Herr der Tritte

Kommentar Haiders neueste Inszenierung

Jörg Haider ist wahrlich ein Trittmeister. Was der nicht alles im Repertoire hat. Da wäre einmal der Rücktritt, dann gibt es da noch den Abtritt, schließlich droht er gar mit dem Austritt. Bei all dem scheint es aber weniger um das Wegtreten zu gehen als um das Hintreten. Im Bereich der Tritte, da schlägt er wirklich unbarmherzig zu, da sind Freund und Feind gefährdet. Und er weiß, was mediales Gesetz ist: Jeder Tritt ein Auftritt.
Haiders Sprunghaftigkeit ist sagenhaft. Sah er aufgrund der (auch parteiinternen) Kritik seiner Bagdadreise am Freitagvormittag keinen Grund zu gehen, so verkündete er Stunden später bereits "weg zu sein", um tags drauf seine Bedingungen für den Abtritt aus der Bundespolitik zu benennen, den er dann trotz flehentlicher Bitten vollzog, um jedoch gleichzeitig all das durchzusetzen, was er wollte. Was niemandem anderen durchgehen würde, wird ihm als Bravour ausgelegt. Völliger Rückzug heißt totale Einmischung. Nicht mehr Mitglied des Koalitionsausschusses zu sein, gibt ihm künftig freie Hand, von Kärnten aus seine Oppositionspolitik zu gestalten. Wenn das ein Rückzug gewesen ist, wie schaut dann erst ein Vorstoß aus?
Eine FPÖ ohne ihn ist unvorstellbar. Ohne ihn würde sie bei allen Wahlen abstürzen. Der Vatermord, den zweifelsfrei auch einige Freiheitliche wünschen, ist unmöglich, die Kinder würden verhungern. Die schönen Ämter, das wissen die FP-Granden, sind nicht mehr als Lehen des Landeshauptmanns. Peter Westenthaler, der Klubobmann, der sich allen Ernstes einbildete, etwas anderes zu sein als eine Kreatur Haiders, hat erkennen müssen, dass er die Rolle, die er in der FPÖ bisher ganz gut spielt(e), nicht vollständig begriffen hat. Der Aufstieg der FPÖ ist gepflastert mit politischen Leichen.
Wenn nun gar viele wieder meinen, Haider wisse nicht, was er tut, er laufe Amok, dann ist das ein Kurzschluss. Der Kärntner Landeshauptmann ist jener (Post)Politiker, der dem kulturindustriellen Anforderungsprofil am besten entspricht. Selbst die, die vorschlagen, ihn zu ignorieren, schreiben Seiten voll, warum man ihn ignorieren soll. Ein besinnungsloses Ritual, wo die Vermutung nahe liegt, dass Jörg Haider noch am ehesten als aktiver Jongleur einzustufen ist, während die anderen im wahrsten Sinne des Wortes Getriebene sind, die aber das Getriebe nicht einmal ansatzweise durchschauen.
Haider in Frage zu stellen, hieße den gesamten kulturindustriellen Komplex aus Politik und Entertainment einer kritischen Analyse zu unterziehen, aber über das synchronisierte Parallelprogramm des Medienpopulismus wird nicht geredet. Da könnte man nämlich draufkommen, dass die Differenz zu Haider kleiner ist als behauptet. Besserung wäre schon in Sicht, wenn man aufhörte, die Hilfszeitwörter zu verwechseln. Also nicht: "Haider ist zurückgetreten", muss es lauten, sondern: "Haider hat zurückgetreten".

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