Die Tierschutzbeauftragte

Österreich Philippa Strache ist auch ein ästhetisches Signal, dass Teile der Freiheitlichen „angekommen“ sind
Ausgabe 39/2019

Dass Philippa Strache am 29. September bei den vorgezogenen Neuwahlen in Österreich maßgeblich zum relativen Erfolg der Freiheitlichen beitragen wird, steht außer Frage. Das ist weniger auf die Kandidatin, ihre politische Ausstrahlung respektive Begabung zurückzuführen als darauf, dass nur sie gewährleisten kann, dass der mit dem Ibiza-Video gestrauchelte FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache sich zurückhält und nicht gegen die eigene Partei querschießt. Philippa ist der Garantieschein dafür, dass die FPÖ nicht kollabiert wie in den nuller Jahren, als ein manisch-depressiver Jörg Haider seine Partei fast zerstörte. So ist Strache zwar nicht gestrickt, aber einfach zur Kenntnis nehmen wollte er seinen Sturz nie. Ein Rücktritt ist doch kein Rückzug. Schon wenige Tage nach den Turbulenzen um Ibiza hat sich die neue Parteispitze um Norbert Hofer entschlossen, HC in den Ruhemodus zu versetzen, dafür aber Philippa zu nominieren und so den latenten Konflikt zu entschärfen.

In der Politik machte die 1987 als Philippa Beck Geborene bisher auf verschlungenen Wegen Karriere. Zuerst war sie parlamentarische Mitarbeiterin bei Josef Cap, dem einstigen Juso-Chef, der zwischen 2001 und 2013 Fraktionsführer der SPÖ im Nationalrat und somit viele Jahre einer der wichtigsten Proponenten der Sozialdemokratie gewesen ist. Nachher wechselte sie als Pressesprecherin ins Team Stronach, um schließlich als Frau von Heinz-Christian Strache Tierschutzbeauftragte der FPÖ zu werden.

Anfang 2016 präsentierte Strache seine Neue beim Jägerball, sie im Dirndl und er selbst in der Krachledernen. So funktioniert Heimatdesign für den Blätterwald. Im Herbst desselben Jahres heiratete die 28-jährige Blondine den damals 47-Jährigen, ihr „kleines Monster“, wie sie ihn einfühlsam nennt. Philippa Strache gehört dezidiert nicht zur freiheitlichen Stammszene, hat daher auch keinen rechtsextremen Hintergrund. Dass sie in der FPÖ gelandet ist, scheint eher dem Zufall geschuldet zu sein. Sie hätte auch woanders hängen bleiben können. Aber einmal dabei und drinnen und dann noch die Frau vom Chef, ist sie seitdem ganz bei der Sache. Fortan gerierte sich das Paar Strache als rot-weiß-rotes Traumpaar. Er mit Orden behängt, sie in teurer Robe, so präsentierte sich das Paar nicht nur beim Opernball. Die Straches waren wer und wollten das auch bleiben. In der Rolle der Second First Lady gefiel Philippa sich ausgesprochen gut, vor allem hatte sie auch in der eher medienscheuen Freundin von Sebastian Kurz keine Rivalin zu fürchten. Der Auftritt ist ihr Metier, in puncto Kamerapräsenz und Linsenrepräsentanz ist sie super. Auf den Mund gefallen ist sie ebenfalls nicht, besonders überzeugt von sich, von keinerlei Selbstkritik oder sonstigen Unsicherheiten angekränkelt. „Mein Mann ist nicht so!“, sagt sie in der festen Überzeugung der Ignorantin.

Die High Society lockte. Die Türen standen seit dem Regierungsbündnis mit der Kurz-ÖVP weit offen. Der bürgerliche Salon ist gerade mal das, was er immer gewesen ist. Ein sich selbst kooptierendes Aggregat der Herrschaft und ihrer Schranzen. Da wurde Strache früher nicht reingelassen. Philippas Leistung besteht auch darin, ihrem Mann hier behilflich gewesen zu sein. Frau Strache ist dezidiert ein Signal, auch ein ästhetisches, dass Teile der FPÖ angekommen sind. Gegen das System zu kämpfen, ist das eine. Aber was zu sein in diesem, das ist das andere. Bei der FPÖ von Strache und Hofer hatte man schon seit Längerem den Eindruck, das andere sei ihnen immer wichtiger geworden. Gleich zweitgeborenen Erzherzögen konnten sie Posten und Pfründen verteilen. In der besseren Gesellschaft aufgenommen zu werden, das war das primitive Ziel. Kleinbürger simulieren Großbürger.

Politik verliert sich in schrägen und scharfen Sequenzen. Die Straches erscheinen derzeit wie eine Episode von den Vorstadtweibern, wie eine Real-Soap mit echten Darstellern und hohen Quoten. Sie stehen für die Infantilisierung des Politischen, wo kulturindustrielle Musterungen (jung, blond, attraktiv, eloquent, selbstbewusst, forsch) durchaus Substitute kreieren, die eine ausgelaugte und entleerte Politik wieder in Galopp versetzen können. Rührselige Storys bis hin zu gegenseitigen Liebeserklärungen auf Facebook werden eilfertig reproduziert. Sie zeigen weniger, dass das Private politisch ist, als dass das Politische privat ist. Die Seifenoper in Dirndl und Lederhose, für Schnitzel und gegen Ausländer geht weiter, nicht nur Andreas Gabalier füllt Stadien.

Störend sind lediglich die zurückgebliebenen Parteisoldaten und ihre oft braunen Donnerbalken. Viele Funktionäre kommen nicht damit zurecht, dass sie, wenn sie sagen, was sie denken, eher eliminiert statt pardoniert oder gar wie früher prämiert werden. Sich da umzustellen, ist schwierig. Im FPÖ-Apparat war und ist man über den Einfluss von Philippa Strache nicht allzu erbaut. „Was will die da?“, fragt man eifersüchtig. Vor allem verstört sie die obligaten Männerbünde, aber auch das Brunhildentum in der Partei. Eine wie die Strache sieht in den angesprochenen Leuten wohl Ballast von gestern, den sie gegen den Palast des Vizekanzlers nie hätte eintauschen wollen.

Dass am Parteitag der Freiheitlichen, der jüngst in Graz stattgefunden hat, die Straches nicht teilgenommen haben, zeugt von einer gewissen emotionalen Distanz. Die öffentliche wie die parteiinterne Degradierung schmerzt sehr. Was tun? „Geh du voran, Philippa“, sagt der reduzierte Heinz-Christian Strache, und sie tut das gern. Für ihn. Für sich. Für uns. Ihr Bewusstsein ist ein Sendungsbewusstsein.

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