Der Kalender ist auffallend dicht. Im März gibt es Gemeinderatswahlen in Niederösterreich, Tirol, Vorarlberg und in der Steiermark, im April wird der Bundespräsident gewählt und im Mai der Landtag im Burgenland. Im Herbst stehen dann Landtagswahlen in der Steiermark und in Wien auf dem Programm. Es wird sich also einiges bewegen.
Die Umfragen verheißen den beiden Koalitionsparteien nichts Gutes. Die Daten für die ÖVP sind schlecht und für die SPÖ noch schlechter, derzeit rangiert sie sogar knapp hinter der Volkspartei. Gemeinsam hat man sich daher darauf verständigt, die im Herbst anstehende Budgetdebatte aus taktischen Gründen zu verzögern. Das lässt wohl ahnen, dass die angestrebten Sparziele, wie sollte es anders sein, soziale Grausamkeiten nicht aussparen. Wenn laut Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) „jeder in Österreich seinen Beitrag zur Budgetsanierung leisten werden müsse“ und „Effizienzprüfungen im Sozialsystem“ anstehen, dann sind das gefährliche Drohungen. Bisher sind die Österreicher, verglichen mit Deutschland, beim Sozialabbau noch glimpflich davon gekommen. Das könnte sich ändern.
Wie die NSDAP?
Für die wenig vom Erfolg verwöhnten Sozialdemokraten sind die beiden Urnengänge im Herbst geradezu schicksalhaft. Verliert die SPÖ etwa den Landeshauptmann in der Steiermark, den sie 2005 erstmals in ihrer Geschichte eroberte, wäre das eine äußerst herber Rückschlag. Die Wiener Sozialdemokraten wiederum wären schon zufrieden, hielten sich die Verluste in Grenzen. Die absolute Mandatsmehrheit dürfte allerdings dahin sein, so dass es zu einer rot-grünen oder rot-schwarzen Koalition kommen wird.
Michael Häupl, der in Wien seit 1994 regierende Bürgermeister, hat denn auch schon mit dem Vorwahlkampf begonnen. Er ließ im Februar eine Volksbefragung zu fünf Sachfragen veranstalten. Auch wenn die Mobilisierung nicht unbedingt berauschend war, ihren Zweck sollte sie trotzdem erfüllt haben. Dem frontalen Duell mit FPÖ-Mann Heinz Christian (HC) Strache, der sich selbst als Bürgermeisterkandidat ins Spiel gebracht hat, ist Häupl nicht abgeneigt. Die FPÖ agiere wie die NSDAP, ließ er vor einigen Tagen auf einer Klubklausur der Wiener SPÖ verlauten. Zweifelsfrei wird die FPÖ einmal mehr auf die rassistische Karte setzen, indem sie Sicherheits- und Fremdenpolitik unter dem berüchtigten Stichwort „Ausländerkriminalität“ zusammenzieht – der hauptstädtische Wahlkampf dürfte unappetitlich werden.
Es lässt sich jedenfalls prophezeien, dass die Freiheitlichen dazu gewinnen. Fragt sich bloß: Wie viel? Mancherorts ist ein Erdrutsch möglich. Das hängt weniger von den Kandidaten in Kommunen und Regionen ab als von der Stimmung im Land. Und die weist Richtung FPÖ oder besser gesagt: Diese Partei bedient die zeitgeistigen Konditionierungen am besten. Die anderen Politiker wirken dagegen wie Langweiler an den Futtertrögen. In der Steiermark, aber auch sonst könnten die Freiheitlichen gar zum Königsmacher avancieren.
Ein toller Hecht
Da schadet es auch nicht, dass viele Mandatsträger der Freiheitlichen die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen haben, sondern als Dumpfbacken erscheinen, die oft keinen geraden Satz herausbringen. Das Ressentiment beherrscht sie oft mehr, als dass sie es beherrschen. Doch das tut der Sache keinen Abbruch. An der Spitze der Partei glänzt ein schriller Zahntechniker, der sich HC Strache nennt. Der ist zwar auch um einiges weniger intelligent als Jörg Haider, dafür aber auch weniger kompliziert gestrickt als sein Vorgänger, was kein Nachteil ist. Was er ebenso versteht: den Stimmungen Luft zu geben und Fans in Mob zu verwandeln. Strache hat wenig zu sagen, aber was zählt, ist der gemeine Spruch, die Grobheit in Wort und Absicht. Davon versteht er eine Menge.
