Gott und die Welt - Gespräch mit Bodo Ramelow

Gedanken zur Linken Am vergangenen Wochenende fand der Bundesparteitag der Linken statt, auf dem das neue Wahlprogramm mit nur 5 Gegenstimmen verabschiedet wurde.

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Eine dieser Gegenstimmen kam von Bodo Ramelow, dem Vorsitzenden der Linken im Thüringer Landtag. Am Ende des Parteitages verdeutlichte er, warum er das Programm als christlicher Sozialist so nicht mittragen konnte. Wir sprachen mit ihm über seine Ablehnung, Religionsfeindlichkeit, Kirchenkritik und religiösen Sozialismus.
Die Freiheitsliebe: Du hast als einer von 5 Delegierten am Wochenende nicht für das Bundestagswahlprogramm der Linken gestimmt. Was waren die Gründe dafür?

Bodo Ramelow: Ich stehe zu 99% hinter dem Text des Wahlprogramms, der gut und qualifiziert im Parteitag erarbeitet worden ist. Es wurde in einer guten Atmosphäre gearbeitet, allerdings sind auch dann 15-18 Stunden zu viel, weswegen am Ende meines Erachtens ein Betriebsunfall passiert ist, der mich zu diesem Nein veranlasst hat, nämlich eine Abstimmung beim Thema “Glaube und Religion”. Dort ist ein Text mündlich vortragen worden, der einzige der mündlich vorgetragen wurde ohne schriftlich vorzuliegen. Es ist ein Text, der aus mehreren Texten zusammengesetzt worden ist und eine inhaltliche Veränderung bedeutet, die kaum jemand nachvollziehen konnte. Dazu gab es dann leider keine inhaltliche Aussprache, und so ist ein Abschnitt zustande gekommen, der meiner Ansicht nach nicht akzeptabel ist. Weil er z.B. in föderale Rechte eingreift, wie das Schulgesetz, das ist kurz mit dem Schulgebet abgehandelt worden, welches mit Kruzifix und Feiertagsgesetz zusammengelegt wurde. Dazu gab es eine mündliche Begründung des Antragsstellers, die zudem religions- und glaubensfeindlich war. Ich konnte darauf als Christ leider nicht antworten. Das hat zu einer Lage geführt, die mich in meiner seelischen Not zu einem Nein bewogen hat, trotz der großen Zustimmung zum restlichen Programm. Am Sonntag habe ich meine Beweggründe auch dem Parteitag in einer mündlichen Begründung benannt um zu verdeutlichen, dass wir darüber gründlicher reden müssen.

Die Freiheitsliebe: In der Linken gibt es immer wieder Kräfte, die nicht nur fordern, dass es zu einer Trennung von “Staat und Kirche” kommt, sondern auch zu einer sehr religionskritischen Haltung. Sind solche Haltungen vereinbar mit einem christlichen Sozialismus?

Bodo Ramelow: Eins der zentralen Probleme sind die Botschaften die gesendet werden. Die Trennung von Staat und Kirche vertrete ich selbstverständlich auch als Christ, da der Staat eine uns allen dienende Institution ist, so zumindest die Theorie. Dieser gehört daher keiner Religionsgruppe, deswegen habe ich beim Erfurter Parteitag den Absatz mit laizistischen Forderungen nicht nur mit eingereicht, sondern diese auch mitgeschrieben. Das Bekenntnis zum Laizismus ist also auch aus meiner Feder gekommen. Immer wieder begegnet mir aber eine Haltung, die eine Trennung von Staat und Religion oder eine Trennung von Gesellschaft und Religion fordert. Damit ist häufig eine religionsfeindliche Haltung verbunden. Bei aller berechtigten Kritik, die man an der Institution Kirche haben kann oder sogar haben muss und bei aller Kritik an Religionen, muss man darauf achten, dass man nicht die Gefühle derjenigen die religiös sind nicht bei Parteitagsbeschlüssen mit Füßen tritt. Es ist aber eine 150 jährige Geschichte der Arbeiterbewegung, dass diese ihr Verhältnis zum Glauben nie sauber geklärt hat. Das Wissen über Moses Hess, einem bekennenden Juden und einer der Vordenker von Karl Marx, ist heute fast gänzlich verloren gegangen. Das jemand wie Adolf Grimme, auf den wir uns beim Fernsehpreis beziehen, zu den großen religiösen Sozialisten gehört hat, dass er den Satz “Ein Sozialist muss kein Christ sein, ein Christ muss aber Sozialist sein” geprägt, scheint für einige eine Zumutung. Ich finde dieser Satz ist eine Einladung, dass wir den Teil sozialistischer Kräfte, die auch aus religiösen Traditionen kommen, mit als Teil der Quellen betrachten aus denen wir kommen und die wir brauchen um einen demokratischen Sozialismus zu erreichen.

Die Freiheitsliebe: Wie könnte ein christlicher Sozialismus gestaltet sein und wie kann in der Linken dafür gesorgt werden, dass solche Positionen akzeptiert werden?

