Auf den Spuren Hemingways

Zweiter Weltkrieg Im Februar '45 endete die Schlacht im Hürtgenwald, eine der brutalsten zwischen Deutschen und Amerikanern. Der Nobelpreisträger war dabei

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Der Wald ist dicht. So dicht, dass der Himmel manchmal nur ein kleines Stück sichtbar wird. Dicht und vor allem weit, Kilometer um Kilometer, als ob es ein Ende überhaupt nicht gäbe. Doch ein Ende gibt es tatsächlich, und dann sind riesige Flächen und nackte Hügel zu sehen und dazu kleine Häuser, deren Dächer hinter dem Horizont verschwinden. Auch damals, vor 70 Jahren, war der Wald genauso dicht. Doch er war unruhig, verletzt. Es war Krieg und dieser Wald, der den Namen Hürtgenwald trägt und von Aachen nicht weit entfernt ist, stand plötzlich im Zentrum.

Am 6. Oktober 1944 begann der Vormarsch einer amerikanischen Infanteriedivision auf den Wald und damit der Anfang eines langen Grabenkriegs. Die Alliierten hatten die Deutschen aus Nordfrankreich zurückgedrängt, vor der Verteidigungslinie des Westwalls, auch Siegfried-Linie genannt, mussten sie aber halten. Bei Hürtgen entschieden sie sich, durchzubrechen.

Fünf Monaten lang, mit einigen Pausen, wurde hier hart gekämpft; am Ende lagen hinter den Amerikanern tausende Tote, der Schlamm, die Minen. Die Zerstörung war komplett, sodass man sich noch heute bei jedem Loch und jeder Unebenheit der Erde fragt, was zur Natur gehört und was zum Menschen. Und dann fragt man sich auch, vor allem die Literaturliebhaber fragen sich das, wo Ernest Hemingway gelaufen ist und was er genau gesehen hat, und welcher Einfluss diese fürchterliche Schlacht auf seine literarische Produktion gehabt hat. Denn auch er war dabei, er sollte als Kriegsreporter vor Ort berichten - eine Tätigkeit, die er parallel zur Schriftstellerei ausübte.

Dafür gibt es einen speziellen Wanderweg. Man nennt ihn "Hemingway-Trail", er ist ungefähr 10 Kilometer lang und führt in den Wald, wo sich alte Stellungen befanden und wo die zwei Armeen im Winter '44/'45 gekämpft haben. Spuren von damals sind zum großen Teil versteckt: die Natur hat das Gebiet wiedererobert, doch ahnen kann man vieles in "diesen Wäldern, die wie Kulissen zu Grimms Märchen aussahen, nur noch grimmiger", wie Hemingway selbst schrieb. Der Multimedia-Historyguide der Konejung Stiftung (www.mm-historyguide.de) hilft dabei, die damaligen Ereignisse mit ihren Bildern und Geräuschen ans Licht zu bringen. Bilder und Geräusche die - wie die Zeugen sagen - grausam waren.

Hemingway, damals 45 Jahre alt, war nach der infernalen Allerseelenschlacht in diesen Wald gekommen. Von der ersten Linie hielt er sich aber fern, sogar einen eigenen Fahrer soll er gehabt haben. Am Ende schrieb er für die Zeitschrift Collier's über die Schlacht keine einzige Seite. Man sagt, dass er von den Ereignissen zu bewegt war "Dies war eine Gegend, in der es äußerst schwierig war, am Leben zu bleiben, selbst wenn man nichts weiter tat, als dort zu sein", schrieb der Autor in seinem Roman Über den Fluss und in die Wälder, der 1950 erschien und in dem seine Erlebnisse im Hürtgenwald kurz beschrieben sind. Und tatsächlich wurde die Schlacht zu einer der schwersten und brutalsten für die US Army, mit 12.000 Toten (genaue Zahlen gibt es nicht), unzähligen Verletzten und Gefangenen - es überrascht also nicht, dass sie in der Erinnerungskultur des Landes noch immer vorhanden ist und dass amerikanische Gedenkkreuze im Gebiet zu finden sind. „Es gab Schnee oder sonst was, Regen oder Nebel die ganze Zeit über, und die Straßen waren an einzelnen Stellen bis zu vierzehn Minen tief miniert, so dass man, wenn sich die Fahrzeuge in einer neuen Stelle Schlamm, in eine tiefe Mienenschicht, einwühlten, immer Fahrzeuge, und natürlich auch die Leute, die in ihnen darin waren, verlor.“

Mit unzähligen Schützenlöchern, Gräben und dem massiven Einsatz von Minen hatten die Deutschen den Wald zu einer Festung gemacht - bis heute, nach Schätzungen, stecken im Boden noch Bomben und Minen. Erst im Februar 1945, nach dem Scheitern der deutschen Ardennenoffensive, erreichten die Amerikaner die andere Seite des Waldes und konnten damit eine der längsten Schlachten der US Army insgesamt beenden. Das war vor ungefähr 70 Jahren. Hemingway war dabei, der junge Jerome D. Salinger auch und man sagt, die ersten Kapitel seines Beststellers Der Fänger im Roggen habe er genau hier geschrieben.

Der Wanderer braucht nur ein paar Stunden, um den ganzen "Hemingway-Trail" zu laufen: die Abhänge sind mild, der Weg ist bequem, wenn man Glück hat scheint sogar die Sonne und man sieht Füchse und andere Tiere. Man läuft bergab und bergauf und wenn man oben ist, und die Bäume es erlauben, sieht man den Wald in seiner ganzen Ausdehnung. Auf den Schlachtspuren kann man laufen - und gleichzeitig denken: dutzende Menschen sind noch vermisst, im Wald begraben, Seite an Seite.

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