Die deutsch-österreichische Freundschaft hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Vor allem in Berlin hat man des öfteren das Gefühl, über den Tisch gezogen zu werden und damit nicht unrecht. In den vergangenen Jahren war es den österreichischen Freunden mehrmals gelungen, die Deutschen in finanziellen Belangen kräftig auszubremsen. Das tut weh.
Seit 1954 besteht ein von beiden Ländern unterzeichnetes Doppelbesteuerungsabkommen. Erbschaftssteuer zahlt man demnach in jenem Staat, in dem Erblasser ihren ordentlichen Wohnsitz haben, unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Dank niedrigerer Steuersätze haben nicht wenige wohlhabende Deutsche diesen Vorteil in Anspruch genommen und damit der Republik Österreich ein Körberlgeld beschert, zu dem sie sonst nie gekommen wäre. Da es sich hier billiger vererben lässt, lassen nicht wenige, die es sich leisten können, hier erben.
Konflikte gab es auch, als die Regierung Schüssel 2005 ihre auf 25 Prozent gesenkte Körperschaftssteuer mit gezielten Werbeveranstaltungen in Deutschland koppelte. Die im Vergleich geringere Steuer ließ ebenso die Steuereinnahmen steigen, weil wiederum unzählige deutsche Firmen ihren Sitz in die Alpenrepublik verlagerten. Für kleine Länder sind geminderte Steuersätze oft ein immenses Standortplus. Steuersenkungen führen ihnen von außen mehr zu, als sie ihnen innen kosten.
Geradezu bedrohlich ist nun aber, dass ab Juli 2008 die Erbschaftssteuer in Österreich ganz entfällt. Die Austrian Business Agency - sie gehört zum Wiener Wirtschaftsministerium - schrieb abermals gezielt ausländische Unternehmen an, um auf diesen Umstand zu verweisen. Fast 100 Betrieben soll man allein 2007 die Übersiedlung schmackhaft gemacht haben, davon die Hälfte aus Deutschland. Wir bleiben doch dicke Freunde, sagt Fiskus Austriacus zu Fiskus Germanicus, während er ihm das Portemonnaie aus der Tasche zieht und ihn anschließend - Gastfreundschaft! - auf ein Bier einlädt.
Wahrscheinlich sind die Österreicher wirklich der Gipfel der Deutschen: kaltschnäuzig und rücksichtslos, aber nicht grobschlächtig und immer mit einem Schmäh auf den Lippen. Auf internationalem Parkett haben die Österreicher gegenüber den Deutschen einen mentalen Wettbewerbsvorteil. Nicht als gerissene Tölpel fallen sie auf, sondern als klasse Haberer. Das lässt sich wunderbar an den Touri-Stränden des Südens beobachten: Die Deutschen sind so primitiv, wie sie erscheinen, die Österreicher hingegen erscheinen keineswegs so primitiv, wie sie sind.
In Berlin will man dem Steuer-Dumping jedenfalls nicht länger tatenlos zuschauen. Die deutsche Regierung beabsichtigt ernsthaft, Steuertransfers dieser Art zu unterbinden. Angela Merkel hat wohl endgültig genug von den Dreistigkeiten der lieben Nachbarn und scheint entschlossen, die Steuerschlupflöcher nach Österreich zu verstopfen, mindestens zu verminen. In Wien wird man sich also damit abfinden müssen, dass die Piefke doch tatsächlich ihre Steuern stehlen wollen. Wie verstimmt man darüber ist, zeigte unlängst eine Schlagzeile anlässlich eines spektakulären Mordfalls in Wien. Mehr als die kannibalistische Tat störte der Täter aus Köln: "Deutscher Kannibale tötet und isst Österreicher", war am Cover des Boulevardblatts Österreich zu lesen. Den Piefke ist wohl alles zuzutrauen, denn zweifelsohne, die - das weiß der gelernte Österreicher - fressen sowieso alles. Deutsche essen Österreicher auf! Man stelle sich das nur vor, das darf man sich doch nicht bieten lassen.
Ausfälle gegen bundesdeutsche Politiker sind nicht selten. In einer Rede über den Steuertransfer verstieg sich der Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa am 1. September zu einer groben Attacke auf Ex-Außenminister Fischer, als er sagte: "Da haben wir keine Unterstützung gehabt von der deutschen Bundesregierung, obwohl sie jahrelang rot-grün geführt war und die Grünen mir jeden Tag Vorwürfe im Landtag gemacht haben. Ich habe den Fraktionsführer der Grünen einmal gefragt: Haben Sie mit Herrn Fischer gesprochen? Dann hat er gesagt: Ich habe ihm einen Brief geschrieben. Seitdem habe ich ihn in jeder Landtagssitzung gefragt: Hat er Ihnen schon geantwortet, und was hat er geantwortet, das Schwein? Das sind die Realitäten!" - Das sind die Realitäten.
Galten die Deutschen einst als reiche Geschwister, so gelten sie inzwischen als arme Verwandte. Das lässt man sie auch deutlich spüren, "Feinde" nannte der Tiroler Arbeiterkammerpräsident deutsche Arbeitsuchende auf dem österreichischen Arbeitsmarkt. Nur wenn die Kassa stimmt, herrscht noch die alte Freunderlwirtschaft. In der Obersteiermark etwa sorgt derzeit der Großclan des einstigen niedersächsischen Regierungschefs Albrecht für Aufregung. Die Sippe von Merkels Familienministerin Ursula von der Leyen baute doch wirklich eine Ferienvilla in den Naturpark, im strengsten Bauverbot auf 1.600 Meter Höhe. Die bescheidene Hütte wurde einfach als "Unterkunft für Land- und Forstarbeiter" deklariert und von der zuständigen Gemeinde St. Marein prompt bewilligt. Da sage noch jemand, die Deutschen werden nur schikaniert.
Trotzdem, die Beziehungen sind lädiert. Beiderseits. So überraschten unlängst die deutschen IOC-Mitglieder bei der Vergabe der Winterolympiade für 2014, als sie sich für Putins Sotschi und gegen Salzburg entschieden. Dafür gibt es 2008 hierzulande die Fußball-EM. Spätestens da wird man sehen, wie es um die Freundschaft bestellt ist. Ob innig einig oder Wadl stellend, wird sich weisen. Kommt es zum direkten Duell der beiden Mannschaften, darf man gespannt sein, nach welchen Regeln es abläuft. Ob man also wie vorgesehenen auf zwei Tore oder auf ein Tor oder gar auf kein Tor spielt.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.