Und täglich tobt das Spektakel

Österreich 2012 war das Jahr der Korruption – 2013 wird das der politischen Abrechnung sein. Drei Landtagswahlen und die Nationalratswahl laden herzlich dazu ein
Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) hat 800 Millionen Euro aus dem Blick verloren
Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) hat 800 Millionen Euro aus dem Blick verloren

Foto: Neumayr /picturedesk

Es ist noch keine zehn Jahre her, da belächelte man alle öffentlichen Institutionen, die ihre Gelder konservativ – also kaum gewinnbringend – anlegten, wo es doch so fulminante Möglichkeiten auf den Finanzmärkten gäbe. Regelrecht hineingedrängt wurden sie, und es war auch verführerisch. Mitte der Nullerjahre sprudelten tatsächlich die Gewinne. Wer will schon aussteigen, wenn das Geld immer mehr wird? Da gilt es, die Chancen zu nutzen und noch mehr rauszuholen. Das Desaster auf den Finanzmärkten führte nun jedoch dazu, dass bei der Zockerei mehr verloren als je gewonnen wurde. Was nun tun? Weiterspielen? Noch mehr riskieren? Auf ein Börsenwunder hoffen? Genau das!

So dachte nicht nur die für solche Geschäfte zuständige Referatsleiterin in der Salzburger Landesregierung. Wenn man diesen Finanzskandal in der österreichischen Provinz, der kurz vor Jahresende aufflog, im Detail präsentiert bekommt, kennt man sich nachher kaum besser aus als vorher. Tatsache ist, dass offenbar bis zu 800 Millionen Euro verschwunden sind – oder vielleicht auch mehr. Für ein schmales Budget wie das des Bundeslandes Salzburg sind das horrende Abschreibungen. Die lokalen Sozialdemokraten (SPÖ) unter Landeshauptfrau Gabi Burgstaller sind seither im freien Fall begriffen.

So oder so ähnlich läuft es aber nicht nur in Salzburg. Es ist bloß eine Frage der Zeit, wann und wo die nächsten Buchführungen implodieren. In Linz etwa hat man eine größere Zinswette verloren, in Wien fürchtet man sich wegen zahlreicher Fremdwährungskredite, Niederösterreich hat sich mit einem hochspekulativen irischen Fonds übernommen. Den Festspielen der öffentlichen Hand am Kapitalmarkt droht ein bitteres Ende. Den Verlust – wie könnte es anders sein – trägt die Allgemeinheit.

Natürlich hören wir jetzt, was wir hören müssen: Künftig wird es strengere Regeln geben, damit so etwas nicht mehr geschehen kann. Dass Österreich einen ähnlichen Skandal bereits im Jahr 2009 auf Bundesebene erlebt hat, scheint vergessen. Damals wurde ruchbar, dass die Bundesfinanzagentur unter drei der konservativen ÖVP angehörenden Finanzministern 500 Millionen Euro verzockte. Was die SPÖ damals über die ÖVP sagte, sagt heute die ÖVP über die SPÖ.

Wie ein Hefeteig

Das ganze Land befindet sich in einer seltsamen, eher dünstenden als kochenden Erregung. Österreich gleicht einem permanent tagenden Untersuchungsausschuss. Politik spielt sich mehr in den Landesgerichten ab als in den dafür zuständigen Gremien. Wer wird heute überführt oder angeklagt, freigesprochen oder auseinandergenommen, denunziert oder entlastet? Das sind die Fragen, die gestellt werden und für die ein Großteil der veröffentlichten Aufmerksamkeit veranschlagt wird. In den Nachrichten dauert es lange Minuten, bis man wirklich zu politischen Kernbereichen vordringt.

Österreich geht aber nicht unter, es geht eher auf wie ein Hefeteig. Und zwar an allen Ecken und Enden. Ob die Korruption insgesamt gewachsen ist, ist schwer zu sagen. Die Skandale haben zugenommen, weil die Aufdeckung zugenommen hat. Es ist so, dass heute nichts mehr wirklich hinter den Kulissen geschehen kann, ohne morgen schon an der großen medialen Glocke zu hängen. Es gibt keine Versenkung mehr, alles ist irgendwo gespeichert.

So ist es wahrscheinlich, dass ehemalige Amtsträger einiges an Strafe abfassen: ein Innenminister wegen Bestechung, ein Finanzminister wegen Steuerhinterziehung, ein Landesrat wegen Korruption und so weiter. Ein Ende dieser Serie ist nicht in Sicht. An den Gerichten herrscht Vollbeschäftigung. Die Medien betreiben eine gnadenlose Inszenierung. In der nachhechelnden Politik herrscht Bezichtigung, geht es um die anderen und Bagatellisierung, geht es um einen selbst. Täglich tobt das Spektakel.

Die Zuschauer wiederum werden degradiert zu Gerichtskiebitzen. Bevor sie etwas verdauen können, werden sie bereits mit dem übernächsten Fall gefüttert. Die Empörung mag groß sein, substanziell ist sie nicht. An der gesellschaftlichen Oberfläche scheinen weder die Krise noch der Skandal so richtig angekommen zu sein: Die Gaststätten sind voll, in den Geschäften steht man Schlange, und das nicht, weil die Waren ausgehen. Im Gegenteil: So viel Gerätschaft und Gerümpel gab es noch nie. Auch die Autos, vor allem die großen Kübel, werden immer zahlreicher.

Rasender Stillstand

2012 war das Jahr der Korruption, 2013 wird das der politischen Abrechnung sein. Trotz des miserablen Zustandes der ÖVP stehen vor allem für die Bundes-SPÖ schlechte Zeiten ins Haus. Schon im Januar wird sich bei einer Volksabstimmung eine Mehrheit der Österreicher für die Beibehaltung der Wehrpflicht und gegen das von Sozialdemokraten und Grünen favorisierte Berufsheer aussprechen.

In Niederösterreich, wo im März gewählt wird, haben die hiesigen Sozialdemokraten gegen den amtierenden Landeshauptmann Erwin Pröll, den stärksten der ÖVP, keine Chance. Pröll hat schlauerweise die Wahl um einige Monate vorverlegt, auf dass die sich abzeichnenden finanziellen Turbulenzen erst nachher auftreten. In Kärnten wird die SPÖ bei der Landtagswahl vermutlich als Erste durchs Ziel gehen, aber das ist ausschließlich auf Jörg Haiders Epigonen dort zurückzuführen. In Salzburg dagegen, wo im Mai der neue Landtag zur Wahl ansteht, wird man allen Voraussagen nach kräftig abstürzen. Und im Herbst bei der Nationalratswahl kann es dann zum wohl schlechtesten Ergebnis der SPÖ in der Zweiten Republik kommen. Rot-Grün wird einmal mehr nicht funktionieren.

Auf die Schnelle hat man sich in der Bundesregierung in Wien übrigens auf ein Spekulationsverbot mit öffentlichen Geldern geeinigt. Sogar die renitenten Bundesländer, die um ihre Finanzautonomie fürchten, haben zum Schluss eingelenkt. Indes stellt sich die Frage, was diese Absichtserklärung, selbst wenn sie in der Verfassung niedergeschrieben wird, letzten Endes wert ist. Das Gerede von der Transparenz würde sich nicht das erste Mal als die große Ablenkung erweisen. In Salzburg jedenfalls kann man nach einem Monat intensiver Suche noch immer nicht sagen, was Sache ist – das heißt, wie viel Geld tatsächlich verzockt wurde.

Franz Schandl hat zuletzt die Partei Team Stronach porträtiert

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