Abgehängt und geil auf Krawall

Hooligans England Ein Artikel von Ralf Heck über die britische Hooliganbewegung: Entstehungsgeschichte, Wandel und Klassenzusammensetzung

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Tottenham gegen Liverpool, 1971
Tottenham gegen Liverpool, 1971

Bild: Leonard Burt/Central Press/Getty Images

Bei dem vorliegenden Artikel The English Disease: Abgehängt und geil auf Krawall handelt es sich um einen Ausschnitt aus einer ausführlichen Studie mit dem Titel Zwischen Eigentor und Aufstand – Ultras in den gegenwärtigen Revolten aus der gerade erschienenen vierten Ausgabe der Zeitschrift Kosmoprolet. Einzelexemplare können für 5€ hier bestellt werden.

Massive Erschütterungen im Freizeitspektakel der Lohnabhängigen ereigneten sich in England Mitte der 1960er Jahre und sind unter dem Schlagwort Football Hooliganism bis heute Bestandteil hitziger Diskussionen. Nachdem Großbritannien in den 1950er und 1960er Jahren einen unverhofften Wirtschaftsboom erlebt hatte, der zu Vollbeschäftigung, Reallohnsteigerungen und einer Verschiebung von Blue- zu White-Collar-Jobs führte, zeichneten sich ab 1964 erste Krisentendenzen ab, eine Inflation folgte und die Arbeitslosenzahlen stiegen. Während sich in der Prosperitätsphase einerseits, im Soziologensprech, eine Mittelschicht herausgebildet hatte und immer größere Teile der Bevölkerung an den Bildungsmöglichkeiten teilhatten und besser bezahlte Jobs fanden, wurde anderseits den minderqualifizierten Beschäftigten der untergehenden Industrien spätestens in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation vor Augen geführt, dass ihnen und vor allen ihren Kindern der Aufstieg verwehrt bleiben würde. Letztere blieben von den höheren Schulen ausgeschlossen und es »bildete sich ein bottom-dog-Bewußtsein, das vielleicht seinen besten Ausdruck in der Popmusik fand, in der sich die proletarischen Jugendlichen dieses Jahrhunderts entdeckten«.1 Darüber hinaus strömten Teile der rebellischen Jugendlichen nun massenhaft in die Stadien und erschreckten mit ihrem provokanten Auftreten sowohl die »respektablen« Teile der Arbeiterklasse als auch die neuen Fans aus den bessergestellten Milieus der Lohnabhängigen, für die der Stadionbesuch lediglich eine Option der Freizeitgestaltung neben dem Kinovergnügen, dem Picknick im Grünen oder der Fernsehübertragung im heimischen Sessel darstellte. Denn in diesen Jahren hatten auch die vor Publikum ausgetragenen Fußballspiele ihren Charakter nochmals entscheidend geändert. Der Fußball stand in Konkurrenz zu anderen Sparten der Kulturindustrie, worauf die Klubs mit einer Ausrichtung nach unternehmerischen Gesichtspunkten, mit Strategien zur Steigerung von sportlicher Leistung und Unterhaltungswert sowie mit dem Ausbau von Infrastruktur wie überdachten Tribünen, Sitzplätzen, Bars, neuen Toiletten und ersten Businessseats reagierten. Vor dem Match gab es manchmal schon ein Unterhaltungsprogramm und durch die frisch installierten Flutlichtanlagen mussten die Zuschauer auch im Winter nicht auf Spiele verzichten. Sogenannte Todesspiele durch die Einführung des League-Cups versprachen mehr Spannung, und der europäische Pokalwettbewerb gewann an Bedeutung. Es sei dahingestellt, ob die Anhänger ihre Klubs in früheren Zeiten wirklich für partizipatorische Demokratien hielten. Gesichert ist allerdings, dass der Abstand zwischen den reichen und den armen Klubs nun immer größer wurde und die Kluft zwischen Fans und Spielern sich massiv vertiefte. Doch die Klassen- und Mentalitätsspaltung fand auch unter den Fans eines Vereins statt: Besuchten vormals die Zuschauer noch generationsübergreifend ein Fußballspiel und wurden die Verhaltensnormen von den Alten an die Jüngeren übertragen, so veränderte sich dies nun rapide. Auch in den Stadien setzte die Rebellion gegen die Elterngeneration ein, Jugendliche gestalteten ihre Freizeitaktivitäten allein und sammelten sich auf den günstigen Plätzen, den sogenannten ends. Dies war der Beginn einer selbstständigen, rebellischen Fankultur der Jungen – der Kultur der Hooligans, die sich dann in den 1970er Jahren stark ausbreitete.2

