Frieden ist nur ein Wort ?

Ostermärsche 2015 Zeit zu marschieren. Zeit, für den Frieden zu marschieren, traditionell, aus Gründen. Die deutsche Friedensbewegung mobilisiert, ruft auf, organisiert und - resümiert: ..

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Ostern 2015. Zeit zu marschieren. Zeit, für den Frieden zu marschieren, traditionell, aus Gründen. Die deutsche Friedensbewegung mobilisiert, ruft auf, organisiert und - resümiert: Wir sind wenige, zu wenige. Es gibt uns, aber wir haben kein Gewicht. Wir wollen das Richtige, aber wir dringen nicht durch. Wir treten auf der Stelle. Seit Jahren. Wir verlieren uns, ja! Wir streiten uns mit uns. Wir drehen uns um uns selbst, wir ernten Unverständnis, wir werden belächelt, wir werden nicht ernst genommen. Wir haben keine politische Relevanz. Nicht wenige begegnen uns mit Häme.

Dochdoch, da war schon noch was, da ist noch was. In Berlin (ca. 1000 Teilnehmer) in Düsseldorf (600) in Stuttgart-Vaihingen (400) in Duisburg (250) einige Hundert in weiteren in Städten in NRW, Niedersachsen, Bremen ... dochdoch: „Die Waffen nieder“.. „Keine weitere Eskalation des Ukrainekonfliktes“.. „Stopp den Waffenhandel“.. „Grenzen auf für Menschen“.. „Krieg beginnt hier - stoppen wir ihn hier“.. „Neue Ostpolitik statt Kalter Krieg“. An Slogans und Forderungen ist kein Mangel. Es mangelt an demonstrativer Zustimmung. Das Thema bewegt nicht. Die Deutschen brauchen keinen Frieden? Die Deutschen haben Frieden?

Mit der nun wieder weitgehend vollzogenen Trennung der traditionellen Friedensbewegung von den „Friedenswinter“-Kooperationen mit den sogenannten Montags-Mahnwachen, erhält das alte Bündnis zwar seine ehemals eindeutige Verortung zurück. Die Türöffnung nach rechts ist zurückgenommen. Der erlittene Schaden durch dieses unnötige Experimentieren wirkt aber nach. Die Hoffnung auf „frisches Blut“ und größere Wirkung ist mit den Erkenntnissen um die antisemitischen, rechtsverschwörerischen und völkischen Tendenzen der „Neuen“ dahin. Die Unvereinbarkeit ist festgestellt. Das hätte man früher wissen können. Man hätte diesen Unsinn gar nicht erst beginnen dürfen. Nun wird versucht das Kind aus dem Brunnen zu ziehen. Möge es gelingen.

Die Sache mit dem Friedensmobilisieren wird aber auch dadurch immer schwieriger, dass im Vergleich zu den Hochzeiten der Bewegung, den frühen Achtzigern, die Komplexität der weltweiten Konflikte immer größer geworden sind. Eindeutige Zuordnungen des Kalten Krieges fallen weg. Die Ursachen für stattfindende Kriege sind immer undurchschaubarer, nicht mehr in unmittelbare Bezüge zu uns selbst zu setzen. Das klare Feindbild fehlt, das klare Benennen von Gut und Böse gelingt nicht mehr. Es ist sogar so, dass gestandene Pazifisten sich im Zweifel zu ihrer Überzeugung finden, ob dem Umgang mit Terrorkriegern des IS.

Ein Übriges bewirkt eine immer weiter sich daherschleichende Entpolitisierung der Gesellschaft an sich. Einhergehend mit einer umfassenden Neoliberalisierung von Wirtschafts- und Finanzpolitik ist eine Entdemokratisierung im Sinne von Unterordnung demokratischer Strukturen an Wirtschaftsinteressen, angestoßen und forciert von mächtigen Lobbygruppen, gängige Politik geworden. Die erste Protagonistin dieser Entwicklung, unsere Kanzlerin, fordert solcherlei „Anpassung“ wörtlich und öffentlich. Weitgehend unwidersprochen begleitet von der Permissivität einer entpolitisierten Medienlandschaft und damit Öffentlichkeit. Die sich breitgemachte Inhaltsleere neuer deutscher Politik ist lähmender Mehltau über einer sich immer weiter ins Asoziale bewegenden Gesellschaft. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich werden immer gravierender. Soziale Errungenschaften immer weiter zurückgenommen und in Frage gestellt. Unter dem Mantel des Exportweltmeisters, also wirtschaftlich erfolgreichen Deutschland, setzen die Eliten alles daran ihre Bevölkerung einzulullen und sich den als notwendig propagierten Maßnahmen anzupassen, sie zuzulassen.

Eine, zurück zum Thema, diesbezügliche Maßnahme, ist die seit einigen Jahren sich vollziehende Umstrukturierung und Ausrichtung der Bundeswehr. Weg vom grundgesetzlich einzig verordneten Auftrag der Landesverteidigung, hin zu einer international agierenden Interventionsarmee. Der ehemalige Bundespräsident Köhler ist ob der Benennung dieser Tatsache noch aus dem Amt gemobbt worden. Der Jetzige schwadroniert offen unverbrämt von einer Bundeswehr als Armee zur Sicherung von Handelswegen, geopolitischer Interessen und Sicherung von Ressourcen weltweit. Die Freiheit in Verantwortung, die er uns predigt, soll helfen unsere Gesellschaft zu militarisieren. Außen- wie innenpolitisch.

Hier könnte/sollte ein künftiger Fokus der Friedensbewegung liegen. Aber nicht nur der Friedensbewegung. Wir alle, wo und wie auch immer verortet, müssen uns gegen eine solche Militarisierung von Gesellschaft und öffentlicher Meinung wehren. Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, heute. Frieden braucht Prävention für die Abwesenheit von Krieg, morgen. Frieden braucht Solidarität mit denen, die von Krieg überzogen werden. Mit den Opfern. Nicht mit den Tätern. Nirgendwo.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Frank Happel

Frank Happel, freier Journalist, Berlin

Frank Happel

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