"Nur die Ruhe, die Attacke geht weiter!", heißt es auf der Homepage der nationalistischen Partei Ataka zur Beruhigung ihrer verunsicherten Anhänger. Nachdem die kurz zuvor als Sammelbecken radikaler Gruppierungen gegründete Ataka im Juni 2005 überraschend als viertstärkste Fraktion mit acht Prozent in die Nationalversammlung eingezogen war, avancierte sie Umfragen zufolge mit ihrem populistischen, minderheitenfeindlichen Programm alsbald zur zweitstärksten Formation hinter den regierenden Sozialisten. Ende März bescheinigten die Demoskopen eine Zustimmungsrate von 15 Prozent - und der April schien noch mehr zu versprechen. Schon seit Wochen hatten Ataka-Abgeordnete Parlamentssitzungen ignoriert und waren agitierend durchs Land gezogen, um die Bulgaren zum Widerstand gegen die umstrittene Einrichtung von Militärbasen der Amerikaner zu überreden. Die Kampagne sollte bei einem großen Protest während des NATO-Gipfels in Sofia Ende April ihren Zenit erreichen, um Außenministerin Condoleeza Rice die nötige Begleitmusik zu verschaffen, sollte sie die Verträge für drei Stützpunkte unterzeichnen.
Doch es kam anders. Kurz zuvor, am Abend des 7. April, auf der Autobahn zwischen Pasardschick und Sofia ereignete sich ein mysteriöser Zwischenfall, der unter Umständen den Absturz von Ataka in die Bedeutungslosigkeit ausgelöst hat.
Es sei ein Attentat auf sein Leben verübt worden, beklagte sich Atakas ebenso demagogischer wie charismatischer Parteichef Volen Siderov unmittelbar nach dem Vorfall beim Innenminister. Nach einem harmlosen Verkehrsunfall habe Siderovs Stellvertreter Pavel Tschernev einen 22-jährigen Studenten verprügelt und drei seiner Autoreifen mit einem Messer zerschnitten, meldeten dagegen die Medien. Die allgemeine Verwirrung steigerte sich, als der mit einer eindrucksvoll bulligen Physiognomie ausgestattete Tschernev drei verschiedene Versionen des Tathergangs zu Protokoll gab - bis er schließlich bestritt, zur Tatzeit überhaupt am Tatort gewesen zu sein. Der Vorsitzende Siderov - so Tschernev - habe ihn zur Falschaussage genötigt, um seinen unter Bewährung stehenden Fahrer Lubomir Bakerdjiew zu decken, der ihm mit seiner robusten Statur ähnlich sähe. Der wiederum gestand umgehend - nicht nur die Prügel und die Messerstiche, er bezichtigte gar Siderov, Pistolenschüsse abgegeben zu haben, um das Attentat vorzutäuschen. Seither steht der Ataka-Führer mit dem Rücken zur Wand - das Ende der Partei scheint besiegelt. Der Generalstaatsanwalt hat angekündigt, Siderovs parlamentarische Immunität aufzuheben und Ermittlungen gegen ihn wegen Meineids einzuleiten. Die Mai-Umfragen verorten die Rest-Ataka immerhin noch bei sieben Prozent und damit auf Rang drei in der Wählergunst - klar hinter der neu gegründeten Bürgerbewegung für eine Europäische Entwicklung Bulgariens (GERB) des Sofioter Bürgermeisters Boiko Borissov.
Volen Siderovs politische Vita ist eng mit dem Kurswechsel Bulgariens vom autoritären Sozialismus zum demokratischen Parlamentarismus verbunden. In der Wendezeit von 1989/90 gehörte er als Mitglied der Umweltpartei Kristall zur Opposition und wurde später Chefredakteur der Tageszeitung Demokratsia, die der anti-kommunistischen Union Demokratischer Kräfte (SDS) nahe stand. Nachdem sich Siderov 2001 vergeblich um eine Parlamentskandidatur auf der Liste der Nationalen Bewegung Simeons II. (NDSW), des einstigen Königs, bemüht hatte, radikalisierte er sein Denken in demonstrativer Weise und veröffentlichte Bücher wie Die Macht des Mammons, dem Kritiker einen ausgeprägt antisemitischen Ansatz bescheinigten.
Als dann Ataka in Erscheinung trat, schwankten die Urteile über die Partei in Bulgarien zunächst von ultra-rechts und extrem-nationalistisch bis zum Label linksradikal, was damit begründet wurde, dass auch Angehörige des einstigen Staatsapparates aus der Ära von Todor Schivkov Mitglieder seien: Geheimdienstler etwa, Polizisten und Militärs. Vor wenigen Wochen erst hatte Siderov mit einem Antrag im Parlament, privatisierte Unternehmen wieder zu verstaatlichen, die antikapitalistische Seele seiner Klientel gestreichelt.
Von Anfang an richtete sich Ataka mit chauvinistischen Losungen gegen die Minderheiten in Bulgarien. "Ich bin nicht gegen Zigeuner und nicht gegen Türken, sondern gegen eine Zigeunerisierung und eine Türkisierung Bulgariens", ließ sich Siderov gern zitieren und verbreitete die Parole vom "Genozid am bulgarischen Volk", um zu bekunden, überall in den Regionen mit türkischer Mehrheit würden Bulgaren diskriminiert.
So aussichtslos es auch sein mag, Siderov bemüht sich nun, die Ereignisse vom 7. April als eine gegen ihn und gegen die "nationalistische Sache" angezettelte Verschwörung hinzustellen - seine Sprachrohre, die allabendliche Fernsehsendung Ataka im Kabelkanal CKAT und die parteieigene Kampfpostille gleichen Namens, verbreiten Zuversicht und Durchhaltewillen: "Man wird sehen, dass es weder ein Nachlassen noch ein Scheitern von Ataka gibt, wie es gekaufte Soziologen prophezeien. Die Attacke geht weiter."
Parlamentswahl 2005
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