Licht am Ende des Tunnels

Corona Die Kulturszene wurde während der Pandemie alleine gelassen. Aber jetzt die gute Nachricht: Der Sommer kommt
Ausgabe 19/2021
Viele Künstler*innen sind nur schwer durch die Krise gekommen
Viele Künstler*innen sind nur schwer durch die Krise gekommen

Foto: Christian Spicker/imago

Ich weiß nicht, ob Sie das auch beobachtet haben: Als am vergangenen Wochenende die Temperaturen stiegen, die Infektionsraten sanken und die Menschen mit dem Gefühl vor die Tür gegangen sind, dass es jetzt bald vorbei sein könnte mit all den Beschränkungen, mit der Pandemie an sich und vor allem mit dem erzwungenen Zuhausebleiben, da war es so, als würde ein Vorhang hochgezogen.

Ich bin mit dem Fahrrad herumgefahren. An einer Ecke war es still, an der nächsten wurde laut geredet, auf einem Boot wurde die Boombox aufgedreht und ein Rave gestartet, auf einer Brücke hatte sich eine Band aufgebaut. Applaus kam mit Sicherheitsabstand von der anderen Straßenseite. Der Ausdruck der Lebensfreude hat sich bis an den Rand der Legalität erstreckt und ich bin sicher, teilweise auch darüber hinaus.

Das Dilemma mit der Kultur ist, dass sie der Definition nach das Gegenteil von Natur ist – und nicht etwa von Wirtschaft, wie es der praktische Gebrauch des Wortes in der Politik häufig nahe legt. Sie ist die Gesamtheit unserer menschlichen Aktivitäten.

Wir leben in einer spannenden Zeit. Und wenn die unmittelbare Bedrohung menschlichen Lebens durch die Covid-Naturkatastrophe erst eingedämmt ist, wird es viel zu verarbeiten geben. Für die Institutionen, die wir als Kultur ansehen, aber auch für diejenigen, die, wie die Clubs, der falschen Alltagsdefinition nach gerade erst in den Rang von Kultur erhoben worden sind.

Es gilt zum Beispiel folgende Fragen zu klären: Wie ist das Verhältnis von Aufklärung zu Reaktion heute? Warum wird die Wissenschaft immer noch wie eine Religion angesehen? Ist eine bevormundende und erzieherische Grundeinstellung der öffentlich-rechtlichen Institutionen Teil des Problems? Und warum soll man nicht auch die abstrusen Positionen des Querdenkertums künstlerisch in die Mangel nehmen? Ein Teil der Geschichtsschreibung sind sie ohnehin schon.

Das extrem heterogene Volk der Künstler*innen ist unterschiedlich gut durch die Krise gekommen. Strukturen sind zerstört, andere erhalten worden. Die eine hat sich auf die inhaltliche Arbeit konzentriert, der andere war ganz raus aus dem Job. Viele Entwicklungen im Markt und in der Kultur-Produktion sind beschleunigt worden. Ein Konsens sollte im Nachhinein vor allem darüber bestehen, dass auch Künstler*innen aus der freien Szene, die immer schon ein enormes Risiko eingegangen sind, einer sozialen Absicherung bedürfen. Wie würden Sie persönlich klarkommen, wenn Ihre Einkünfte einfach anderthalb Jahre ausblieben und die Angebote der Politik sich darauf beschränkten, zwar die Miete für die Garage, nicht aber für die Wohnung zu bezahlen? Die wenigsten Menschen sind auf eine Situation vorbereitet, die jetzt beinahe alle freischaffenden Künstler betroffen hat. Jeder Club, jede freie Bühne, jeder Konzertveranstalter musste seine Mitarbeiter ohne Einkünfte zurücklassen und die konnten froh sein, wenn es in der Politik überhaupt Verständnis für ihre Situation gab.

Der DJ auf dem Boot macht seinen Job in dem Bewusstsein, dass die Anwohner jederzeit die Polizei rufen können. Und die Band auf der Brücke legt erst gar keinen Hut aus, wo sie nicht auf ihn aufpassen kann. Aber jetzt kommt die gute Nachricht: Der Sommer kommt. Es ist noch lange nicht zu Ende mit der Kultur.

Frank Spilker ist Sänger und Songwriter der Hamburger Band Die Sterne

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