Mit Kapitalismus ist kein Frieden zu machen

frieden Kapitalismus Es kann kein Frieden geben, im Kapitalismus!

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Die Kritik am Kapitalismus wird immer schärfer, auch in der Bundesrepublik kritisieren immer mehr Medien und PolitikerInnen die Auswirkungen des Kapitalismus, meist um ihn schlussendlich zu verteidigen. Die Linksjugend Hamburg hat nun einen Sammelband veröffentlicht, in dem sich verschiedene WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen mit den neuen Kriegen und deren wirtschaftspolitischer Notwendigkeit beschäftigen.

Der Titel “Mit Kapitalismus ist kein Frieden zu machen” lässt zwei mögliche Deutungen zu, zum einen,dass der Kapitalismus es nicht erlaubt eine friedliche Politik zu machen, zum anderen, dass man mit dem Kapitalismus keinen Frieden machen will/kann/soll, beide Deutungen des Titels dürften von den Herausgebern unterstützt und gewollt sein, das gekonnte Wortspiel lässt vor dem Lesen allerdings offen, womit sich das Buch beschäftigt.

Kein Frieden mit dem Krieg

Die Einleitung des Sammelbandes zeigt deutlich, in welche Richtung das Werk geht: “Wer in der Welt nach dem Ende des Konflikts zwischen der Sowjetunion und den USA oder gar in der Post-9/11-Welt aufgewachsen ist, hat in der Regel keine (politische) Hoffnung auf ein baldiges Ende der zerstörerischen Kriege, mit denen die NATO und ihre Führungsnationen die Welt überziehen.”

Die Einleitung versteht sich als kurze Erklärung, wieso dieses Werk nun notwendig ist. Die Unterstützung von Kriegen durch ehemals radikale Kriegsgegner (z.B. Joschka Fischer), der Missbrauch des Satzes: “Ausschwitz darf sich nie wiederholen” zur Legitimierung von Kriegen und die Verwendung des Faschismusvergleich, festigten die Notwendigkeit eines Antikriegswerkes.

Die Notwendigkeit von Kriegen wird nicht mehr nur in den USA offen vertreten, auch in Deutschland ist sie üblich. So schreibt die Linksjugend Hamburg in der Einleitung: “Der Großexporteur Deutschland muss die ökonomischen und politischen Interessen der deutschen Konzerne weltweit wahren und – wenn nötig – auch mit Waffengewalt durchsetzen, wenn er sich als globale Führungsnation wieder etablieren will. Das meinte einst der sozialdemokratische Bundesverteidigungsminister Peter Struck, als er sagte, die deutsche Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt.”

Imperialismus heute

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Der neue Imperialismus – David Harvey erschienen im VSA-Verlag

“Die Anatomie des neuen Imperialismus” lautet der Titel des Beitrag von Klaus Henning, der das Buch einleitet und sich mit den Fragen des Imperialismus und dessen heutigen Auswirkungen beschäftigt. Er liefert mit seiner Analyse der Imperialismustheorien von David Harvey und Leo Panitch den wohl wichtigsten Beitrag des Werkes. Die grundlegende Verständnis wie Imperialismus, ein Wort, das aus der Sicht des Autors wieder an Zustimmung gewinnt, funktioniert und welche Auswirkungen er hat, ist notwendig um sich mit den Kriegen, deren Vorbereitungen und deren Durchführungen auseinanderzusetzen.

Den Sinn von linken Imperialismustheorien bringt der Autor in wenigen Sätzen auf den Punkt: “Kritische bzw. marxistische Imperialismustheorien unterscheiden sich von anderen Theorien internationaler Beziehungen in zwei wesentlichen Punkten: erstens verfolgen sie nicht das Ziel, den Imperialismus zu verteidigen bzw. ihn als gegeben zu betrachten, und zweitens hinterfragen sie herrschende kapitalistische Machtstrukturen, anstatt sie zu legitimieren.”

