Bisher waren Magazine für den Mann meist eng an seinen diversen Passionen orientiert. Es ging ums Angeln, das Automobil, die Datenverarbeitung oder eben die Schweinereien. Die Blätter nennen sich im Fachjargon "Fachzeitschriften", ihre Leser sind nicht nur ganze Männer, sondern immer auch vom Fach, die dafür sorgen, die ohnehin schon in die Materie Eingeweihten mit Wissen oder Anschauungsmaterial zu versorgen. Seit einiger Zeit geht es in diesem Zeitschriftensegment aber noch ganz anders zu.
Neuerdings gibt es nun auch für Männer das, was für Frauen die Amica ist. Scheinbar entdeckten die Männer in den letzten Jahren einen Bedarf nach Unterweisung in Lifestyle- und Körperpflegethemen, der prompt durch neue Magazine besetzt wurde. Nur dass die M
Nur dass die Männer hier offensichtlich absolute Anfänger sind, weswegen im Gegensatz zu den Vorbildern der Frauenzeitschriften zunächst grundlegendes Wissen vermittelt werden muss.FHM heißt einer der Avantgardisten, als For Him Magazine quasi das natürliche Pendant zur Für Sie. 250.000 Männer kauften im letzten Jahr die erste Auflage. GQ konnte seine Zahlen seit 1997 verdoppeln. Marktführer im neuen Segment ist die Men´s Health, alle drei unterscheiden sich konzeptionell nur im Detail.Die thematische Breite der Blätter reicht vom Geschmackstest der neuesten Fruchtgummis bis zu Überlebenstipps für die Einsamkeit in der Wildnis, sie erstreckt sich vor allem auf die Komplexe Sex/Partnerschaft, Fitness/Bodybuilding, Ernährung/Gesundheit, Mode und soziale Kompetenz. Immer ist es offensichtlich, dass der Leser vor allem etwas lernen soll und in hohem Maße orientierungsbedürftig ist.Der verunsicherte Mann findet 1001 Tipps Tricks zu allen Lebenslagen und vor allem dort, wo vorher nur die Frauen beraten wurden. Die Blätter sind angetreten, Nöte der Männer zu lindern, die streckenweise existentiellen Charakter haben: "Das Heft ist meine Bibel und mein ständiger Berater, hat einen entscheidenden Anteil an meiner Weiterentwicklung", lobt einer auf der Leserbriefseite das Kreuz, das er zu tragen hat. Ein anderer, der das Evangelium auch bereits vernommen hat, berichtet: "Mein Leben hat sich verändert."Immer wieder sind die Umgangsformen in der Partnerschaft die Themen der Beiträge. Beispielsweise soll den leidigen Konflikten mit Hilfe der Streitregeln eines gestandenen Psychologen beigekommen werden. Zunächst wird dort die Streit-Bereitschaft in der Partnerschaft propagiert, die als Zeichen von Respekt gegenüber der Partnerin begründet wird. Diese an sich richtige Forderung wird dann aber in ihr Gegenteil verkehrt, zum Beispiel wenn es um Kompromissbereitschaft geht. Vorsicht, so der Rat, beim Zugeständnis: "Na gut, nur Kuscheln." Vielmehr soll der Mann zu seinen Bedürfnissen und Gelüsten stehen, statt das "Nein" der Partnerin - und sei es murrend - einfach hinzunehmen.Etwas später erfährt die interessierte Leserschaft, dass man derlei Streitbereitschaft in beruflichen Zusammenhängen "Soft Skill" nennt. Diese neuen weichen Waffen sind ein probates Mittel im alten Kampf um Erfolg: "Männer kämpfen. Das war schon immer so." Das gilt wie anno dazumal auch für´s Privatleben, wo Männer selbstverständlich kämpfen: "Um die schönste Frau." Der stärkste, heißt: softest geskillte, Mann kämpft den ewigen (Geschlechter-)Kampf um die schönste Beute im Revier."Soft Skills" bringt das durchgängige Motiv permanenter Beratung auf den Punkt. Sie ist weniger Hilfestellung als Mechanismus zur Regulierung sozialer Verkehrsformen. Der Beitrag treibt dies auf die Spitze, indem er Leitlinien für den Gebrauch oder Nichtgebrauch einzelner Worte aufstellt: "Streichen Sie die Wörter alles, nie, immer, ständig aus ihrem Wortschatz." Statt dessen rät das Blatt, lieber "Worte, die positive Assoziationen wecken" zu gebrauchen..Die Probleme, auf die die Beratungsangebote antworten, sind breit gestreut und oft so speziell, dass sie nur ausnahmsweise die Lebenslage des jeweiligen Lesers treffen dürften. Dennoch liefern sie Orientierungshilfe und schlagen Schneisen in die neue Unübersichtlichkeit der sozialen Imperative.In Form und Inhalt gleichen die Hefte den einschlägigen Rubriken in der Bravo, nur dass die Konsumenten nun endlich Geld haben und