Mit der Ende der 1960er Jahre aufkommenden Skinheadbewegung strömte dann zum ersten Mal eine auch äußerlich homogene Gruppe von Heranwachsenden zum Fußball. Der Look in den ends vereinheitlichte sich und gleichzeitig ging es dort nun organisierter zu.3 Dies manifestierte sich auch in der Gründung der ersten Firms, beispielsweise der Millwall Bushwackers(1972), der Inter City Firm (ICF, 1972) aus West Ham und der Red Army aus Manchester, um nur einige der bekanntesten zu erwähnen. Die überwiegend weißen, in seltenen Fällen aber auch schwarzen Kids aus der Arbeiterklasse scherten sich die Haare kurz, schnürten ihre Stiefel, hörten gemeinsam Ska und Reggae (später auch Street Punk), liebten ihren Klub und waren einer Hauerei nur selten abgeneigt. Die Zeit der ersten Skinheads ab 1968 war eine Zeit, »in der man gegen alles war. Scheiß drauf, wenn du arm warst, ungelernt, einem Leben armseliger Arbeit vorbestimmt, oder dass du in einem Alter warst, in dem deine Meinung nicht interessiert und du keinen Einfluss hattest. Wir zeigten es der ganzen Welt: Wir sind hier! Es gibt uns! Fickt euch!«4Angewidert vom hohlen Glücksversprechen der Hippies wollten sie die vermeintlich echten und verloren geglaubten Ideale einer Working Class verkörpern, die von solidarischem Zusammenhalt geprägt war. Auf diese Weise setzten sie sich gegen ihren drohenden Absturz zur Wehr und bewegten sich in einer Szene, die ihnen Anerkennung jenseits materiellen Erfolgs bot. Allerdings war dieser Widerstandimmer schon rückwärtsgewandt. Er orientierte sich an einer schon fast karikaturartig mystifizierten Arbeiterklasse, die es so nie gegeben hat und deren Ausdrucksformen auch nicht als erstrebenswert gelten können, und ihren überholten Idealen: Rückbesinnung auf die Gemeinschaft, lokalistisches Denken mit einem starken Bezug zum eigenen Territorium, das sich wahlweise in Kämpfen Stadtteil gegen Stadtteil, Süden gegen Norden oder England gegen ein anderes Nationalteam ausdrückte, Männlichkeitskult, sinnlose Gewalt und auch Rassismus. Dass für Frauen in dieser Welt lediglich ein untergeordneter Platz vorgesehen war, versteht sich von selbst. Ob sich die Gewalt nun dumpf gegen andere Fans richtete, rassistisch gegen die asiatische Community (»Paki-Bashing«), mit berechtigtem Hass gegen Autoritäten oder in Riots, Plünderungen und der Verteidigung von Streiks zeigte, war schlechterdings unkalkulierbar: »Niemand kann bei Skinheads die Fahrtrichtung voraussagen: nach links, nach rechts oder geradeaus mit dem Kopf gegen die Wand.«5

Die Hooligans waren durchaus entschiedene Anhänger ihres Teams und entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sowie der einsetzenden medialen Hetze sehr gut über ihren Klub informiert und am Spiel interessiert. In diesem Punkt weisen sie eine deutlich größere Nähe zu den kontinentaleuropäischen Ultras auf als zu den Wald-und-Wiesen-Schlägern von heute.6 Wie die heutigen Ultras verstanden sie sich gegenüber der ihnen servierten neuen Konsumkultur als Bewahrer des echten Spiels – sie wollten ein aktiver Part des Geschehens sein, zum Kampf um den Sieg, der auf dem Platz ausgetragen wurde, sollte nun ein weiteres Match hinzukommen: Die Ermittlung eines Gewinners auf den Rängen. Die jungen Hools ersetzten die Lieder und Anfeuerungsrufe der 1950er Jahre durch eigene, teils obszöne, den Gegner beleidigende und gewaltverherrlichende Gesten und Chants, was zu ihrer Freude in der Öffentlichkeit große Empörung hervorrief. Sie entdeckten ihr end als eigenes Territorium, das es zu verteidigen galt. War es bislang üblich gewesen, zusammen mit dem Team zur Halbzeitpause die Seiten im Stadion zu wechseln, so hielten die Jungen nun an ihrem Platz fest und versuchten vor und während des Spiels, das gegnerische end zu erobern, dort ihre Schlachtrufe anzustimmen, den gegnerischen Fans die Schals zu klauen und sich, bis zum Eintreffen der Polizei, mit ihnen zu schubsen und zu prügeln. Ein eingenommenes Territorium galt als ultimative Erniedrigung des gegnerischen Anhangs. Die jungen Fans des FC Everton, Manchester Uniteds sowie des FC Liverpool, von der Presse auch gerne als Merseyside Maniacs betitelt, waren die ersten, die massenhaft an Auswärtsfahrten mit dem Ziel teilnahmen, die gegnerischen ends zu erobern – besonders die im Süden Englands. Zu Recht wird darauf verwiesen, dass gewalttätige Ausschreitungen seit jeher mit dem Fußball verbunden waren. Dennoch entwickelte sich in diesen Jahren eine besondere Form des Rowdytums und des Supports von un- und angelernten jungen Männern, also jenen Segmenten der Arbeiterklasse, die sich vom Abstieg bedroht fühlten. So wie die jungen Hooligans allerdings keineswegs nur Schläger waren, die den zufällig gewählten Rahmen des Fußballspiels für ihre Umtriebe nutzten, darf auch die Zahl der gewalttätigen Auseinandersetzungen, die meist in ritualisierter Form auftraten, nicht überschätzt werden.7 Ein ehemaliger Hooligan des FC Liverpool berichtet von zehn echten Massenschlägereien in dreißig Liga-Spielzeiten, die er miterlebte.8 Schlägereien und Gepöbel waren unter Jugendlichen aus der Arbeiterklasse damals ohnehin üblich – in der Familie, im Pub, auf den Straßen und in den Diskotheken.

