“Worum es geht” – Eine Flugschrift von Jutta Ditfurth

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Rar sind sie geworden. Die Rede ist von Flugschriften, Appellen an Moral, Vernunft und Friedlichkeit. In der 46 Seitigen Flugschrift schafft es Jutta Ditfurth, einst Grünen/Bündnis90-Mitgründerin und heute eine ihrer ärgsten Widersacher, den Bogen der Vernunft zu spannen.

“Worum es geht”. Interessanterweise steht nach den drei Worten weder ein Ausrufezeichen, noch ein Fragezeichen – doch es ist klar, dass dort ein unsichtbares Fragezeichen stehen muss. “Worum geht es?” ist eine Frage die in Zeiten der vollgepumpten Märkte gestellt werden sollte. Dass diese Frage nicht gestellt wird, ist ein klares Zeichen, wie schwer krank nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch alle anderen kapitalistischen Staaten sind. Wir stellen uns nicht mehr die Frage, was wir wollen, zweifeln längst keine Autoritäten mehr an, überlassen das Handeln denjenigen, die die Macht dazu haben und hoffen, dass sie sorgsam mit ihrer Macht umgehen – vergebens. Und doch vertrauen wir ihnen weiter…

Worum es geht

Die Flugschrift ist in vier Abschnitte eingeteilt: Worum es geht, Was ist, Was droht und Was tun. Der erste Abschnitt ist als eine reine Kapitalismuskritik zu verstehen. Beim Leser dieser wenigen, doch sehr pointierten, allokierten Zeilen wird die Absurdität des Kapitalismus sehr deutlich. Längst spiegelt das Geld nicht mehr den Wert der Arbeit wieder, schon längst dient das Geld nicht mehr als Vereinfachung des Tauschhandels. Wir wollen das Geld maximieren, jeden von uns packt es früher oder später: Geld, Geld, Geld. Selbst wenn man für das erste finanziell abgesichert ist, es liegt in der Natur des Kapitalismus sein Geld zu maximieren, zu kumulieren. Der Kapitalimus ist zudem perfekt um ausgeschlossene, Arbeitslose, die in einer kapitalistischen Gesellschaft nichts wert sind, zu stigmatisieren. Der Dosenbiertrinkende, stinkende Hartzer ist das Abfallprodukt des Systems, ein Abfallprodukt, dass in diesem System existent sein muss. Wer einmal das Nachmittagsprogramm diverser Privatsender kennt, weiß wovon die Rede ist.

Was ist

Was ist? Stillstand, Degeneration und Verunstaltung. Wir stoßen allmählich an die Grenzen des Konsumrausches, denn Ressourcen sind bekanntlich endlich. Wer nicht sorgsam mit ihnen umgeht, lässt Blätter Verwelken schon bevor sie sich entfalten konnten.

Was Droht

Kurz gesagt: Es droht uns ein Krieg. Der Kapitalismus ist angezählt, konnte sich in letzter Sekunde noch einmal kurz aufraffen – wohlwissend, dass es beim nächsten Punch vorbei sein wird. Ditfurth erzählt, dass viele Linke in der Wirtschaftskrise seit 2007 die Chance des Wandels sahen, doch mussten sie beobachten, wie das Aufgebot der Kapitalismusverteidiger immer weiter vergrößert wurde und Demonstrationsrechte beschnitten wurden.

Was tun

Was tun? Ein gutes Schlusskapitel, welches jedoch mehr Fragen als Antworten aufwirft. Die Handlungsalternative namens Occupy jedenfalls hält Ditfurth für den falschen Weg. Die Bewegung sei zu sehr von Sekten á la Zeitgeistmovement, Antroposophen und Rechtsextremisten unterwandert. Vielmehr vermittele die Occupy-Bewegung politische Unverbindlichkeit, Intellektuellenfeindlichkeit, Konfliktscheue, Harmoniestreben und Sehnsucht nach Reputation. Was wir bräuchten ist ein linkes-emanzipatorisches Bündnis, dass nicht nur ein Teil des Kapitalismus kritisiert, sondern das System mit all ihren kausalen Zusammenhängen auf den Zahn fühlt und den Boden für Veränderungen in ein humanistisches Zeitalter ebnet.

“Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen “, sagte einst Max Horkheimer. Ditfurth schließt an das Zitat an und zeigt sich emanzipatorisch: “Soll es wirklich um die soziale Befreiung aller Menschen gehen, existiert kein nationales wir”.

Glaubt irgendjemand allen Ernstes, dass alles so weitergehen kann wie bisher, vielleicht mit ein paar Korrekturen? Diese Frage stellt Ditfurth auf den ersten Seiten. Natürlich kann es so nicht weitergehen, wir müssen handeln. Doch bevor wir unorganisiert mit einem unausgereiften Plan das Zepter des Handelns in die Hand nehmen, so müssen wir erst unseren Geist mit Marx, Luxemburg, Marcuse und Krahl füttern – so rät es Ditfurth dem Leser.

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