Unlängst hat der Boulevard ein neues Thema entdeckt: Straches Liebschaften. Vor einigen Monaten hatte da Tatjana Batinic, eine Ex-Miss Austria mit kroatischen Wurzeln, ihren Auftritt. Haben sie oder haben sie nicht? Hat er ihr oder sie ihm den Laufpass gegeben? Das ist spannend. Man sage nicht, derlei erscheine nicht auf der Titelseite. Augenblicklich diskutiert man am Boulevard, ob seine aktuelle Flamme namens Sissi zur First Lady tauge. Solche Geschichten faszinieren, denn HC Strache ist ein toller Hecht. Auffrisiert wie ein Gangster in einem Hollywoodschinken ist er den kulturindustriellen Vorbildern als Abziehbild am nächsten.
Frisch, frech, freiheitlich, so pomadisiert sich der Rächer der Enterbten als Comic-Held, der die Welt von allen Übeln befreit. Tatsächlich ließ Strache vor Monaten Comics an die heimischen Youngsters versenden, in dem er als Superman den blauen Planeten vor Außerirdischen rettet. Niemand sage, das kommt nicht an. Im Gegenteil, es war wochenlang Thema. Wenn sich politisches Bewusstsein für nicht wenige auf plastische Hülsen reduziert, dann sind die bunten Bilder und dazugehörigen Sprechblasen ein adäquates Instrument der Reklame. Wer sich bloß darüber lustig macht, schätzt das Rezeptionsniveau der Angesprochenen leider falsch ein. Da mögen auch diverse Facebooks wider Strache nicht darüber hinwegtäuschen.
Und wie reagieren die Strache-Gegner? Wie immer. Man grenzt sich ab, verfolgt aber eine ähnliche Politik. In der Praxis ist die große SPÖ-ÖVP-Koalition nicht weit entfernt von den freiheitlichen Vorschlägen, denken wir etwa an die Asylpolitik genannte Abschiebepraxis. Hier betreibt Maria Fekter, die ÖVP-Innenministerin, einen äußerst restriktiven Kurs, der mit Strache jederzeit kompatibel ist. Freiheitliche Ausländerpolitik kommt so schon in Gebrauch, ohne dass die FPÖ in der Regierung sitzt. Die SPÖ sagte zwar einige Male „Nein“, doch meistens fiel sie um, schaute weg oder gab sich zweifelhaften Kompromissen hin.
In der medialen Öffentlichkeit ist das Verhältnis zu den freiheitlichen Wählern gespalten: Entweder läuft man ihnen nach oder man verurteilt sie als Rassisten und Ewiggestrige. Den Freiheitlichen vorzuwerfen, dass sie sind, wie sie sind, wird sie freilich kaum ändern – die obligate Attacke kettet die Leute noch stärker an Strache. Es gibt in Österreich einfach keine Debatte über die Konstitution dieses reaktionären Bewusstseins. So wird dieser schräge Rechtspopulismus als Störung, nicht als adäquater Ausdruck der modernen bürgerlichen Gesellschaft angesehen. Empörung ersetzt den notwendigen Diskurs.
Grüne Verbiederung
Bei allen Wahlgängen wird sich übrigens zeigen, dass die von Jörg Haider hinterlassene Orangenpartei, das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), inzwischen zur Nullnummer geworden ist. Die FPÖ wird das BZÖ schlucken. Deren Wähler sowieso, aber auch viele Funktionäre. Selbst in Kärnten wird sich früher oder später alles wieder unter einem Dach sammeln. Heinz Christian Strache und Uwe Scheuch, der ehemalige Landesvorsitzende des Kärntner BZÖ, haben im Dezember den ersten Schritt zur Fusion gesetzt.
Und sonst? Die österreichischen Grünen agieren fleißig, aber unspektakulär. Sie wirken saturiert und ziemlich in die Jahre gekommen. Dass die Ökopartei in Wien auf den Ex-Bundesparteichef Alexander van der Bellen setzt, ist als Zeichen von Verbiederung zu deuten. Hungrig scheinen sie nur noch auf das Regieren zu sein. Links von SPÖ und Grünen ist hierzulande einmal mehr nichts in Sicht, was Aussicht auf einen bescheidenen Wahlerfolg hätte. Es ist sogar zu fürchten, dass die KPÖ-Steiermark im September wieder aus dem Landtag fliegt, wenngleich die Kommunisten heute in mehr steirischen Gemeinden präsent sind als vor fünf Jahren.
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