Ohne Halt und Rückhalt

Österreich Nicht nur Werner Faymann, auch die SPÖ weiß nicht mehr weiter
Ausgabe 19/2016
Werner Faymann ist Geschichte
Werner Faymann ist Geschichte

Bild: Roland Schlager/AFP/Getty Images

Montagvormittag hatte es noch ganz anders ausgesehen. Die Partei schien wieder auf den Kanzler eingeschworen. Ob dem wirklich so war, ist jedoch fraglich. Auf jeden Fall wollte Werner Faymann unter den bisher eher demütigenden Bedingungen – dem ständigen Nörgeln, Nötigen und Bevormunden – seine Ämter nicht mehr weiterführen und sagte Tschüss. Kaum jemand wurde in den vergangenen Jahren so gewatscht wie der SPÖ-Chef. Zuletzt auch noch von der eigenen Partei. Er sei einfach nicht geeignet für diesen Job, so ein breiter Tenor. Sich das stets anzuhören, hatte er wohl satt. So stellte er die SPÖ vor vollendete Tatsachen.

Bewundernswert war bisher weniger das Stehvermögen Faymanns als dessen Aufstehvermögen. In seiner Kanzlerzeit hatte er bereits drei ÖVP-Vizekanzler (Molterer, Pröll, Spindelegger) überstanden und auch den vierten hätte man ihm zugetraut. Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Faymann ist Geschichte. Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass das stete Lavieren des Abgetretenen in absehbarer Zeit positiver erscheint als das inflationäre Neustart-Gerede im Moment. Wenn man nichts richtig machen kann, macht man es richtig, indem man nichts macht. Für Faymann war das keine Strategie, höchstens Taktik. Impulse, welcher Art auch immer, blieb er schuldig. Aber acht Jahre als Kanzler muss man erst einmal aushalten.

Freunde hatte der fleißige Mann nur wenige. Umso mehr legte er sich mit dem Boulevard ins Bett, um Zuspruch zu erhalten. Der selige Chef der Neuen Kronen Zeitung, Hans Dichand, beschrieb Faymann vor Jahren „als dezente Kraft der Mitte“, ja, als „Sonnyboy, den man versteht“. Nachhaltig war das kaum, auch jetzt, als das Blatt überschwänglich die restriktive Asylpolitik lobte, half das dem Werner nicht mehr weiter.

Es ist nicht bloß so, dass Faymann in der Partei den Rückhalt verlor, ebenso hat die Partei den Halt verloren. Auch die SPÖ weiß nicht weiter. Selbst das Wort Spaltung nimmt man in den Mund. Statt zu bremsen wie bisher, hat man nun den Leerlauf eingeschaltet. Bergauf kommt man damit zwar nicht, dafür geht es bergab umso schneller. Wird jetzt in Westeuropa die nächste sozialdemokratische Partei abgewickelt? Das steht zwar nicht unmittelbar an, aber zu einstiger Größe wird dieses Schrumpfprojekt nie mehr finden. Die SPÖ selbst scheint darüber in Panik zu verfallen, tatsächlich geht es um einiges: Einfluss, Macht, Pfründen, Ämter. Denn eines ist die Sozialdemokratie zweifellos: absolut regierungsabhängig. Da sie davon lebt, lebt sie auch dafür. Nur zehn von 71 Jahren seit 1945 saß die SPÖ in der Opposition.

Die neuen Macher – und Macher müssen es schon sein! – mögen das Medienhandwerk besser verstehen, doch ist ihre Verankerung in den Parteigremien um einiges schlechter. Das wird sich bald als Manko erweisen. Bezeichnend auch, dass kein Mann (und schon gar keine Frau) aus den Parteiorganisationen zum Zug kommen wird, sondern ein Quereinsteiger aus der Wirtschaft. Die besten Karten haben Gerhard Zeiler, ehemals RTL- und ORF-Chef, und Christian Kern, derzeit Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Sie werden die SPÖ ein kleines Stück weiter nach rechts rücken, aber das Kraut nicht fett machen. Woher soll auch Kraft zur Erneuerung kommen? Klar ist allerdings, dass künftig auf allen Ebenen mit der FPÖ koaliert werden darf und wird. Die Dämme sind gebrochen. In Neuwahlen wird man nicht flüchten. Da können die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP nur verlieren.

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