Henning gelingt es die beiden Imperialismustheorien und deren Relevanz zu erklären, sein Beitrag zeichnet sich durch eine gute Kenntnis der Materie und wissenschaftliche Arbeit aus, leidet aber auch unter dem zweiten Punkt, da der so auf ein Sprachniveau gehoben wurden, das es vor allem jüngeren Menschen schwerer macht sich mit dem sehr komplexen Thema auseinanderzusetzen.

Krieg in einer veränderten Welt

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die Welt verändert, die USA sind die einzige globale Macht, die EU ist der wohl wichtigste Staatenbund. Beide teilen ein Schicksal, ihr Stern scheint unterzugehen, der Erhalt der Macht auch mit militärischen Mitteln, einer der Auswege aus der Krise. Jürgen Wagner zeichnet in seinem Beitrag die Kontinuitäten und Unterschiede in der amerikanischen und europäischen Kriegspolitik. Der Versuch eine europäische Armee aufzubauen, versteht der Autor als Auseinandersetzung mit der militärischen Hegemonie der USA, die gemeinsame Führung von Kriegen, wenn auch einzelne europäische Länder, wie beim Irakkrieg, ausscheeren zeigt die Vorsetzung der Politik des kalten Krieges.

“Im Großen und Ganzen sind die amerikanischen Prioritäten dieselben wie die der Europäischen Union. Dies kann schwerlich verwundern, nachdem sich die amerikanischen und europäischen Interessen ebenfalls weitgehend decken.” schrieb Álvaro de Vasconcelos und Jürgen Wagner schliet sich seinem Fazit an.

Der Iran im Fadenkreuz

Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der Linken mit iranischen Wurzeln, der schon einige Beiträge zur arabischen Revolution oder dem Gedicht von Grass geschrieben hat, beschäftigt sich mit den geostrategischen Interessen, die die westlichen Staaten am Iran haben und dem medialen Aufbau des iranischen Diktators als neuen Hitler. Er skizziert sehr deutlich wie die Grundlagen für den Krieg gelegt werden und welche internationalen Akteure Interessen haben. Neben der direkt Vorbereitungen eines Krieges beschäftigt er sich mit den Sanktionen die gegen den Iran eingeführt wurden:

“Abgesehen davon, dass es keinerlei Rechtfertigung für die Verhängung von Sanktionen gegen den Iran gibt, wurden sie auch ohne vorherige Analyse der Auswirkungen auf die iranische Bevölkerung beschlossen, wie aus der Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion hervorgeht.” Sein Beitrag beginnt mit der Geschichte und endet mit einem Plädoyer, dem wir uns als Friedensaktivisten nur anschließen können:

“Der Iran befindet sich militärisch, politisch und spätestens seit der Verabschiedung der UN- und EU-Sanktionen auch ökonomisch im Fadenkreuz des Westens. Wenn die westlichen Staaten nicht unverzüglich auf den Boden des Völkerrechts zurückkehren, ihre Politik der doppelten Standards aufgeben und die militärische Einkreisung des Iran rückgängig machen, droht der Konflikt zu eskalieren – mit nicht absehbaren Folgen für die gesamte Region.”

Was sucht die NATO am Hindukusch?

“Was sucht die NATO am Hindukusch?” fragt sich Lühr Henken, eine Frage die immer mehr Menschen beschäftigt. Der Krieg in Afghanistan wird immer wieder als Erfolg verkauft und die amerikanischen Truppen haben ihr Ziel erreicht, so könnte man glauben, wenn man die Berichte der Bundeswehr oder der amerikanischen Militärs ließt, Henken zeichnet das Bild eines Misserfolges, der nur zu mehr Radikalisierung, Armut und Tod geführt hat.

Henken zeichnet ein genaues Bild der Truppen in der Region und deren Aktivitäten, wichtiger ist aber, dass er erklärt wieso wir Krieg führen. Das Interesse an Schulen und Demokratie scheint gering, verglichen mit dem Interesse an Ressourcen, die in Afghanistan vorhanden sind.

