Mitte vergangenen Jahres wirkte er ziemlich fertig. Da wir gelegentlich die gleiche Wiener Buslinie frequentieren, konnte ich leicht feststellen, wie angespannt, abgekämpft, überarbeitet, weggetreten er aus einigen Metern Entfernung erschien. Kein Wunder bei dem Pensum an Vorhaben und Herausforderungen. Seit dem Frühjahr war er im Dauerwahlkampf gewesen, seit Oktober verhandelte er unermüdlich mit der Volkspartei. Werner Kogler ist ein Marathon-Mann schlechthin, das letzte noch immer hyperaktive Urgestein aus der Gründerzeit. Auf jeden Fall ist es unter seiner Regie gelungen, die Partei wieder auf den Erfolgspfad zu führen. Nun gilt er als Retter der österreichischen Grünen, als der Mann, der sie erstmals in eine Bundesregierung gehievt hat.
Der Steirer gehörte in der Ökopartei stets zu den Pragmatikern, ohne jedoch als Scharfmacher aufzutreten. Er ist zwar ein Realo der ersten Stunde, doch fehlte ihm das Verbissene und Geifernde, sodass er immer schon Sympathien gewann, die weit über seine politische Haltung hinausgingen. Kogler strahlt eine gewisse Freundseligkeit aus, und die kommt nicht abgefeimt oder schleimig rüber, sondern durchaus herzlich und verbindlich. Man tut sich schwer, ihm Feind zu sein. Er ist kein Mann der Allüren. Renegat war er ebenfalls nie, dafür war er auch zu jung.
In den 1990er Jahren etwa saß er in der „Dezentrale“ und machte den Haus- und Hofsekretär. Die „Dezentrale“ war ein verwinkeltes und eher dunkles Büro in den Hinterhöfen der Grazer Altstadt. Kogler war sicher ein ganz ausgezeichneter Apparatschik. Was gar nicht böse gemeint ist, zeigt es doch an, dass er sich nicht zu schade gewesen ist, Knochenarbeit für seine Partei zu leisten, ein Mann der zweiten oder dritten Reihe zu sein. Auch wenn er sich jetzt gern mit Quereinsteigern umgibt, so hat er selbst gar nichts von diesem Typus. Den Parteivorsitz hat er nicht erobert, er ist ihm nach dem desaströsen Wahlergebnis von 2017, als die Ökopartei aus dem Nationalrat geflogen ist, einfach zugefallen, weil niemand das Amt so recht wollte. Aufgedrängt hat er sich in dieser Lage nicht, eher aufgeopfert. Karrierist ist er keiner.
Die Hemdsärmeligkeit der neuen Grünen dokumentiert Kogler durch seine Körpersprache. Die Ärmel sind aufgekrempelt, damit die stark behaarten Unterarme unbedingt sichtbar werden. Das ist weniger Kalkül als Masche. Auf jeden Fall vermittelt da einer, anpacken und zugreifen zu wollen. Nicht er ist in die Rolle hineingewachsen, sondern die Rolle des Parteichefs in ihn. Nach zwei Jahren strahlt er nun, als sei er es immer schon gewesen.
In den Wochen nach der erfolgreich geschlagenen Nationalratswahl wirkte er sogar von Verhandlungsrunde zu Verhandlungsrunde frischer, als er tatsächlich sein konnte. Die Gespräche empfand er nicht nur als Kür, sondern als Kur. Schließlich ist Kogler 25 Jahre älter als sein Gegenüber Sebastian Kurz und wird in der zukünftigen Regierungsriege, die einen Generationenwechsel vollzieht, mit 59 wohl einer der ältesten Minister sein. Als Vizekanzler wird er die Agenden für Sport, Kultur und Beamte übernehmen. Programmatisch ist da allerdings nichts, was nicht konventionell wäre. Originelle Vorschläge oder Überlegungen suchen wir vergebens. Das gilt insbesondere natürlich auch für das vorliegende Regierungsprogramm, wo Kühnheit und Perspektive keinen Eingang gefunden haben. Und nicht bloß, weil die Konservativen unter Sebastian Kurz das verhindert haben. Werner Kogler ist ganz ein Mann des politischen Geschäfts und von dessen fragwürdiger Geschäftstüchtigkeit. Jetzt will er mal ran und mal machen.
Und er versteht es, zu reden, das heißt, frei zu reden, selbst wenn er ab und zu nur noch schwadroniert. Da macht er dann kurz Pausen und sagt irgendetwas – und hört dann einfach nicht mehr auf. Da weiß sich einer zu helfen, auch wenn er gar nichts mehr weiß. So klingt manchmal gut, was sich niemand in ein Manuskript zu schreiben erlauben würde. Als spät entdeckte Rampensau steigert sich der grüne Publikumsliebling nunmehr oft in einen Monolog sich multiplizierender Schlagworte. Indes, und das ist beachtlich, erscheint er nicht grob oder primitiv, sondern frech, kernig, steirisch. Zuweilen sogar charmant und witzig.
Seit Werner Kogler sind die Grünen nicht mehr fad. Da wirkt einer vor allem identisch mit sich, überzeugend, weil überzeugt. Der Gedanke, dass er gerade etwas sagt, weil ihm einige Berater gesagt haben, was er nun sagen soll, kommt einem jedenfalls nicht. Er spricht selbst, selbst wenn er nichts sagt. Das lesen zu müssen, ist ziemlich langweilig, das gehört zu haben, äußerst kurzweilig. So ist Kogler durchaus auch ein Meister der dosierten Sprüche. Launige Bonmots inbegriffen, Selbstkritik dito. Und der Schuss Populismus ist nie zu viel. Anders als sein Partner Sebastian Kurz erscheint Kogler als nahbar, als der gewöhnliche Prominente von nebenan, falls es so etwas gibt.
Seine Art, sich pointiert auszudrücken, ist allerdings die Mundart. Schon nördlich von Regensburg wird es schwer, dem Steirerdeutsch auch nur zu folgen. Auf dem internationalen Parkett wird der Vizekanzler freilich wenige Möglichkeiten haben, sich zu präsentieren. Bereits jetzt darf man aber prophezeien, dass der Schladminger Nachtslalom Ende Januar für Werner Kogler ein Heimrennen der besonderen Art werden wird. Da wird er als Oststeirer in der Obersteiermark nicht bloß dabei sein – das wird er selbst sein. So als wäre es stets sein Metier gewesen. Kein Slalom-Ass, auch kein Marcel Hirscher wird ihm die Show stehlen können. Da wird einer ankommen, und da wird einer angekommen sein.
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