Deutschland gegen Rechts

Deutschland 2015 Flüchtlingsheime brennen. Asylunterkünfte werden angegriffen. Tätliche Übergriffe auf Personen häufen sich

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Deutschland gegen Rechts

Foto: Sean Gallup/AFP/Getty Images

Deutschland 2015. Flüchtlingsheime brennen. Asylunterkünfte werden angegriffen. Tätliche Übergriffe auf Personen häufen sich. Im vergangenen Jahr gab es mindestens 68 Übergriffe auf Flüchtlingsheime, davon waren 33 Brandanschläge. 55 körperliche Übergriffe sind registriert, 253 ausländerfeindliche und hetzerische Demonstrationen gab es. Angemeldet in über 100 Fällen von NPD-Mitgliedern. Darauf kommen wir im Verlauf dieses Artikels noch zurück.

Aktuell schauen Medien und Bevölkerung auf ein brennendes Gebäude in Tröglitz, Sachsen-Anhalt. Das als Asylbewerberunterkunft geplante, frisch sanierte Gebäude wird absehbar keine Flüchtlinge beherbergen. Der Ortsbürgermeister war kürzlich zurückgetreten. Er wurde massiv bedroht und hat berechtigte Angst. Um seine Familie und sich. Der Landrat des Kreises wird mit Morddrohungen überzogen. Er hält daran fest, in Tröglitz Flüchtlinge unterzubringen. Die Bewohner haben Angst. Angst vor den Fremden, die kommen sollen. Rädelsführer der aggressiven und organisierten Rechtsextremisten, die seit Wochen gegen die Ankunft der Asylanten „protestieren“, ist ein NPD-Gemeinderat. Darauf kommen wir im Verlauf dieses Artikels noch zurück.

Fassungslosigkeit macht sich breit. Ja, wirklich? Oder ist es nicht mindestens auch ein hohes Maß an Verfassungslosigkeit? Eine solche Häufung rechtskrimineller Aktivitäten kommt nicht einfach so, plötzlich mal eben, daher. Dazu brauchts ein Klima. Dazu brauchts Unterstützer, dazu brauchts das Gefühl der Täter sich im Zweifelsfall als ausführende Organe einer großen, inaktiven schweigenden Masse zu fühlen. Der in Deutschland seit jeher vorhandene latente Rassismus und einhergehende Fremdenfeindlichkeit sind das Eine. Hinzu kommt aber, ersichtlich an den erschreckenden Erkenntnissen aus dem NSU-Prozess und den damit zusammenhängenden ungeheuerlichen Informationen über eine nicht fassbare Kumpanei von Diensten, Polizei, Ermittlern und Behörden mit dem rechten Sumpf. Über Jahrzehnte wurde mit staatlichen Mitteln sanktioniert, finanziert und sogar mitorganisiert, was nun als Bewegung auf verschiedenen Ebenen hervorgekrochen kommt. Ganz vorne, wie immer mit dabei die Parteigänger der NPD. Darauf kommen wir im Verlaufe dieses Artikels noch zurück.

Mit der Hofierung des Salonrassisten Sarrazin und seinen breit in die Bürgerschichten sich gerierenden Bewunderer wurde eine unsägliche Hetz- und Jagdsaison verstärkt fortgeschrieben. Auf Menschen. Auf Fremde. Auf Ausländer, Flüchtlinge, Arme und Schwache. Die deutsche Gesellschaft in ihrer ignoranten, selbstgerechten und zynischen Variante spricht nun aus, „was man doch wohl noch sagen darf“. Über die fadenscheinigen Argumente einer sich immer neu und anders windenden Europakritik haben sie nun auch ihre neue politische Heimat gefunden. Die AfD sammelt alles, was sich pegidaierend aufklauben und vereinnahmen lässt. Deutschland hat seine populistische Partei der bürgerlichen Rechte gefunden. Die Henkels, Luckes, Gaulands und Konsorten haben keine Skrupel dem Pöbel aufs Maul zu schauen, um daraus dementsprechendes Kapital zu schlagen. Was die NPD nie schaffte, die neuen AfD-Rechten sind auf dem Weg es hinzubekommen. Sich zu etablieren. Rechts wird dem parlamentarischen Spektrum in der BRD nun zugeordnet. Fast schon selbstverständlich. Wo bleibt da eigentlich noch die NPD?

Sie wird bestehen bleiben. Sie wird künftig verstärkt die Drecksarbeit der Rechten erledigen. Offener und unverfrorener denn je (siehe Tröglitz). Sie wird nicht verboten werden. Sie wird sich weiterhin unter dem irrsinnigen Schutzschirm diverser Länderverfassungsschützer bewegen. Das Bundesverfassungsgericht wird einen erneuten Verbotsantrag zurückweisen, zurückweisen müssen. 2003 lässt grüßen. Die NPD bleibt das Produkt einer sich verselbstständigten, verfassungswidrigen Kumpanei von Behörden und Rechtsradikalen. Die Bindeglieder sind die V-Leute. Die NPD wird weiterhin staatliche Gelder erhalten, sie wird weiterhin ihre Kontakte zu diversen Kameradschaften und militanten Schlägertruppen pflegen. Sie wird denen weiter Stichwortgeber und Auftraggeber sein. Die NPD wird gebraucht. Die in den Anzügen, in den Salons, in den Hinterzimmern und den Vortragssälen machen sich die Hände nicht schmutzig.

Mehr als 180 Tote als Opfer rechter Gewalt innerhalb der letzten 20 Jahre sind nicht genug. Nicht genug um unseren Behörden, Diensten, Ministern und sonstigen Verantwortlichen das rechte Auge zu öffnen. Sie verteidigen den Status quo, sie verteidigen ihre Methoden, sie beantragen und bekommen dafür mehr Mittel als je zuvor. Sie agieren im Dunkeln und sie verhindern jede notwendige Transparenz. Sicher müssen sie auch Angst haben aufzuzeigen, was sie so alles tun. Getan haben. Der Rechtsstaat unseres Landes ist in diesen Bereichen ausgehebelt. Mit fatalen Folgen für Leib und Leben von Menschen. Hier muss umgehend ausgemistet werden.

Natürlich stellt sich auch hier die Frage nach dem WIE?

Es braucht einen konstruktiven Aufstand der Anständigen. Der Anständigen in der Politik aus allen relevanten Institutionen unserer Gesellschaft, den Medien und sich entsprechend formierenden, artikulierenden Bürgern. Es braucht ein gesamtgesellschaftliches Projekt gegen Rechts. Parteiübergreifend, breit gefächert, medial gepusht, strategisch gelenkt, an ehrlicher, authentischer Bemühung orientiert. Ein Projekt so breit und tief wie das Problem an sich. Das sind wir uns schuldig. Den Opfern geschuldet und künftigen Generationen ebenso.

Deutschland gegen Rechts!

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Geschrieben von

Frank Happel

Frank Happel, freier Journalist, Berlin

Frank Happel

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