Wie man eine rechtsradikale Tat umdeutet

Italien Ein Mann schießt auf Ausländer und verletzt sechs Menschen. Politiker der Mitte-Rechts-Parteien versuchen herunterzuspielen: das wahre Problem sei die Migrationspolitik

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Der Umgang mit den Schüssen von Macerata lässt tief blicken
Der Umgang mit den Schüssen von Macerata lässt tief blicken

Foto: STR/AFP/Getty Images

Es gibt eine Sache, die fast gefährlicher ist als die Ereignisse selbst von Macerata. Und das ist der Versuch, die Tat eines Rechtsextremisten herunterzuspielen. Doch die Reaktionen von Silvio Berlusconi, Führungsfigur der Mitte-Rechts Partei Forza Italia, und Matteo Salvini, Chef der rechten Lega Nord, gehen genau in diese Richtung.

Erstmal die Fakten: in Macerata, einer kleinen Stadt 250 Kilometer nordöstlich von Rom, schießt ein Mann aus einem fahrenden Auto gezielt auf Ausländer und verletzt dabei sechs Personen, die aus Mali, Ghana, Nigeria und Gambia stammen (die sechs Opfer sind inzwischen außer Lebensgefahr). Der Täter, der 28-jähriger Luca Traini, wurde kurze Zeit später festgenommen: Medienberichten zufolge befand er sich bei der Verhaftung vor einem Denkmal für gefallene Soldaten, wo er sich in die italienische Fahne hüllte, den Faschistengruß machte und "Viva l'Italia" rief. Fotos vom Täter zeigen ein Wolfsangel-Tattoo auf seiner Stirn. In seinem Elternhaus fanden die Ermittler unter anderem eine Hakenkreuzfahne und ein Exemplar von Hitlers Mein Kampf.

Matteo Salvini, Chef der Lega Nord – der Partei, für die Luca Traini bei Kommunalwahlen (erfolglos) kandidierte – reagierte prompt auf die Ereignisse. Auf seinem Twitter-Profil schrieb er, dass "die Gewalt nie eine Lösung ist". Dann fügte er aber hinzu: "Unkontrollierte Immigration führt zu Chaos, Wut, sozialen Konflikten. Unkontrollierte Immigration führt zu Drogenhandel, Diebstahl, Raub und Gewalt". Die Nachrichtenagentur Ansa zitiert ihn so: "Die moralische Verantwortung für jede Episode von Gewalt, die in Italien passiert, haben diejenigen, die das Land mit illegalen Einwanderern gefüllt haben". Deshalb kann er kaum erwarten, an die Macht zu kommen, um in Italien wieder für Ordnung zu sorgen. Nach Silvio Berlusconi handelt es sich hingegen um einen "Geistesgestörten", dessen Taten aber auf ein wichtiges Problem hinweisen, nämlich die Sicherheit in den Städten.

Ein Monat vor der Wahl, die in Italien am 4. März stattfinden wird, hätte man sich von den zwei Parteien Forza Italia und Lega Nord, die zusammen laut Umfragen auf 38% der Stimmen kommen, eine deutlichere Verurteilung aller Gewaltformen (oder zumindest eine klare Distanzierung) gewünscht. Dass das nicht der Fall ist, überrascht allerdings nicht. Auch in Italien gewinnen rechtsextremistische Parteien an Wählern und medialer Präsenz. Neofaschistische Bewegungen wie Forza Nuova und CasaPound verstecken sich nicht mehr, die Unterschiede zwischen ihnen und den "institutionalisierten" Parteien des Mitte-Rechts, die sowieso nie besonders groß waren, werden immer geringer. Aus der Gewalttat eines Rechtsextremisten ergeben sich für sie nur folgende Konsequenzen: die Migrationspolitik zu verschärfen, die innere Sicherheit zu verstärken.

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