SPÖ und Grüne forderten schon seit längerem, die Nationalratswahlen auf den 1. Oktober vorzuverlegen, das "Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ) hat ohnehin nicht viel Geld zum Wahlkämpfen, und der ÖVP kommt der frühere Termin aufgrund des den Sozialdemokraten zugerechneten ÖGB-BAWAG-Desasters gerade recht. Außerdem haben alle miteinander Interesse, der lästigen Kleinkonkurrenz (Liste des Europa-Abgeordneten Hans-Peter Martin, KPÖ) die Kandidatur zu erschweren. Schließlich müssen die jetzt in der Urlaubszeit ihre Unterstützungserklärungen sammeln. Und das ist um vieles aufwendiger als in Deutschland, in Österreich hat man diese Unterschrift nämlich auf dem zuständigen Gemeindeamt oder am Magistr
strat zu leisten. Vor allem das Medienprodukt Hans-Peter Martin dürfte sich schwer tun, die nötigen 2.600 Unterstützungserklärungen zusammenzukratzen. Das wiederum wird die SPÖ aufatmen lassen, war doch davon auszugehen, dass ihr Ex-Abgeordneter vorzugsweise in ihren Revieren wildert.Seit kurzem liegt die christlich-konservative ÖVP in allen Meinungsumfragen wieder vor den Sozialdemokraten. Passiert nichts Gröberes, wird Wolfgang Schüssel im Herbst als Erster über die Ziellinie gehen. Selbst wenn er sich mit dem BZÖ nicht mehr für eine Koalition arrangieren wird, stehen mit den Grünen und der SPÖ andere Partner zur Verfügung. Das ist dann wohl nur noch eine Frage geschickter Verhandlung. So ist es nicht auszuschließen, dass der Mann, der sich einst als Drittplatzierter ins Kanzleramt trickste, dort dank der Schwächen und Affären seiner Gegner weitere vier Jahre aushalten darf - darauf hätte im Jahr 2000 niemand einen Groschen gewettet.Vordergründig könnte man meinen, der große Verlierer sei die nun in FPÖ und BZÖ gespaltene Jörg-Haider-Partei, es ist aber gar nicht ausgeschlossen, dass das ehemalige "dritte Lager" getrennt marschierend mehr Mandate erzielt als die FPÖ im November 2002 erreichte. Vor allem Haider rechnet sich als Erfolg an, dass er ein weiteres Mal die nun Jahrzehnte ausständige Umsetzung des Staatsvertrags von 1955 verhindert hat. Die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in Südkärnten ist noch immer nicht entsprechend der Verfassung geregelt. In Kärntens Bevölkerung hat der Landeshauptmann damit sicher gepunktet: Im treudeutschen Abwehrkampf die Ansprüche der slowenisch-sprechenden Minderheit abgewehrt!Rot-Grün dürfte die nötige Mehrheit abermals verfehlen. Zwar ist fast nirgendwo mehr die Rede vom "rot-grünen Chaos", denn die Grünen sind inzwischen zu allem fähig. In Oberösterreich gibt es seit drei Jahren eine schwarz-grüne Koalition. Über die sicher als drittstärkste Kraft aus den Nationalratswahlen hervorgehende Ökopartei schreibt etwa der Chefredakteur der konservativen Presse: "Dass sie programmatisch gebraucht werden, glauben sie mittlerweile wohl nicht einmal mehr selber. Aber sie sind irgendwie nett. Immerhin." Die Grünen regen weder auf noch an, aber sie legen zu.Die Chancen der SPÖ dürften nach dem ÖGB-BAWAG-Skandal endgültig dahin sein. Noch ist der nicht überstanden, vielmehr mit neuerlichen Tiefschlägen zu rechnen, wenn parallel zum Wahlkampf die ersten Erhebungen der Staatsanwaltschaft gegen ehemalige Banker und Gewerkschaftsspitzen anlaufen. Auch die medial geforderte und schließlich vollzogene Distanzierung Gusenbauers vom maroden ÖGB - so dürfen Gewerkschaftsspitzen über die SPÖ-Liste nicht mehr in den Nationalrat! -, hat den Sozialdemokraten schlussendlich nicht gut getan. Das Verhältnis Partei-Gewerkschaft scheint extrem abgekühlt. Auch maßgebliche SP-Politiker kritisierten öffentlich Gusenbauers Vorgangsweise. Wenn der Parteivorsitzende zusehends auf "starker Mann" macht, lässt man ihn bloß mangels personeller Alternativen gewähren. Die beschworene "Jetzt erst recht!"-Stimmung will nicht aufkommen. Erobert Gusenbauer nicht das Kanzleramt, steht der Posten des Parteiobmanns zur Disposition.Viel im Köcher hat die SPÖ nicht. Die Partei, der alle Felle davon zu schwimmen drohen, versucht es nun selbst mittels Skandalisierung. Der jüngste Angriff auf den Finanzminister zeugt eher von Panik als von Kalkül. Karl-Heinz Grasser - einst Haiders Ziehsohn, jetzt Schüssels Glücksbringer - konnte nämlich überführt werden, dass er mit Wolfgang Flöttl junior, jenem Spekulanten, der maßgeblich am Niedergang der BAWAG beteiligt gewesen ist, in der Adria urlaubte. Nachdem die Geschichte zuerst als "frei erfunden" und als "Schwachsinn" abgetan wurde, bestätigte sie auch der Finanzminister. Ja, er sei auf der Yacht des Multimillionärs Julius Meinl V. eingeladen gewesen, Flöttl habe er dort getroffen, aber der sei nur zwei Tage mitgefahren; er habe freilich mit ihm gesprochen, aber nur Smalltalk eben ...Die Kriterien der Wahlentscheidung haben sich extrem verschoben. Wahlen werden immer weniger von sozialen Zugehörigkeiten oder weltanschaulichen Haltungen bestimmt als von unmittelbaren Stimmungen. Die politische Reklame versetzt die Wahlbürger in entsprechende Gemütslagen. Symbolik und Theatralik, Inszenierung und Skandalisierung sind die entscheidenden Schubkräfte. Auffällig ist auch die beginnende Verlagerung der Wahlwerbung ins Internet. Ob damit das Zeitalter der Politspams eingeläutet wird, bleibt abzuwarten.Um Inhalte geht es kaum, da gibt es trotz Theaterdonner nur wenig Differenzen. Nimmt man sich etwa den "Österreich-Vertrag für Arbeit und Wachstum" der SPÖ vor, dann demonstriert schon der Titel, dass zentrale Kategorien bloß in affirmativer Absicht verwendet werden. Ansonsten prägt Dirty Campaigning das Wahlspektakel. Wem können wir was anhängen? Wahlkämpfe sind Werbeschlachten, Fairness-Abkommen leere Kilometer.