Bodo Ramelow: Es gibt keinen christlichen, jüdischen oder muslimischen Sozialismus. Aber es gibt religiöse Sozialisten und deren Tradition ist in allen Religionen, besonders den abrahamitischen, zu finden. Leider ist ihre Tradition in Vergessenheit geraten. In der jüdischen Arbeiterbewegung spielen die “Bundisten”, zur Zeit in der Rosa Luxemburg anfängt sich zu politisieren, die wichtigste Rolle in der polnischen Arbeiterbewegung. Sie alle haben einen Bezugspunkt und dieser heißt “Sozialismus”, dieser ist erstmal nur die Überwindung der kapitalistischen Verwertungslogik und die Aneignung von Produktionsmitteln. Es hilft auch der Marxismus als Ersatzreligion nicht weiter, deswegen glaube ich müssen wir “demokratischen Sozialismus” als zentralen Punkt haben. Dabei ist es egal aus welcher Tradition wir kommen. Wir sollten nur nicht einen Teil unserer Traditionslinien abstreiten.

Die Freiheitsliebe: Immer wieder wird Marx Satz “Religion ist Opium fürs Volk” (richtig Opium des Volkes) verwendet um Religionsfeindlichkeit zu legitimieren. Ist es für MarxistInnen auch mit oder sogar wegen diesem Satz möglich für die Einführung von Religionsunterricht zu stimmen um religiöse Minderheiten nicht zu diskriminieren?

Bodo Ramelow: Das muss in unserer Partei noch diskutiert werden. Christine Buchholz und ich werben für eine Neutralität des Staates und für eine Gleichbehandlung aller Religionen. Das bedeutet, und davon sind wir beide überzeugt, wir müssen in Deutschland z.B. mehr Imame ausbilden. Auch weil wir sagen wir müssen Religion universitär und wissenschaftlich betrachten. Ich selber bin ausgezeichnet worden mit der Abraham-Geiger-Medaille. Das ist eine hohe Auszeichnung der liberalen Juden in Deutschland, die mir zu Teil wurde, weil ich dafür gekämpft habe, dass die jüdische Religion und ihr Studium an Deutschlands Universitäten zur Normalität geworden ist. Ich bin mir aber nicht sicher, ob allen in der Partei bewusst ist, dass man nicht Religionen von den Hochschulen vertreiben sollte sondern für eine Toleranz der Religionen kämpfen sollte. Dies bedeutet alle Religion als wissenschaftliches Lehrfach zu ermöglichen. Die gemeinsame Historie und die Möglichkeit vom gemeinsamen Studium aller Religionen würde die Gemeinsamkeiten fördern, jenseits der Unterschiede, welche auch unter den verschiedenen Religionsgruppen bestehen. Aber Religionsunterricht darf nie missionierend sein und muss vergleichende Religionskunde im Kern beinhalten. Der Klassenraum ist keine Kirche, Mosche oder Synagoge.

Die Freiheitsliebe: Welche Möglichkeiten gibt es für gemeinsame Aktionen mit religiösen Gruppen?

Bodo Ramelow: Als in Erfurt Nazis gegen eine Moschee demonstrieren wollten, habe ich mich gemeinsam mit unserer evangelischen Bischöfin und Ayman Mayzek, dem Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime, vor die Moschee gestellt. In meinem Buch zum NSU-Terror finden sich Beiträge von Ayman Mayzek für die Muslime, von Wolfgang Nossen für die jüdische Landesgemeinde und Romanie Rose für die Sinti und Roma. Das zeigt wohin mein Handeln führt, ich möchte Neutralität gewahr haben, aber aus dieser möchte ich für die Gleichbehandlung streiten. Bei den Muslimen muss man auch für die Rechte der Aleviten streiten. Wir müssen auch die Frage stellen wie gehen wir mit den Jeziden um und was ist deren Situation. In der Türkei gehören beide zu den unterdrückten Minderheiten, deswegen sage ich diese Form von scheinbar laizistischem Staat kann absolut kein Vorbild sein, denn es wird nur eine Religion bevorzugt und das ganze nennt sich dann kemalistischer Laizismus.
Er ist die einseitige Bevorzugung von nur einer Religion, christliche Kirchen werden nicht anerkannt, Aleviten benachteiligt und Jeziden verfolgt.

Die Freiheitsliebe: Im Zuge der aktuellen Debatte um die Türkei wird immer wieder erwähnt, dass das Problem nicht die Regierung Erdogan ist, sondern die Tatsache, dass es eine “muslimische” Regierung in einem muslimischen Staat ist?

Bodo Ramelow: Das finde ich sehr merkwürdig, wo sich grade die Türkei immer wieder als laizistischer Staat dargestellt hat. Als ich in der Türkei auf einer Pilgerreise war, bei der ich für Religionsfreiheit werben wollte und im türkischen Parlament gesprochen habe, habe ich noch einmal deutlich gemacht, dass mein Toleranzverständnis bedeutet, dass ich hier für das Recht auf Moscheen kämpfe, aber auch in der Türkei das gleiche für Aleviten, Jeziden und Christen fordere. Unter Erdogan ist eine fast präsidiale Diktatur entstanden, deren Akteure sich zwar auf den Islam beziehen, aber offenbar wenig mit diesem zu tun haben.

Die Freiheitsliebe: Wir danken dir für die Beantwortung der Fragen, hast du noch ein Abschlussstatement.

Bodo Ramelow: Ich möchte alle einladen, die sich als links verstehen, dass sie die verschiedenen Traditionen akzeptieren. Mein Eintreten und das Eintreten vieler religiöser SozialistInnen für den Kampf gegen Nazis oder für für solide Standards, für einen Mindestlohn, ist auch vergleichbar mit Forderungen der katholischen Arbeitnehmerschaft, ein Engagement an dem sich manche AtheistInnen noch Beispiel nehmen können

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