Österreich Die Parteien gebärden sich vor den anstehenden Regionalwahlen immer schriller – mittendrin: das „Team Stronach“, das sich als ordinäre Führerpartei versteht
Frank Stronach muss sich nicht verstecken, schon gar nicht hinter einem Fahnenwald
Foto: Herbert Pfarrhofer/apa/dpa
Zwei Landtagswahlen sind bereits gelaufen, zwei weitere werden in den nächsten Tagen folgen – am 28. April das Votum in Tirol und eine Woche später das in Salzburg. Ende September dann stehen in Österreich Nationalratswahlen an. Die bisherigen Ergebnisse lassen freilich auf keinen eindeutigen Trend schließen. Die Volkspartei (ÖVP) hat ihre absolute Mehrheit in Niederösterreich gehalten und sich in einer Volksbefragung mit der Beibehaltung der Wehrpflicht durchgesetzt. Die SPÖ hat zwar in Niederösterreich verloren, dafür aber in Kärnten den Landeshauptmann zurückerobert. Jörg Haiders Nachfolger wurden dort regelrecht hinweggefegt. Dessen letztes Projekt, die Orangenpartei BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich), wird
rd wohl bald Geschichte sein.Nach der Finanzaffäre in Salzburg, wo man öffentliche Gelder am Aktienmarkt verzockt hat, dürften sowohl die lokale SPÖ als auch ihr Regierungspartner ÖVP ein deutliches Minus zu verzeichnen haben. Spannend wird sein, wer am 5. Mai als Erster durchs Ziel geht. Möglicherweise schließt die sozialdemokratische Landeshauptfrau Gabi Burgstaller tatsächlich mit der ansonsten verfemten FPÖ ein Bündnis. Auf jeden Fall ist das Klima zwischen SPÖ und ÖVP völlig vergiftet, während Burgstaller immer wieder die konstruktive Politik der Salzburger FPÖ unterstreicht. Es wäre freilich das erste Mal, dass die SPÖ auf Landesebene einen offenen Pakt mit den Freiheitlichen sucht.Mitunter MesserstechereienGroßer Aufsteiger der Saison ist der austro-kanadische Milliardär Frank Stronach, der sowohl in Kärnten als auch Niederösterreich gleich zehn Prozent der Stimmen abstaubte. Der Achtzigjährige führt das nach ihm benannte Team wie eine Firma. Warum sollte hier nicht erfolgreich sein, was dort klappte? Mandate und Posten werden gehandelt wie auf dem Basar. Wer gekauft wird, wer was werden soll, und wem was zugesteckt wird, das entscheidet letztlich der Meister selbst.Und wer nicht spurt, muss gehen. So sagt etwa ein Funktionär über den anderen, was der andere wohl auch über diesen sagt: „Laki denkt nur an sich und will abkassieren. Ich werde das dem Frank auch sagen.“ Einig sind sich alle Kontrahenten allerdings in Folgendem: „Was der Frank sagt, das gilt. Da gibt es gar keine Diskussion.“ Er könne gar nicht überstimmt werden, stellte Stronach erst unlängst ganz lapidar in den ORF-Abendnachrichten fest.Endlich haben wir, was wir brauchen, eine ordinäre Führerpartei. Eine, die sich ohne Umschweife dazu bekennt. Was sich hier anschickt, ist eine Formation zutiefst autoritärer Charaktere, deren Personal mehrheitlich aus Obskuranten und Querulanten, auf jeden Fall aber aus Karrieristen und Glücksrittern besteht. Wie aufgezogene Spielzeuguhren sagen sie brav Frank Stronachs Werte auf, die da lauten: Wahrheit, Transparenz, Fairness.Manchmal ist es wie in einem schlechten Film. In Tirol wollten gleich drei Listen im Namen Stronachs antreten. Von der Wahlbehörde akzeptiert wurde ausgerechnet eine, die von Stronach nicht autorisiert worden ist. Deren Listen-Ersten hatte er erst aus der Landespartei hinauswerfen lassen. Aber um überhaupt kandidieren zu können, hat der Milliardär jene Abtrünnigen jetzt trotzdem anerkannt, was wiederum zur Folge hatte, dass die bis dato favorisierten Jünger nun beleidigt sind und das Weite suchen. Nach den Zerwürfnissen haben sich die Rivalen sogar geprügelt. Die Polizei musste einschreiten, um die Parteifreunde zu trennen. Wenn es ums Geld geht, hört die Freundschaft schlagartig auf. Ist Stronach nicht zu Hause, und das ist oft der Fall, üben sich die überforderten Befehlsempfänger in Messerstechereien. Erkennbar ist nur, dass viele etwas werden wollen, und ohne jeden Zweifel ist so ein Posten und so ein Mandat finanziell lukrativ.Das eben präsentierte Parteiprogramm wiederum ist ein Dokument der Worthülsen und Beteuerungen. Was zählt sind die marktgängigen Assoziationen, einfache und eingängige Slogans, Volksvorurteile des gemeinen Menschenverstands, die sich in Stronachs Plakatspruch zusammenfassen lassen: „Weil er die Wirtschaft am besten versteht.