Ab Mitte der 1970er Jahre nahmen die Auseinandersetzungen zu. Vor allem gegen zu Auswärtsspielen reisende Fans ging die Polizei mit immer größerer Gewalt vor und trug so zu einem aufgeheizten Klima bei. Auch die Medienberichterstattung (viele Zeitungen publizierten Ligatabellen der Fangewalt und befeuerten so einen veritablen Ausschreitungswettbewerb) leistete ihren Beitrag dazu, dass sich immer mehr Jugendliche einer Bewegung anschlossen, bei der ihnen Spaß garantiert war. Nach den ersten live im Fernsehen übertragenen Platzstürmungen forderte der Ligapräsident harte Maßnahmen und erklärte: »Die sind schlimmer als Hooligans. Ich kann sie nur als wilde Tiere beschreiben.« Derartige Verteufelungen und die nun installierten Stahlzäune in den Stadien machten es für viele jedoch noch attraktiver, zu einer als so gefährlich betrachteten Bewegung zu gehören; die Hooligans konnten sich als Elite der Fankultur fühlen. So antworteten die in Stahlkäfige verfrachteten wilden Tiere ihren Zoowärtern in den Verbänden und Medien nicht ohne einen gewissen Sinn für Humor mit dem Schlachtruf We hate humans. Die Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen in den Stadien führte darüber hinaus keineswegs zu einer Beruhigung der Lage, sondern verlagerte die Auseinandersetzungen nur nach draußen, beispielsweise an Bahnhöfe und auf die Fähren zum europäischen Festland. Die Kultur der Hooligans hatte eine immense Strahlkraft, an ihren Märschen zu den Stadien und den versuchten End-Stürmungen nahmen nicht selten Hunderte, teils einige Tausend Fans teil und relativ berühmte (Oi-)Bands bekannten sich explizit zum Hooliganismus.9 Auch wenn es keine verlässlichen Zahlen darüber gibt, lässt sich vermuten, dass zu dieser Zeit auch vereinzelt junge Männer aus besser gestellten proletarischen Milieus angezogen wurden. Der allmählich aufkommende Casual Style10 verleitete einige Kommentatoren allerdings zu der grundfalschen Annahme, die Hooligans entstammten zunehmend der Mittelschicht. In Wirklichkeit kamen sie weiterhin überwiegend aus niedergehenden Arbeiterschichten, genossen als Fans aber ein Leben, das für sie eigentlich nicht vorgesehen war – die Fahrten zu Spielen auf dem europäischen Festland traten sie oftmals ohne einen Penny in der Tasche an, es wurden Fahrscheine gefälscht, Eingänge zu den Stadien gestürmt und munter teure Designerklamotten geklaut oder geplündert. Für viele Hools war es wichtiger, in der coolsten und bestgekleideten Crew als in der schlagkräftigsten zu sein. Durch die Fixierung der Medien auf die Gewalt traten die anderen Momente der Hooligan-Kultur aber oftmals in den Hintergrund und die Protagonisten trugen selbst zu diesem Bild bei, indem sie sich mit Prügelgeschichten brüsteten.

