Faul,Frech, Dreist - Die Rolle der Bild

bild, armut, hartz 4 Faul,Frech, Dreist – Die Rolle der Bild und die Diskriminierung von Erwerbslosen

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Über keine deutsche Zeitung wird soviel diskutiert, keine Zeitung ist so sehr verschrieen, keine Zeitung wird aber auch soviel gelesen wie sie: die Bild. Die Zeitung, die die deutsche Linke wohl am meisten hasst. Vor wenigen Monaten ist ein Buch von Christian Baron und Britta Steinwachs über die Bildzeitung und ihre Arbeitsweise erschienen, es trägt den Titel “Faul, Frech, Dreist – Die Diskriminierung von Erwerbslosigkeit durch BILD-Leser*innen”.

“Ich habe meinen Frieden mit Bild gemacht”, erklärt Ex-Kanzler Gerhard Schröder vor wenigen Wochen in der Geburtstausgabe der Bild, eine wenig überraschende Aussage, prägte doch Schröder den Satz “Bild, BamS und Glotze”. Bild könne “nur Trends verstärken, aber keine eigenen setzen. Es muss immer eine Stimmung da sein, an die Bild anknüpfen kann”, so der ehemalige Bundeskanzler.

Britta Steinwachs und Christian Baron würden Schröder zumindest in diesem Punkt zustimmen. Die beiden haben im Rahmen der Reihe Kritische Wissenschaften in der Edition Assemblage ein Buch mit dem Titel “Faul, frech, dreist” veröffentlicht. Der Subtitel “Diskriminierung von Erwerbslosen durch Bild-Leserinnen und -leser” zeigt schon, in welche Richtung das Buch geht. Die Untersuchung wird am Beispiel von “Deutschlands frechsten Arbeitslosen”, Arno Dübel, aufgenommen und die systematische Stimmungsmache gegen ihn in Print- und Onlinemedium gezeigt.

Arbeitslose und ArbeitnehmerInnen

Die Studie zeigt gut wie die verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegen einander aufgehetzt werden und als konkurrierende Schichten dargestellt werden. Die beiden sind Anhänger des Klassismus, eine Theorie, die die systematische Diskriminierung bzw. Unterdrückung einer Gruppe durch eine andere, auf der Grundlage von ökonmischen Verhältnissen in der Gesellschaft analysiert. Die Unterschiede und die Diskriminierung basieren auf der unterschiedlichen Stellung im System von Produktion und Kapitalverteiligung, mit dem Klassismus werden Grundlegende Probleme der Gesellschaft dargelegt, die Einteilung in Klassen wird der Situation aber nicht wirklich gerecht. Das Buch zeigt deutlich, dass nicht die Armut als grundlegendens Problem gilt, sondern die Armen. In den Augen der Gesellschaft sind die “Armen” selber schuld an ihrer Lage, da sie sich nicht gut angestrengt hätten um in der Gesellschaft aufzusteigen. Das Buch zeichnet die gesellschaftlichen Konkurrenzverhältnisse und wie diese von den Medien aufgegriffen werden.

Die Analyse zeigt nicht nur die allgemeine Diskriminierung von Arbeitslosen in der Gesellschaft, sie zeigt auch die Rolle der Medien und wie durch ihre Artikel dazu beitragen. In der Diskursanalyse wird die Rolle der 37 Bildartikel über Dübel auf deren eigenen LeserInnen beurteilt. Die BildleserInnen zeigten sich in den tausenden Kommentaren wenig gnädig gegenüber Dübel und seinem Alter und den Erkrankungen. Ein Kommentator empfahl, er solle zum “Pappe aufheben im Park” verpflichtet werden oder Einkaufswagen einsammeln. Einer der eher gnädigen Vorschläge, andere waren den Mann im Winter auf die Straße zusetzen, da er es nicht anders verdient habe. Sorgen machten sich die KommentatorInnen vor allem um den Hund, da der nichts für die Situation könne, das sein “Herrchen” nichts für seine Situation kann, wurde dabei nicht erkannt.

In vielen Kommentaren, die sich durch besondere Wunsch nach Sanktionen auszeichneten, wurden die Unterschiede von ArbeitnehmerInnen und Arbeitslosen deutlich betont. “Also, ich gehe gerne jeden Morgen arbeiten und bin nicht neidisch auf solche Schmarotzer wie Dübel”, war ein häufig genannter Satz.
Gute Beschreibung – Fehler in der Erklärung

Die beschreibende Funktion hat das Werk mehr als gut erfüllt, es zeichnet sich durch eine detailreiche Ursachenforschung aus. Die Veröffentlichung von Kommentaren zeigt, die direkten Folgen der Kampagne. Die Beschreibung überzeugt, die Erklärung nur in Teilen, denn die Klassismustheorie weißt auch deutlich Fehler auf, da viele ArbeitnehmerInnen ihre Gehälter aufstocken lassen müssen und ebenfalls von den anderen ArbeitnehmerInnen diskriminiert werden, ohne einer “anderen” Klasse anzugehören. Die Theorie des Sozialchauvinismus ist deutlich geeigneter als der Klassismus um die Probleme der Gesellschaft darzulegen.

“Faul, Frech, Dreist” zeigt die Rolle der Bildzeitung und ihre Auswirkung, ein lesenswertes Werk, das noch empfehlenswerter wäre, wenn die Analyse die Unterschiede unter den ArbeitnehmerInnen noch gezeigt hätte. ‘Faul, Frech, Dreist’ kann hier bestellt werden.http://www.assoc-amazon.de/e/ir?t=diefreihe-21&l=as2&o=3&a=3942885182

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