sich auf einem anderen sozialen Parkett bewegen. Was damals die Klassenfahrt war, ist jetzt die Dinnerparty - die Probleme bleiben die gleichen: "Wie viel Sex ist normal?", will Gerald T. noch immer wissen, nachdem ihm damals schon Dr. Sommer keine vernünftige Antwort geben konnte.Die Breite des thematischen Angebots reagiert auf die veränderten Anforderungen an den Mann, doch nicht in dem Sinne, dass er nun nicht mehr Macho sein darf, ganz im Gegenteil soll er es sogar: "Jahrzehntelang wurde den Männern eingetrichtert, dass eine Beziehung immer eine gleichberechtigte Partnerschaft zu sein hat. Doch die Frauen wollen das gar nicht", klärt uns Men´s Health auf. Gleichzeitig, so die Botschaft, sollte der Mann nun auch seine Fältchen bekämpfen und sich über die Effekte verschiedener Ölsorten im Feldsalat bewusst sein.Derlei Anforderungen, die sich bislang "nur" an Frauen richteten, werden nun auch auf die männliche Spezies ausgeweitet. Bislang waren es die Frauen, die, um beruflich zu überleben, "männliche" Darstellungs- und Verhaltenstechniken übernehmen und trainieren mussten. Nun sollen die Männer von den Frauen lernen, wie mann sich herrichtet und sich gibt. Aus der Forderung nach gleichen Rechten und Chancen für beide Geschlechter ist die Realität gleicher und damit ausgedehnter Ansprüche geworden, die alle in Bezug auf ihren Körper und ihr Verhalten zu erfüllen haben.Nun haben auch "wir" uns also unserem Körper zuzuwenden, genauer: ihn nach vorgefertigten Mustern zu manipulieren. In dieser Figur treffen sich die Themenkomplexe Fitness, Mode, Ernährung und Gesundheit. Damit sei die "Gleichberechtigung im Attraktivitätsterror" hergestellt, bekundet eine Redakteurin von Men´s Health ganz freimütig im Spiegel. Denn die Tipps und Tricks bieten immer auch Hilfe an für jene Probleme, die das Blatt selbst in den Köpfen der Männer mit verankert. Erst wenn einen Gesichtsfältchen nicht mehr ruhig schlafen lassen, wird nach Informationen über die geeignetsten Cremes und Masken gegriffen. Mediale Angebote und die Bedürfnisse der Leser erzeugen sich gegenseitig.Die vormals "weiblichen" Themen sind allerdings nicht unverändert in der Männerwelt angelangt. Die klassisch-männlichen Motive der Kontrolle und Beherrschung haben sich vielmehr in die Form der Darbietung eingeschrieben. Die reichlich offerierten Überlebenstipps sind keine klassischen Hilfsangebote, sondern sollen als "Navigator", "Manual" oder "Baukasten" in Anspruch genommen werden. Wo "Paar-Psychologie" noch allzu sehr nach Bedürftigkeit klänge, verliert der "Beziehungs-TÜV" unter Männern seinen Schrecken. Auch der eigene Körper und dessen Bedeutungen im sozialen Raum werden mit Hilfe eines "Muskel-Manual" umfassend beherrschbar."Die Bestimmung der Frau ist ihr Platz an der Seite des Mannes." Man müsste schlucken an solchen Sätzen, wären sie nicht durchgängig in den sanften Ton launiger Ironie getaucht. Tatsächlich fällt es den gestandenen Kerls noch schwer, ihr neuentdecktes Interesse für Kosmetika und modische Accessoires für selbstverständlich zu nehmen."Männer sind so", verkündet der Untertitel der FHM schlicht. Aus der trotzigen Sentenz spricht der Unwille, sich mit der männlichen Rolle auseinander zu setzen. Nie mehr sollen Männer sich schämen für das, was sie toll oder geil finden und deshalb fühlen oder tun. Ganz auf sich als "Mann" bezogen, sollen sie endlich (wieder) nachgehen können, was ihnen von Männergruppen oder Feministinnen versagt wurde. Die neuen Männermagazine bieten offensive Strategien emanzipatorischer Verweigerung an und bestärken damit die noch rollende Backlash-Bewegung. Sie reanimieren das klassisch-patriarchale Männerbild aber nicht unverändert, sondern komponieren einen Mix aus klassischer Männerrolle und Elementen, die vormals als exklusiv "weiblich" galten. Dabei werden selbst vergleichsweise bescheidene Vorstellungen von Gleichberechtigung im Verhältnis der Geschlechter in aller Offenheit entsorgt. Herzlich Willkommen in Zeiten, in denen solche Kniffe (wieder) Allgemeingut werden: "Ohnmacht beim Blutabnehmen? Fixieren Sie das Dekolleté der Schwester!"Alle Zitate stammen aus Men´s Health, März und April 2001
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