Der Winter of Discontent, bei dem es zu mehrwöchigen Streiks von Arbeitern kam und teils beträchtliche Lohnerhöhungen erkämpft wurden, läutete dann Thatchers Wahlsieg im Mai 1979 ein, der zu einer massiven Militarisierung und einer weiter voranschreitenden Ungleichheit in der Gesellschaft führte. Mit einem Krieg um ein paar Inseln an der Südspitze Argentiniens und dem Kampf gegen die militanten Teile der Arbeiterklasse, der seinen symbolträchtigsten Ausdruck in der Niederschlagung des Bergarbeiterstreiks 1984/85 fand, verschärften sich auch die Maßnahmen gegen Fußballfans. Die Auseinandersetzungen in den Stadien gingen aufgrund forcierter Sicherheitsmaßnahmen stark zurück und verlagerten sich weiter nach draußen; Hooligans machten nun mehr und mehr durch teils heftige Zwischenfälle in Bars und Discos von sich reden. Ihre Aktivitäten scheinen in diesen Jahren auch an Spontanität einzubüßen. Die Kerngruppen begannen sich bandenmäßiger und nach außen abgeschotteter zu organisieren und ihre Mitglieder wurden älter. Der Casual Style, der es ihnen ermöglichte, unerkannt zu den Spielstätten zu gelangen, setzte sich weiter durch und es tauchten erstmals Flugblätter auf, die zum Kampf gegen andere Gruppen aufriefen. Dass neben einem 1982 bei Auseinandersetzungen getöteten Arsenal-Fan Visitenkarten mit der Aufschrift »Congratulations. You’ve just met the ICF« gefunden wurden, war möglicherweise eine Lüge der Presse – gegeben hat es diese Karten allerdings durchaus. Es kam zu einer Gewaltspirale, unterstützt von immer übertriebeneren Berichten der Medien. Die Heysel-Katastrophe im Jahr 1985, bei der 39 zumeist italienische Fans ums Leben kamen und Hunderte verletzt wurden, sowie die Katastrophe von Hillsbourough in Sheffield 1989, bei der es 97 Tote und 766 Verletzte zu beklagen gab, leiteten dann das Ende der klassischen Formen des Hooliganismus ein. Die Geschehnisse in Hillsbourough hatten, wie neue Untersuchungsberichte zeigen, allerdings absolut nichts mit Fußballgewalt zu tun, sondern eher mit einem Versagen der Sicherheitskräfte, gepaart mit einer gezielten Medienpropaganda gegen die Fans des FC Liverpool. Auch die Katastrophe in Heysel ist eher auf eine Fehlplanung der UEFA zurückzuführen, selbst wenn es dort bei einer versuchten End-Stürmung zu gezielten Angriffen auf gegnerische Fans gekommen war.11 Die Bewegung verlor nicht zuletzt durch diese tragischen Ereignisse an Strahlkraft, große Teile der Fanszene distanzierten sich von gewalttätigen Auseinandersetzungen und viele proletarische Jugendliche zogen die neu aufkommenden Rave-Partys an den Wochenenden einem Fußballspiel vor. Nachdem die englischen Klubs für fünf Jahre (der FC Liverpool sogar für sieben) von den europäischen Cup-Wettbewerben ausgeschlossen wurden, organisierte der Verband zusammen mit Polizei und anderen Sicherheitsexperten die Stadien neu und einige bekannte Kerngruppen der Hooligans wurden mit neuesten Polizeistrategien der Unterwanderung und Überwachung, die man sonst nur vom Umgang mit Terrororganisationen kannte, zerschlagen – nicht selten landeten ihre Mitglieder für einige Monate, teils für mehrere Jahre im Knast. Das Ende ist bekannt: Ende der 1980er Jahre wurden alle Stadien in England mit Sitzplätzen ausgestattet, das Aufhängen von Transparenten verboten und unliebsames Publikum durch höhere Ticketpreise verdrängt, was zu sterileren Stadien mit schlechterer Stimmung führte.

