Die Freiheitlichen, 1999 noch an zweiter Stelle, sind in der Wählergunst hinter die Grünen auf Platz Vier abgerutscht, besonders das Ergebnis bei den Kommunalwahlen jüngst in Niederösterreich und in der Steiermark war katastrophal. Vermochte eine oppositionelle FPÖ vor fünf Jahren noch die damaligen Koalitionäre SPÖ und ÖVP vor sich herzutreiben, so ist sie heute als Regierungspartei gezwungen, vieles mitzutragen, was sie eigentlich stets verhindern wollte. Ihre Ohnmacht gegenüber Kanzler Schüssel ist offensichtlich. Die selbstherrlichen Freiheitlichen werden von den einst gedemütigten Christlichsozialen regelrecht vorgeführt. Der Hund, der so gern laut bellte, beißt nicht mehr - er scheint zahnlos. Vom Sozialpopulismus der FPÖ ist aber auch schon gar nichts übrig geblieben.
Es ist also Feuer am Dach und Haider am Plan. Die Planstelle, die er für sich vorgesehen hat, ist - wie originell - die des Parteivorsitzenden. Irgendwie ist alles gleich, und doch wiederum nicht. Haider muss jetzt nämlich einfordern, was er gestern ganz selbstverständlich bekam. Er appelliert an einen Souverän, die Partei, ihm doch wiederum alle Souveränitätsrechte zu übertragen. Das ist kein Zeichen von Stärke. Es ist auch nicht mehr so, dass alle Freiheitlichen gleich auf die Knie fallen, wenn Haider loslegt. Im Gegenteil. Ewald Stadler, vor einem Jahrzehnt Klubobmann der Nationalratsfraktion und Nummer Zwei in der Partei, will sich gar nicht mehr zurückhalten, und auch der Parteiideologe und EU-Abgeordnete Andreas Mölzer widerspricht ununterbrochen. Ja, und was das Ärgste ist, sie machen sich gelegentlich über den Führer lustig.
Ohne Haider hätte Stadler die Partei längst übernommen, freilich mit der Konsequenz, dass sie kaum über fünf Prozent der Stimmen hinauskäme. Das weiß Haider und dementsprechend flexibel verhält er sich auch. Sein Ziel ist nie gewesen, eine kleine rechte Kaderpartei zu schaffen, sondern eine Bewegung, die für ihn mobilisierbar ist. Der ideologische Hintergrund war von sekundärer Bedeutung, primär ging es dem Süchtigen um Stimmenmaximierung. Das Stammpotenzial der Freiheitlichen dürfte auch in den Jahren der Erfolge kaum gewachsen sein. Das Gros der FPÖ-Wähler war stets hochgradig indifferent, was sie lockte, war eher die populistische Form der Konfrontation als der spezifische Inhalt.
Es kann keine Spaltung der FPÖ geben, sondern nur eine Abspaltung von Haider. Eine solche wäre allerdings identisch mit einer Fahrkarte ins politische Out. Im Konfliktfall werden daher Stadler und Anhang den Hut nehmen müssen, auch wenn Haider auf seine übertreuen Unterstützer nicht gut zu sprechen ist. Im September 2002 hat nämlich der Funktionärsmob seine Attacke gegen die Parteispitze um die damalige Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer überinterpretiert und jene gleich gestürzt. Ruck-zuck ist das gegangen. Da hat selbst der Haider geschaut. Das war kein bloßer Regiefehler, sondern ein Moment, in dem der Aufwiegler selbst der Lage nicht mehr Herr werden konnte und mit zu Schaden kam. Jener Fanclub, der meinte, für Haider das Geschäft zu erledigen, soll nun ausgeschaltet werden. Allerdings könnte es dabei Leute treffen, die in der Parteibasis über einigen Einfluss verfügen.
Hüten sollte man sich jedoch, die Degradation der Parteirechten als Linksruck zu interpretieren, denn mit einem konventionellen Koordinatensystem ist hier wenig zu begreifen. Während etwa die Wiener FPÖ Plakate mit dem Slogan "Wien darf nicht Istanbul werden" affichiert, spaziert Haider über den Ottakringer Brunnenmarkt - den größten Markt der Hauptstadt - und lässt sich von türkischen Händlern feiern, tritt er doch als einer der wenigen Spitzenpolitiker des Landes offensiv für den EU-Beitritt der Türkei ein.
Als Matador hingegen wirkt Haider angeschlagen. Das strahlende Siegerlächeln ist ihm vergangen. Die Intimität zwischen Fan und Führer ist erheblich gestört. Letzterer steht - anders als in den bewegten Zeiten des ungehemmten Aufstiegs zwischen 1986 und 2000 - unter immensem Erfolgsdruck. Wahlsiege stellen sich nicht mehr automatisch ein. Der Nimbus des Unbesiegbaren ist weg. Erstmals sieht der, der immer jünger aussah, als er war, um einiges älter aus, als er ist. Da kann keine jugendliche Frische mehr simuliert werden. Haider wirkt wie ein verbitterter Alter, der es partout allen noch einmal zeigen möchte: "Dann organisiere ich mir quer durch Österreich wieder eine schlagkräftige Truppe", das dürfte ihm heute nicht mehr so leicht fallen wie vor 15 Jahren.
Jörg Haider vermag den weiteren Absturz zu verhindern, ob er jedoch Garant eines Wiederaufstiegs sein kann, darf bezweifelt werden. Innerparteiliche Alternativen sind jedoch keine in Sicht. Ein Wichtigtuer wie Heinz-Christian Strache, der Wiener Parteiobmann, ist nichts als ein billiger Haider-Verschnitt, zwar um einiges jünger, aber auch um vieles dümmer. Die FPÖ wirkt verschlissen, reihenweise laufen ihr Wähler und Funktionäre davon. Die desaströsen Ergebnisse bei den Wahlen in Niederösterreich und der Steiermark sind auch darauf zurückzuführen, dass in vielen Gemeinden erst gar nicht mehr kandidiert werden konnte. Niemand soll sich aber einbilden, dass dieser Prozess der Abkehr etwas mit Bewusstwerdung zu tun hat. Es ist lediglich Enttäuschung. Die populistische Erwartung so mancher, dass da doch noch etwas kommen muss, ist dadurch nicht erschüttert.
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