Österreich: Ein Sonderparteitag der SPÖ wird zum Debakel

Meinung Andreas Babler wird neuer Parteichef der SPÖ. Aber erst, nachdem eine verunglückte Stimmenauszählung entdeckt wurde. Nun ist ein Linksruck nicht auszuschließen, aber längst nicht ausgemacht
Ausgabe 23/2023
Andreas Babler
Andreas Babler

Foto: Georg Hochmuth/APA/AFP/Getty Images

Ursprünglich begann mein Beitrag so: „Und wieder ist es knapp geworden. Wären nur 20 Stimmen der Delegierten vom burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zum Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler gewandert, hätte dieser das Scharmützel um den Parteivorsitz gewonnen. 53 zu 47 Prozent, lautet das Ergebnis, das der außerordentliche Parteitag der SPÖ am Samstag da abgeworfen hat. Doskozil hat sein Ziel zwar erreicht, ist aber gerade mal durchgekommen, mehr nicht. Äußerst mühsam schleppte er sich zum Sieg.“

Doch musste dieser Absatz entsorgt werden. Am Montagnachmittag kam die Botschaft, das Resultat stimme nicht. Es sei umgekehrt, weil man in einer Excel-Tabelle die Personen falsch zugeordnet habe. Nicht Doskozil, sondern Babler hat gewonnen und ist daher neuer SPÖ-Vorsitzender. So war der Parteitag für die SPÖ ein Desaster sondergleichen. 600 Stimmen nicht korrekt auszählen zu können, das kriegt sonst niemand hin. Die „Passionsgeschichte der Sozialdemokratie“ (Franz Schuh) geht in die nächste Runde. Aktuell ist der neue Chef im Parteivorstand und im Parlamentsklub in der Minderheit, fast alle Landesorganisationen unterstützten offiziell seinen Gegenspieler. Doch Geschick kann man Andi Babler nicht absprechen, taktisch dürfte der neue Mann seinen Kontrahenten weit überlegen sein.

Der als Rebell Gehandelte beeindruckte zuletzt mehr als der ehemalige Landespolizeikommandant. Er bewies Gespür für die Delegierten, ihm flogen die Herzen mehr zu als Doskozil, wesentlich gewandter zog er die emotionalen Register. Trotzdem gibt es kein Babler-Lager, höchstens einige linkssozialistische Zeltlager. Inhaltlich standen sich etwa Doskozil und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig näher als Ludwig und Babler. Und doch unterstützte Ludwig Babler. Das hat atmosphärische Gründe. Je mehr Doskozil agierte, desto mehr Gegner zog er sich zu. Schon das matte Ergebnis bei der Mitgliederbefragung hätte stutzig machen sollen. Doskozil war da bereits auf dem absteigenden Ast. Die Dynamik sprach für Babler, der sich ganz ohne Hausmacht und dezidierten Rückhalt in den Parteiapparaten für diese Kandidatur entschieden hatte.

Knapp vor dem Parteitag lancierte man ein antikommunistisches Attentat, schließlich war Babler jahrelang Exponent der leninistischen Stamokap-Theorie und, wenn man so will, einer imaginären SPÖ-ML. Ziemlich retro. So wurde ein Video von 2020 abgespult, in dem Babler über die EU herzieht und sie als das „aggressivste außenpolitische Bündnis“ bezeichnet, das es je gegeben habe. Sie sei sogar noch „schlimmer als die NATO“. Mehr hat es nicht gebraucht, um das Empörungsorchester ins Fortissimo zu versetzen. Durchgeknallte Medien halluzinierten gar ein neues Ibiza. Indes, das geht nicht mehr so rein wie in den vorangegangenen Jahrzehnten.

Die Wahlerfolge der KPÖ in Graz und Salzburg demonstrieren, dass die Zeiten sich ändern. Außerdem sagt niemand, was an solchen Aussagen falsch sei. Was der Traiskirchner Bürgermeister da von sich gab, ist aber nicht gestattet. Anton Pelinka, gesamtliberaler Politikwissenschaftler der alten Garde, nannte es „geschichtsvergessen, naiv, unpolitisch und kindisch“. Da schrammte einer knapp an der Exkommunikation vorbei. Die oft gestellte Frage „Wie EU-kritisch darf ein SPÖ-Chef sein?“ ist leicht zu beantworten: Gar nicht! Aber nicht wenige Parteifreunde plädierten für Gnade. Er wird es schon lernen. In puncto Ukraine ist er bereits brav auf Linie. Auch das Bundesheer will er nicht mehr abschaffen.

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