Die seit Anfang der 1990er Jahre zu beobachtenden Schlägereien zumeist alter, besoffener und bierbäuchiger Männer, die ihr Nationalteam begleiten, sind nur noch der Abklatsch eines Phänomens, das knapp 30 Jahre lang das Bild des Fußballs, nicht nur in Großbritannien, prägte. Sie dürften lediglich noch für die Polizei von Interesse sein, die bei diesen Reality-Einsätzen mit immer ausgefeilteren Crowd-Control-Strategien schon einmal für kommende Aufstände proben kann. Das Ende der Hooligan-Kultur sollte nicht betrauert werden. Das Bandenwesen, ihre Gewaltaffinität, Männerbündelei sowie ihr Stammesgehabe standen der Emanzipation schon immer im Weg. Darum mag es wenig verwundern, dass die Hooligans es kaum schafften, sich politisch zu artikulieren. Zwar wollten Hools aus dem Norden es den »Tory-Cunts« aus dem konservativeren Süden zeigen, andere prügelten sich für den Bergarbeiterstreik oder nahmen an Riots teil. Es blieb jedoch immer unklar, ob politische Unzufriedenheit der Grund für die Gewalt war oder nur ein Ventil für Aggressionen gesucht wurde. Halbwegs intelligenten Angriffen auf die Warenbeziehungen (Plünderungen) sowie die Verteidiger der Eigentumsverhältnisse (Bullen) standen schon immer sinnlose Schlägereien, Abzockereien von Passanten, Sieg-Heil-Rufe in den Stadien und auch Übergriffe gegen Migranten und schwarze Briten gegenüber. Keineswegs darf man allerdings Hooligans in ihrer Gesamtheit mit Faschisten gleichsetzen. Seit dem Ende der 1970er Jahre versuchten Faschisten verstärkt hooliganistische Fans zu rekrutieren. Das National-Front-Magazin Bulldog pflegte zu diesem Zweck sogar eine eigene Kolumne mit dem Namen »On the Football Front«. Die teilweise ethnisch gemischte Zusammensetzung der Hooligans und nicht zuletzt die aufkommende Fanzine-Bewegung kritischer Fans sowie neue schlagkräftige Gruppen wie die Anti-Fascist Action verhinderten allerdings einen größeren Einfluss der Faschisten. Beim Battle of Lewisham im August 1977, ausgelöst durch einen Marsch der National Front durch Süd-Ost-London gegen Migration und »schwarze« Kriminalität, mischten auch die Mitglieder der Inter City Firm kräftig mit – auf Seiten der trotzkistischen Socialist Workers Party.

1 Eric Hobsbawm, Industrie und Empire II, Frankfurt am Main1969, 129.

2 Vgl. John Clarke, Football and Working Class Fans: Tradition and Change, in: Roger Ingham u.a. (Hg.), »Football Hooliganism«.The Wider Context, London 1978.

3 Nicht alle damaligen Hooligans waren Skinheads; die rebellischen Fans des FC Chelsea zum Beispiel waren sehr darauf bedacht, sich davon abzuheben und pflegten ein anderes Image: »smart and violent«.

4 Cass Pennant, Congratulations You have just met the ICF: Die Geschichte der West Ham Intercity Firm, Hamburg 2006, 21.

5 B.M.BLOB, Zehn Tage die England veränderten, Stuttgart/Berlin 1986, 41.

6 Dies sind Gruppen von Schlägern, die sich auf irgendwelchen Äckern fernab von Fußballplätzen verabreden, um sich dort gegenseitig die Fresse einzuhauen. So dumm wir dies finden, so wenig gibt es dagegen allerdings einzuwenden.

7 Vgl. Peter Marsh, Life and Careers on the Soccer Terraces, in: Ingham u.a. (Hg.), »Football Hooliganism«.

8 Vgl. Nicholas Allt, The Boys from the Mersey: Unterwegs mit der Annie Road End Crew Liverpool, Quickborn 2007.

9 Genannt seien an dieser Stelle Cockney Rejects, Cock Sparrer, The Business und die wohl bekannteste, die es mit einigen Songs sogar in die britischen Top 10 schaffte: die Streetpunk-Band Sham 69.

10 Eine Textzeile von The Libertines trifft den Casual Style wohl am besten: »Poor kids dressing like they’re rich«. Damals begannen Hooligans auszusehen wie junge Männer auf dem Weg zu einem Tennismatch, mit Shirts von Lacoste und Sergio Tacchini, den Adidas-Turnschuhen »Samba« und ihren an David Bowie erinnernden Haarschnitten.

11 »Binnen dreißig Jahren von Hooliganschlägereien (…) waren relativ wenige Todesfälle und schwere Verletzungen in direkter Folge dieser Gewalt zu verzeichnen. Die Todesopfer der Katastrophe im Heysel-Stadion waren zwar das Resultat eines Angriffs von Hooligans, allerdings kam es dazu durch den Einsturz einer Stützmauer und nicht, weil sie erschlagen oder erstochen worden wären.« (John H. Kerr, Understanding Soccer Hooliganism, Berkshire 1994, 108.)

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Geschrieben von

footballuprising

Von Ralf Heck (twitter.com/Ralf__Heck). Aktueller Artikel: Die italienische Liga ist längst nicht mehr die schönste der Welt (NZZ am Sonntag 27.01.)

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