“ Und das führt zu allgemeinem Kopfnicken anstatt zu Kopfschütteln, denn – offen gefragt – was muss das für eine Wirtschaft sein, die gerade von solchen Leuten am besten verstanden wird?Nicht der Inhalt dieser Programmatik wäre zu debattieren, sondern die Frage, warum diese in ihrer Grobschlächtigkeit beim Publikum verfängt. Was vorliegt, ist eine Verdichtung der obligaten populistischen Anmache, daher steht das „Team Stronach“ auch in direkter Konkurrenz zu Heinz-Christian Straches FPÖ, die vermutlich darunter am meisten zu leiden hat, ist doch ihr Monopol für das Zu-kurz-Gedachte dahin. Der fast doppelt so alte Stronach wirkt abgebrühter und gerissener als Strache. Der hat überhaupt ein Problem, weil er nun nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, was ihn sichtlich nervös macht.Das traditionelle Angebot der Parteien sieht gegen den Alten alt aus. Es gerät mehr und mehr aus den Fugen. Und dabei handelt es sich nicht bloß um eine politische Erosion, sondern eine Erosion des Politischen. Österreichs Parteienlandschaft zerbröselt. Besonders deutlich in Tirol, wo ganze elf Listen um den Einzug in den Landtag rittern und die Mehrheit davon auch Chancen hat. Die Tiroler ÖVP ist schon seit über 20 Jahren ein Intriganten-Stadel sondergleichen. Diesmal treten gleich vier aus der ÖVP kommende Listen zur Landtagswahl an. Landeshauptmann Platter steht schon jetzt als der große Wahlverlierer fest.Der Masochismus blühtDas Politische selbst überzeugt immer weniger, und zwar in all seinen Varianten und Aspekten. Verdrossenheit und Wahlenthaltung nehmen kontinuierlich zu, Stammwählerschaften sind im Verschwinden begriffen. Die Wähler flanieren wie in einer Einkaufspassage. Die Konkurrenz der Eindrücke dominiert über die Konkurrenz der Interessen. Stimmabgaben werden zusehends zu einer taktischen, ja zufälligen Entscheidung, die oft noch dazu erst im letzten Moment erfolgt. Auffällig ist weiter, dass die Partei- und Listengründungen systematisch zunehmen. Ein richtiger Zwergenaufmarsch hat sich hier in Bewegung gesetzt.Insofern ist Stronach so etwas wie das letzte Sonderangebot, das die Politik zu bieten hat. Aber derlei goutiert ein breites Segment der politischen Kundschaft. Ohne Rücksicht auf Verluste greift sie zum billigsten Sortiment. Die Leichtgläubigkeit ist frappierend. Geradezu versessen lässt man sich für dumm verkaufen. Es blüht der Masochismus. Unvermögen und Unzuverlässigkeit hinterlassen indes keinen langfristigen Schaden. Gegen Stronach sind die existierenden Parlamentsparteien ein Hort der Seriosität. Gegen die Primitivität des „Teams Stronach“ sind alle Altparteien differenzierte, ja hochsensible Aggregate. Stronach ist nicht anders, sondern ärger, aber dabei alles andere als eine Posse.Das politische System ist „reif“ für solche Figuren. In naher Zukunft wird er gut abschneiden, wenn auch nicht in der Höhe, von der er fantasiert. Zweifellos bleibt es nur eine Frage der Zeit, bis dieses Projekt verpufft oder kollabiert, aber ähnliche werden folgen. Stronach ist keinesfalls Ausdruck von alpenländischer Zurückgebliebenheit, sondern Avantgarde eines sukzessiven Zerfalls der Politik. Nur Italien ist hier noch weiter, aber Österreich schon flott unterwegs.Auch die Suche nach attraktiven Wahl-themen ist in die Krise geraten. Nicht einmal die Ausländerfeindlichkeit oder die EU-Gegnerschaft können die Wähler offenbar noch mobilisieren. Die Koalitionsparteien versuchten es kürzlich mit dem Thema Wohnen, doch so recht zünden wollen all die Vorschläge nicht. Den Medien ist das zu langweilig, und das Publikum wirkt desinteressiert und indifferent, selbst jene, die Mietschübe hart treffen. Doch kann sich über den Sommer bis zu den Nationalratswahlen im September noch einiges ereignen.
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