell lieber mit zweierlei Maßstäben messen. Solange es einen selbst auf keine Weise betrifft, hält man sich gerne an die so hoch gelobten abendländischen Werte. Wenn‘s anstrengend wird, hat man von denen plötzlich keine Ahnung mehr.

Was wäre eine mögliche Alternative gewesen?

Diese Frage lässt sich mit einer relativ simplen Modellierung der Helmholtzgesellschaft aus dem April 2020 beantworten: Die Forschungsgemeinschaft hat damals noch vorhergesagt, dass - vollkommen entgegen der Einschätzung der Leopoldina - eine kurze Verlängerung der strikteren Lockdown-Maßnahmen wohl dazu geführt hätte, dass wir nun keine erneute Welle erleben müssten.Und das hätte eine weniger am Kompromiss orientierte Politik damals durchaus durchsetzen können.

Das ist aber nur die eine Variante. Die andere mögliche Präventionsmaßnahme wäre ein eigenverantwortliches Verhalten gewesen. Sich wenigstens etwas mehr am Riemen zu reißen, vielleicht die eine oder andere Feier ohne Abstand und zum Teil trotz deutlicher Krankheitssymptome auslassen um so ein wenig mehr „normales“ Leben zurückzubekommen.

Wer in diesem Zusammenhang jetzt von einer Bestrafung durch die Regierung faselt, scheint noch immer das Phänomen einer Viruserkrankung nicht begriffen zu haben. Der Virus gehorcht unserer Regierung nicht auf‘s Wort und auch unsere Regierung trägt nicht die alleinige Schuld an dem nun neuen Lockdown. Dem Virus sind die systemischen Gegebenheiten wohl egal, vielmehr interessiert ihn die Zahl der Kontakte der Menschen untereinander - die Währung, von der das Virus lebt.

Einen positiven Effekt hat dieses zweite Lockdöwnchwn wohl für alle: Jetzt haben gerade die, die auf die Präventionsmaßnahmen gepfiffen haben noch einmal Zeit zum überlegen.

Nur die Schüler mit Eltern der Risikogruppe, sowie die Lehrer der Risikogruppe sind nun endgültig im Hintertreffen. Und auch hier wieder: Die kurzfristigen und v.a. wirtschaftlichen Folgen zählen mehr als die langfristigen…

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Florian Meidinger

Politischer Schüler (Abiturient) und angehender Blogger (Link s. unten)

Florian Meidinger

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