Es ist still auf dem Rhin, wenn man die Paddel ruhen lässt. Kein Zivilisationsgeräusch klingt durch das Laubdach, kein Flugzeugmotor, kein Autobahndröhnen, keine Kreissäge. Nur Grillen zirpen, einmal wiehert ein Pferd. Ab und an müssen wir einem quer über dem Wasser liegenden, vom Blitz gefällten Baumstamm ausweichen. Ein Eisvogel schimmert blau durchs ufernahe Geäst. Bersonders aufmerksame Beobachter können den Biber durchs Wasser schnorcheln sehen. Erst weiter unten, hinter Zippelsförde weitet sich der Rhin, wird er nach dem Durchfließen von Molchow- und Zermützelsee zivilisiert. Dort hingegen zerhacken die Kleinjachten und Motorboote jede kontemplative Stimmung. "Man darf ja nischte mehr machen", flucht der Bootsverleiher. "Die
Die Grünen erlauben die Paddeltour erst ab dem 16. Juni. Dabei ist das hier sanfter Tourismus." Wir befragen den Touristikunternehmer nach dem Bombodrom, er reagiert mürrisch. "Eine ewige Geschichte. Sind ja kaum noch Menschen da und es wern immer weniger. Die wolln es bauen und wern es bauen. Die machen sowieso, was se wolln." Ende der Ansage.Worum es geht, ist schnell gesagt: Zwischen Wittstock, Rheinsberg, Neuruppin und Kyritz errichtete die Rote Armee ab 1950 mit Hilfe von umfangreichen Zwangsenteignungen einen 144 Quadratmeter großen Bombenabwurfplatz, auf dem es zu DDR-Zeiten bis zu 18.000 Einsätze jährlich mit scharfer Munition und Bomben gab. Seit dem sowjetischen Truppenabzug wird das Areal von der Bundeswehr beansprucht. Klagen von Anrainergemeinden verhinderten bislang die Inbetriebnahme des Platzes. Dabei existieren in Nordhorn (im Emsland) und Siegenburg (zwischen Regensburg und Landshut) Standorte, die für 4.200 Einsätze pro Jahr ausgelegt sind. 2003 kam es jedoch nur zu 1.037 Einsätzen, Tendenz seit Jahren rückläufig. In einem parteiübergreifenden Gruppenantrag an den Bundestag vom Januar 2005 heißt es außerdem: "Die Bekämpfung von Bodenzielen im Tiefflug mit ungelenkten Bomben gehört - insbesondere wegen des hohen Risikos - der Vergangenheit an. (...) Der in einigen Jahren zulaufende Eurofighter ist für seine Jagdbomberrolle nur noch mit Abstandswaffen ausgerüstet." Hinter der Hand erzählt man sich, dass die westdeutschen Standorte geschlossen und Übungen in die Ruppiner Heide verlagert werden sollen. Diese Befürchtung wurde im oben zitierten Antrag ebenfalls ausgesprochen. Hinzu kommt, dass Kanzlerkandidatin Merkel eine diesbezügliche Lastenverteilung von West nach Ost befürwortet.In der Rheinsberger "Eiz"-Fabrik (666 Sorten Eis von Pfeffer-Erdbeer bis Möhren-Apfel) wird zum Cornetto die Unterschriftenliste gereicht, im Gäa-Ökoladen in Zernikow liegen Informationen neben der Käsetheke und im Glasmuseum in Neuglobsow am Stechlin-See (an dieser Stelle sollte eigentlich Fontanes Name erwähnt werden) sind Protestkarten an den MdB im Ansichtskartenständer eingeordnet. Die Bürgerinitiative FREIe HEIDe gegen das Bombodrom entstand bereits 1992. Ihr bekanntestes Gründungsmitglied und "Großmutter des Widerstands", Annemarie Friedrich, ist gerade erst im Alter von 85 Jahren verstorben. Nach jahrelangem Engagement der Bürgerinitiative kamen die Aktionen ProHeide (Unternehmer kontra Bombodrom, 2003) und ProUrlaub (Feriengäste gegen das Bombodrom, 2004) hinzu.In der Liste der Prominenten, die gegen die Inbetriebnahme des Bombodroms sind, finden sich nicht nur viele Politiker der Bündnisgrünen und die rot-roten Vertreter Ministerpräsident Platzeck und Linksparteichef Bisky, sondern auch - man staune! - General a. D. Schönbohm, Innenminister des Landes Brandenburg. Die Abgeordneten des brandenburgischen Landtages stimmten 2004 mehrheitlich für eine friedliche Nutzung der Ruppiner Heide. Ein Konsens quer durch alle Parteien, fast erscheint eine politische Utopie am weiten märkischen Horizont, in der die Volksvertreter den Gründen der Vernunft auf sachkompetentem Boden gehorchen und nicht der Parteiraison. Wie gesagt, eine Utopie.Im Gegensatz zur brandenburgischen CDU-Basis ist Schönbohm in den letzten Wahlkampf-Wochen von seiner ursprünglichen Position abgerückt. Noch Anfang des Monats hat SPD-Chef Müntefering die Notwendigkeit der Bombodrom-Pläne bekräftigt. Der neue Außenexperte in Merkels Schattenkabinett, Schäuble, sprach sich jedoch für eine Überprüfung der Pläne und gegen eine militärische Nutzung des Areals aus. Nicht glaubwürdig sei Schäuble, erklärte sogleich der außen- und friedenspolitische Sprecher der Linkspartei Gehrcke. Auch die Bündnisgrünen schicken ihre Prominenten in Wahlkampfzeiten in die Ruppiner Heide.Naturnaher Tourismus und Landwirtschaft sind die wirtschaftlichen Standbeine der Region und werden es wahrscheinlich auf längere Sicht bleiben. Natürlich ist auch ein militärischer Standort ein Wirtschaftsfaktor. Erst im Frühjahr wurde der Abzug beträchtlicher amerikanischer Truppenkontingente aus süddeutschen Standorten wie Schweinfurt nicht nur lokal bedauert. Im Ruppiner Land allerdings risse man ein, was in eineinhalb Jahrzehnten mühevoll aufgebaut wurde. Zudem werden Investitionen in den brandenburgischen, aber auch benachbarten mecklenburgischen Tourismus-Standort (Müritz) blockiert. Mindestens 15.000 Arbeitsplätze seien akut gefährdet.Dieser Landstrich, dünn besiedelt, daran änderten die Jahrhunderte nichts, war geplagt: In den sechziger Jahren wurde das Kernkraftwerk Rheinsberg errichtet. Der 68 Meter tiefe Stechlin-See, der zur Kühlung genutzt wurde, erwärmte sich daraufhin um ein Grad. Anfang der Neunziger wurde das KKW abgeschaltet, sein Rückbau wird jedoch bis 2009 andauern.In Meseberg, unweit von Lindow, wird das Schloss, das einstens Major von Kaphengst, einem Günstling des Prinzen Heinrich gehörte - "wie ein Zauberschloss liegt es da" (Fontane) - mit Mitteln der Messerschmidt-Stiftung in das Gästehaus der Bundesregierung umgewandelt und aufwändig saniert. Meseberg, mit Eskorte eine knappe Stunde vom Bundeskanzleramt entfernt, soll dereinst mit Rambouillet nahe Paris konkurrieren. Welchen Eindruck würde es auf die Staatsgäste machen, hörten sie, am Ufer des Huwenow-Sees stehend, so ganz in der Nähe, das Grollen eines Flächenbombardements ...