Nun ist es also doch passiert. Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) hat mit einem lautstarken "Es reicht" die große Koalition unter Alfred Gusenbauer aufgekündigt. Letzter Auslöser war ein Schwenk der SPÖ, mit dem sie einer grassierenden EU-Skepsis begegnen wollte: Künftige EU-Verträge, die grundlegende Interessen Österreichs berühren, sollten Volksabstimmungen unterzogen werden. Mit dieser scheinbaren Haltungsänderung gehen die Sozialdemokraten allerdings bloß auf Stimmenfang, denn ganz entschieden wollen sie am bereits ratifizierten Vertrag von Lissabon festhalten.
Am Ende war man längst. Es gab zwar eine gemeinsame Regierung, aber kein gemeinsames Regieren. In den Parteienverhandlungen hatte die ÖVP die SPÖ des öfteren bis auf die Unterhose ausgezogen, und dies so deutlich, dass es jeder - vom tatsachenresistenten Kanzler einmal abgesehen - auch erkannte.
Was Gusenbauer fehlte, war ein Gespür für Kompromisse, die er einging, die er aber hartnäckig, ja stur als tolle Resultate präsentierte. Die offenkundige Konzilianz gegenüber der Volkspartei konnte er seinen Funktionären nie vermitteln. So war stets Feuer am Dach und zuletzt brannte ein ganzes Parteigebäude. Außenpolitische Erfolge halfen da wenig. Taktik braucht Geschick und Glück, beides hatte er nicht. Zuletzt war er sehr einsam, der Gusi. "Der Kanzler ist ein gebrochener Mann", schreibt der bekannte Essayist Franz Schuh. Mit nicht einmal zwei Jahren wird Gusenbauer als Regierungschef mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte der Zweiten Republik eingehen.
Weder mit dem Volkskanzler noch mit dem Staatsmann ist es etwas geworden. Vielmehr stand er auch als Parteichef unter permanentem Sperrfeuer. Das heißt, Alfred Gusenbauer hatte nichts zu lachen, lachte aber trotzdem. Und zwar ständig. Bis zum bitteren Schluss dachte er, dass er als letzter lachen werde. Von Feind und Freund umzingelt, musste er sich fast täglich seine Lage schönreden. Bei Sportveranstaltungen ausgepfiffen, bei Wahlen abgestraft, im Umfragenbarometer ganz hinten, das hält kein Politiker auf Dauer aus.
Was hätte auch aus ihm werden sollen? - Vom Partner über den Tisch gezogen, von den Medien lächerlich gemacht, von den Parteifreunden im Stich gelassen. Da nutzte es wenig, dass Gusenbauer seit Kreisky der intelligenteste Regierungschef gewesen sein mag, er konnte dies nirgendwo umsetzen. Zum Ende tat er einem nur noch leid, und das ist wohl das Schlimmste, was einem Politiker passieren kann. Nicht nur der Kanzler wurde übel zugerichtet, gleichfalls nicht vergessen werden darf, dass die SPÖ mental schwer angeschlagen ist. Die persönlichen Beziehungen im Führungsteam sind arg lädiert.
Gusenbauers Nachfolger als SPÖ-Chef und Kanzlerkandidat, Infrastrukturminister Werner Faymann, gilt nicht nur als Pragmatiker, er ist auch der Mann des Boulevards. Insbesondere mit Hans Dichand, dem Chef der Kronen Zeitung pflegt er ein inniges Verhältnis. Auch mit Wolfgang Fellner, dem Herausgeber der Tageszeitung Österreich und des Wochenmagazins News ist Faymann eng befreundet. Das wird zwar kritisiert, aber schaden wird es der SPÖ kaum. Anders als sein Vorgänger vermittelt der neue Vorsitzende, dass er nicht gescheiter ist als die Leute. Das kommt gut an und ist nicht unbedingt falsch. Und Faymann kann mit allen. Er ist so umgänglich, dass er fast schon unumgänglich ist. Ein Aal sei rau gegen ihn, heißt es aus SPÖ-Kreisen. Wie die Wahl im September ausgeht, bleibt offen. Es könnte sein, dass sich SPÖ und ÖVP zuletzt gegenseitig ausgebremst haben und sich daher bloß die Frage stellt, wer mehr verliert.
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