Im Grunde ist es die Chronik eines angekündigten Todes. Der Titel des Romans von Gabriel García Márquez wird auch einmal erwähnt, ganz am Ende des Buches. Obiah, der Freund und Stubennachbar des Erzählers, Unteroffizier Shigrih, ist in Márquez’ Roman vertieft, als die beiden in der Transportmaschine der Pakistanischen Lufwaffe nach Bahawalpur sitzen, einem Luftwaffenstützpunkt mitten in der Wüste.
Shigrih liest den Titel und fragt, nachdem er sich das Buch hat geben lassen und die ersten Seite überflogen hat, „warum weiterlesen, wenn man weiß, dass der Held am Ende stirbt?“ „Um zu sehen, wie er stirbt“, sagt Obiah. „Was seine letzten Worte sind. So was eben.“
Unteroffizier Shigrih findet das pervers.
igrih findet das pervers. Aber das ist noch ein paar Stunden bevor das Unglück passiert und er genau solch eine Geschichte erzählen wird.Eine Stunde bevor sich auf dem Rückflug von Bahawalpur die nagelneue Herkules C130 mit dem Präsidenten Pakistans, acht seiner Generäle und dem Botschafter der USA an Bord in den Wüstensand bohrt. Eigentlich hätte auch Shigrih in dieser Maschine sitzen sollen. Doch ein Zufall rettet ihm das Leben und ermöglicht ihm, diese Geschichte zu erzählen.Mohammed Hanif, der 1965 im pakistanischen Okara geborene Autor, war selbst Pilot der Pakistanischen Luftwaffe, bevor er erst Journalist und dann Schriftsteller wurde. Zwölf Jahre hat er in London gelebt, bis er 2008 mit seiner Familie wieder nach Pakistan zog. Eine Kiste explodierender Mangos ist nach verschiedenen Drehbüchern und Theaterstücken sein erster Roman.General Zias FolterkellerEin Buch, bei dem man nicht wissen will, welches die letzten Worte des Diktators und Präsidenten Pakistans, Mohammed Zia ul-Haq waren, sondern wie es zu dem Unglück am 17. August 1988 gekommen ist. Und welche Rolle dabei Unteroffizier Shigrih gespielt hat, der an diesem Tag in einem kurzen Ausschnitt im Fernsehen zu sehen ist. „Falls Sie den Ausschnitt gesehen haben“, sagt Shigrih, „haben sie sich vielleicht gefragt, was dieser Junge, der seinem Aussehen nach aus den Bergen stammt, in der Wüste zu schaffen hatte, und warum er lächelt. Dazu war es gekommen, weil ich meine Strafe bereits erhalten hatte.“Eine Strafe, die er in den Folterkellern von General Zia absitzt, der Pakistan von 1977 bis zu seinem Tod 1988 beherrschte. Oder besser gesagt in den Folterkellern seines Geheimdienstchefs, denn Hanif beschreibt die pakistanische Diktatur nicht als monolithischen Block, sondern als fragiles Machtgefüge, das General Zia am Ende langsam aus den Händen gleitet. Ein Machtgefüge, das geprägt ist von einer Gruppe kleingeistiger Generäle, die sich gegenseitig misstrauen, deren Handlungen unberechenbar sind und die auch schon mal einen politischen Gefangenen in einem ihrer Folterkeller einfach vergessen. Oder freilassen, wie Shigrih, der dann – froh, dem Teufel entgangen zu sein – in die Kameras des pakistanischen Fernsehens lächeln kann.Was Hanif in seinem Roman mit viel Sarkasmus und Witz erzählt, ist bedrückend. Noch einmal wird hier geschildert, was für einen Diktator die USA in den achtziger Jahren mit Waffen und Know-how unterstützt haben. Dass sie, um die Sowjets aus Afghanistan zu vertreiben, die Re-Islamisierung Pakistans vorantrieben und von dort aus islamistische Guerilleros in Afghanistan unterstützten, unter anderem auch Osama bin Laden. Und das alles auf Kosten der pakistanischen Bevölkerung, die unter der Armut und dem Terror der Diktatur leiden musste.Pulverfass PakistanDas Bedrückende der Geschichte steht zunächst aber nicht im Vordergrund. Wie in Der weiße Tiger von Hanifs indischem Kollegen Aravind Adiga (Freitag 52/2008), der im letzten Jahr das Rennen um den Booker Preis gewann, gelingt Hanif der Spagat zwischen einer spannenden Geschichte und dem Erzählen von Dingen, von denen ein behütet aufgewachsener Mitteleuropäer lieber nichts hören möchte.Dass beide Autoren für den Booker-Prize nominiert wurden, ist sicherlich kein Zufall. Beide erzählen auf eine neue Weise von der brutalen Wirklichkeit ihrer Länder. Sie wenden sich dabei an die Leser der gebildeten Mittelschichten ihres Landes und an jene Teile der Welt, die heute als Waffenlieferanten und über die „Terms of Trade“ von Armut und Ungerechtigkeit profitieren.Pakistan, dessen letzter Diktator Musharraf gerade abgedankt hat, ist heute ein Pulverfass, in dem islamistische Gruppen immer mehr an Einfluss gewinnen und den Norden des Landes faktisch der Kontrolle des Zentralstaates entzogen haben. Das Land ist Atommacht und mit dem Nachbarn Indien verfeindet. Und obwohl das alles bekannt ist, genehmigt die deutsche Bundesregierung gegen internationale Vereinbarungen die Ausfuhr von drei U-Booten und sichert das Geschäft auch noch mit einer Hermes-Bürgschaft in Höhe von einer Milliarde Euro ab. Wer wissen will, in was für ein Land diese U-Boote gehen, sollte Eine Kiste explodierender Mangos lesen.