Zionismus heute

Der schwersten Aufgabe musste sich Rolf Verleger, ein in Deutschland lebender jüdischer Friedensaktivist stellen, der sich mit der Entwicklung des Zionismus und dessen heutiger Form auseinandersetze. Er beginnt seinen Artikel mit einer satirischen Einleitung, die wohl den ein oder anderen zum nachdenken bringen dürfte. Sein Beitrag glänzt durch geschichtlichtes Wissen und Humor, der den/die LeserIn zu einem Ergebnis führen soll. Seinen Beitrag beendet er mit Empfehlungen, was die Menschen in Deutschland und die deutsche Regierung unternehmen kann, und was die israelische Regierung tun sollte:

“Israel sollte zwei Schritte tun. Beide scheinen unendlich schwer und sind doch so einfach. Erstens sollte Israel die gewählte Hamas-Administration anerkennen und den Boykott gegen sie beenden. Zweitens – und das ist der entscheidende Schlüssel – sollte die israelische Regierung die palästinensische Bevölkerung um Verzeihung bitten für das Unrecht, das vor über sechzig Jahren den Palästinensern mit der Vertreibung angetan wurde und das sich bis in unsere Zeit fortsetzt. Aus diesem Eingeständnis wird der Weg frei in die Zukunft.”

Krieg und die deutsche Linke

Christine Buchholz und Stefan Ziefle setzen sich mit dem Programm der Linken auseinander und zeigen, wieso die Linke, wenn sie sich an ihrem Programm orientiert, eine konsequente Antikriegspartei bleiben muss. Sie kritisieren die Positionen von Stefan Liebich und anderen Reformern, die die Friedensposition in einigen Punkten aufweichen wollen.

Sie kritisieren nicht nur die Aufweichung, sie kritisieren und fordern, dass die Linke einen Weg zeigt, mit dem Deutschland Kriege verhindern kann. Die Auseinandersetzung mit der UNO, deren Geschichte und der aktuellen Rolle, nimmt den Hauptteil des Beitrags ein, indem immer wieder die LINKE mit einbezogen wird und deren Relevanz als Friedenspartei betont wird.

Karriere mit Zukunft?

Der relevanteste Beitrag für Jugendliche, ist auch der letzte Beitrag des Werkes. “Karriere mit Zukunft?” lautet der Titel des abschließenden Beitrags, der sich mit der Nachwuchswerbung und den Kampagnen der Bundeswehr beschäftigt.

Das Image der Bundeswehr und die Zustimmung zu Kriegen bröckelt, beweist Michael Schulze von Glasser mit seinem Beitrag, der mit Quellen zu Statistiken und Pressemitteilungen überzeugen kann. Er zeigt das Bild einer Armee, die sich ihrer Rolle mehr als bewusst ist, aber versuchen muss der Bevölkerung ein anderes Bild zu vermitteln.

Der Beitrag zeigt die Verbindungen von Medien, Bundeswehr und Industrie, die gemeinsam versuchen das Image der Bundeswehr zu stärken. Stärke des Beitrags ist auch seine Schwäche, der genauen Analyse der Kampagnen der Bundeswehr fehlt die Beschreibung von Möglichkeiten, mit denen gegen den Militarismus vorgegangen werden kann.

“Mit Kapitalismus ist kein Frieden zu machen” ist wohl eines der empfehlenswertesten Werke zum Thema Krieg und Frieden, viele Themen werden auf relativ wenigen Seiten behandelt, verlieren dadurch aber nicht an Qualität. Einzig ein Beitrag, der sich mit der wirtschaftlichen Relevanz von Kriegen für die EU und die deutschen Außenexporte beschäftigt, fehlt. Die Linksjugend Hamburg hat das wohl wichtigste und lesenswerteste deutsche Werk zum Thema “Krieg, Frieden und Kapitalismus” veröffentlicht, das in diesem Jahr erschienen ist. Eine Kaufempfehlung ist eine Selbstverständlichkeit für alle Friedensinteressierten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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