„Stell dich nicht so an“ – vom alltäglichen

Sexismus 2.0 Ein #Aufschrei geht durch die Republik, seit eine junge Sternreporterin öffentlich machte,

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wie sie vor knapp einem Jahr den anzüglichen Bemerkungen eines Spitzenpolitikers ausgesetzt war. Über Nacht meldeten sich in zahlreichen Blogs, Foren und vor allem auf Twitter unzählige Frauen, die über den ganz alltäglichen Sexismus berichten, dem Frauen ausgesetzt. Post-Gender-Debatte? Back to the roots! Es scheint, als beherrschten die meisten Männer noch nicht einmal das kleine Einmaleins des geschlechtlichen Miteinanders.

Es sind die kleinen Gesten, Berührungen, Sprüche – Dinge, die irgendwo im Zwischenraum von unangenehm und übergriffig liegen, die die meisten Frauen gelernt haben zu ignorieren. Es ist der Typ an der Supermarktkasse, der sich an einen presst, der Sportlehrer, der zu viel fummelt, der gute Kumpel, dessen Hand sich im trunkenen Zustand verirrt, der Kollege, der etwas Abfälliges sagt, der Chef, der sich auf Zweideutigkeiten versteht. Es besteht eine große Diskrepanz zwischen dem, was man Frauen so beibringt und was sie täglich erleben.

Beigebracht wird uns: Frauen sind gleichberechtig, Männer respektieren uns, ihr könnt euch jederzeit wehren. Frauen erleben aber tatsächlich überall, in jeder Altersgruppe, unabhängig von Bildung und Stellung, den kleinen Alltagssexismus, sie spüren den Widerspruch zu dem großen Getue um Gender-Mainstreaming und dennoch wehren sie sich nur in den seltensten Fällen.

Die Affäre um den FDP-Politiker scheint auf einmal einen Stein ins Rollen gebracht zu haben, sie sorgt dafür, dass Frauen sprechen, sich austauschen und vor allem: Dass sie es öffentlich machen. Die ganze Debatte zeigt, wie verlogen unsere Gesellschaft noch immer in ihrem Frauenbild ist. Der Stern-Reporterin wird Rücksichtslosigkeit gegenüber Brüderles Familie vorgeworfen. Wie bitte? Er benimmt sich daneben und sie soll Rücksicht nehmen? Genau diese Erwartungshaltung ist es, die Frauen zum Schweigen bringt, die dafür sorgt, dass sie ja keinen Ärger machen.

Denn: Irgendwie ist es doch ein Kompliment, von so einem hochgestellten Tier angemacht zu werden. Oder vom Chef. Oder vom Lehrer. Nein – ist es nicht! Es ist ein Ausnutzen von Abhängigkeitsverhältnissen, es ist respektlos und abwertend und es hat in einer modernen und gleichberechtigten Gesellschaft nichts verloren.

Die Hand auf dem Hintern, der anzügliche Spruch, die Belästigungen, all das ist ein Ausdruck dafür, dass Frauen immer noch als irgendwie zur Verfügung stehend betrachtet werden, um den sexuellen Wünschen von Männern zu entsprechen. Knappe Kleidung – na klar, die dient nur dazu, Männer anzumachen, ebenso wie Lippenstift, hohe Schuhe und lange Haare. Auf die Idee, dass Frauen das vielleicht einfach machen, weil sie sich selbst schön fühlen, kommt keiner. Es wird als eine Einladung verstanden, es doch einmal zu versuchen. Oder zweimal. Oder immer wieder.

Der alltägliche Sexismus in unserer Gesellschaft ist allgegenwärtig. Wir brauchen eine Debatte wie diese, um die Menschen beider Geschlechter zu sensibilisieren, um ein Umdenken in den Köpfen zu schaffen. Es ist kein „Altherrengebahren“, wie manche behaupten. Die Debatte um den Sexismus bei den Piraten zeigt: Sexismus 2.0 ist nicht weniger übergriffig und beleidigend. Männer jeden Alters müssen lernen, dass das nicht in Ordnung ist, sich so zu verhalten, es ist auch nicht entschuldbar mit ein paar Glas Wein zu viel oder einem „Missverständnis“. Und Frauen müssen lernen, diese Art von Sexismus offen zu bekämpfen, sich nicht zu schämen, sondern die Männer, die sich so verhalten, offen damit zu konfrontieren. Es ist nie zu spät, um damit anzufangen.

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