Konkurrenz hilft

AIDS in Afrika Wider die politische Instrumentalisierung einer Erkrankung

Im Freitag vom 12. März 2004 stellte Torsten Engelbrecht Argumente der heterogenen Gruppe der AIDS-Kritiker vor. Diese vertreten ein weites Spektrum von Auffassungen, das von der Leugnung der Existenz des HIV-Virus bis zur berechtigten Kritik an unkritisch eingesetzter medikamentöser Langzeitbehandlung sowie politischer und wirtschaftlicher Instrumentalisierung der AIDS-Epidemie reicht.

Eine Replik von Frank Hanisch.

Nach Angaben des Robert-Koch Institutes liegt die Neuinfektionsrate an HIV seit Ende der achtziger Jahre in Deutschland relativ konstant bei zirka 2.000 Personen. Dank der modernen sogenannten antiretroviralen Therapie hat sich die Zahl der AIDS-Erkrankten (Vollbild der Immunschwäche) und AIDS-Toten seit 1996 halbiert. Das Langzeitüberleben durch eine Langzeittherapie mit all ihren Nebenwirkungen stellt eine neue Herausforderung dar. Zugenommen hat in Deutschland in den letzten Jahren jedoch der Anteil von HIV-positiven Personen aus Ländern, deren Bevölkerung eine hohe HIV-Verbreitung aufweist. Dazu zählen die Länder südlich der Sahara.

Im Mai 2003 verabschiedete der US-Kongress eine Anti-AIDS-Initiative. Die bereit gestellten 15 Milliarden Dollar sollen Ländern südlich der Sahara zugute kommen und vorwiegend für Medikamente, nicht aber für Prävention und Gesundheitserziehung ausgegeben werden. Kritiker werfen der US-Regierung vor, mit dieser Initiative den afrikanischen Medikamentenmarkt kontrollieren zu wollen. Das Weiße Haus und europäische Regierungen üben permanent Druck auf afrikanische Handelspartner aus, Patentverträge zu respektieren und ausschließlich Markenprodukte einzuführen und zu vertreiben. Selbst wenn Pharmafirmen wie Eli Lilly oder La Roche in den zurückliegenden ein, zwei Jahren ihre Medikamente in Entwicklungsländern um ein Zehntel billiger anbieten - und selbst das wurde als großer Erfolg gewertet -, sind diese für Afrikaner immer noch absurd teuer und eher ein Produkt für den Schwarzmarkt - der, wie aktuell aus Nigeria berichtet - von korrupten Staatsbeamten forciert wird. Eine reale Hilfe für die betroffenen Infizierten ist dieses Angebot nicht. Ein Vergleich soll das verdeutlichen: Gemessen am durchschnittlichen Einkommen-Kostenverhältnis gibt ein US-Amerikaner mit HIV/AIDS ein Drittel seines Jahreseinkommens für Medikamente aus, ein Afrikaner jedoch das 1,5-fache!

In diesem Kontext sind wohl die für westliche Ohren zunächst absurd erscheinenden Bemerkungen des südafrikanischen Präsidenten Mbeki zu werten, AIDS sei hauptsächlich auf Unterernährung und Hygienemangel zurückzuführen.

Als Alternative erklärten sich im Dezember 2003 die europäischen Pharmafirmen Boehringer Ingelheim und Glaxo Smith Kline auf Druck von NGO bereit, Lizenzen für drei wichtige Anti-Aidsmedikamente an Produzenten von Nachahmerprodukten (Generika) zu vergeben. Dazu zählt das in Deutschland zugelassene Medikament Nevirapin. Diese Generika dürfen nun auch in das südliche Afrika exportiert werden. Es wird erwartet, dass aufgrund der konkurrenten Situation der Generikafirmen die Medikamentenpreise dramatisch fallen werden und Kombinationsmedikamente (eine Tablette mit mehreren Wirkstoffen), die die Medikamenteneinnahme erheblich vereinfachen, zum Einsatz kommen.

Da die finanziellen Möglichkeiten in afrikanischen Ländern begrenzt sind, stellt die Möglichkeit eines preiswerten Suchtests schon einen Fortschritt dar. Zudem muss man sich immer wieder vergegenwärtigen, wie kompliziert die Aufbewahrung von Medikamenten und Tests in tropischen Ländern durch Hitze, störanfällige Stromversorgung und sintflutartige Regengüsse ist. Sicher sind die häufigen, parallel vorkommenden Infektionskrankheiten ein Störfaktor in der Auswertung des HIV-Tests (Kreuzreaktivität). Dennoch sind moderne Tests (ELISA, PCR, Western Blot) so angelegt, dass nur eine deutlich nachweisbare Bande ein sicher positives, eine fehlende Bande ein sicher negatives Ergebnis anzeigt. Kreuzreaktivitäten bewirken den zweideutigen Befund einer schwachen, verwaschenen Bande. Der Test muss wiederholt werden. Insofern scheint die Behauptung, afrikanische Ärzte und Angestellte der Weltgesundheitsorganisation würden eine Epidemie "erfinden", gewagt. Selbst 20 Jahre nach der Entdeckung des HIV-Virus wird das Thema HIV/AIDS, wie oben geschildert, bedauerlicherweise immer wieder von den unterschiedlichsten Parteien für wirtschaftliche Interessen, politische Einflussnahme und als populistisches Instrument missbraucht.


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