Wer bietet die merkelsche Sicherheit?

Bundestagswahl Über Wahlprognosen und Ergebnisse der MSL Public - Affairs - Umfrage wurde am 7. September beim Netzwerktreffen young + restless diskutiert.

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Dieses Jahr ist alles anders. Immer noch. Als würde das nicht reichen, steht uns auch noch die Bundestagswahl bevor. Der 26. September ist Stichtag. Wäre es da nicht gut zu wissen, wie die Stimmung der Public - Affairs - Experten im Land aussieht?

Dieser Frage widmete sich MSL Germany in der alljährlichen Public-Affairs- Umfrage.

Die Ergebnisse der 20. Umfrage wurden wie in den letzten Jahren bei young+restless – dem Netzwerktreffen für Young Professionals in Berlin vorgestellt. Es wurden Interessenvertreter:innen unter anderem zur laufenden Legislaturperiode befragt.

Corona, Bundestags- und Landtagswahlen sowie das 20. Jubiläum der Public-Affairs-Umfrage: Beste Voraussetzungen für ein Abendprogramm, bei dem man nicht auf der Couch einschläft. Wie inzwischen gewohnt war young+restless als hybrides Format gestaltet.

Die Ergebnisse der Public-Affairs-Umfrage stellten Martin- Sebastian Abel, Director von MSL und Michael Bestgen, Junior Consultant Public Affairs vor. An der Diskussion nahmen Claudia Oeking, Geschäftsführerin Philip Morris Germany; Miriam Hollstein, Chefreporterin Funke Zentralredaktion; Axel Wallrabenstein, Chairman MSL Germany und Wahlforscher und Politikwissenschaftler Professor Karl Rudolf Korte teil. Diana Scholl Leiterin politische Netzwerke und Strategie beim Bundesverband mittelständische Wirtschaft, moderierte.



Gutes Zeugnis für Angela Merkel

Die jetzt endende Legislaturperiode war aus mehreren Gründen eine besondere. Noch- Kanzlerin Angela Merkel stellt sich nicht erneut zur Wahl. Dies ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.

Politikwissenschaftler Professor Korte spricht hier von einem ”Doppelschmerz”, den die Deutschen zu verkraften haben – erst geht Jogi Löw und dann auch noch Angela Merkel.Sie hinterlässt laut den Umfrageergebnissen einen positiven Eindruck. Von möglichen zehn Punkten, werden 7,5 Punkte an sie vergeben. Somit bestehen hohe Erwartungen an die Nachfolgerin oder den Nachfolger.

Die Frage, welche die drei wichtigsten Themen in der kommenden Legislaturperiode sind, wird eher wenig überraschend beantwortet. Ganz vorne mit 64 Prozent ist der Klima- und Umweltschutz, dicht gefolgt von der Bewältigung der Corona- Krise. Die Gesundheitspolitik, in Bezug auf die Pandemie wird jedoch überwiegend positiv wahrgenommen. 69 Prozent der Befragten gaben an, die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung als sehr gut zu empfinden. Den dritten Platz belegt die Rentenreform. Die Digitalisierung bleibt – wie in den letzten Jahren – mit zwei Prozent das Schlusslicht.

Die Große Koalition kommt bei der Umfrage gut weg. 60 Prozent der Befragten gaben an, die bisherige Leistung als gut zu empfinden. 34 Prozent waren anderer Meinung und bewerteten die Leistungen der Großen Koalition als schlecht. Welche Koalition wird sich von den befragten Politik Profis gewünscht: Mit 28 Prozent eine schwarz - grüne Regierungskoalition. Die 28 Prozent können sich freuen - denn 53 Prozent der Befragten erwarten genau diese Koalition. An zweiter Stelle der Erwartungen stand mit 36 Prozent eine Jamaika - Koalition.

Verlässliche Langeweile

An Überraschungen wird es in der kommenden Zeit nicht mangeln. ”Die Wahl ist so offen wie noch nie” sagt Martin-Sebastian Abel. In der Umfrage hat der Großteil der Wähler:innen angegeben, sich noch nicht entschieden zu haben. Wahlforscher Professor Korte sagt, dass erst langsam die Erkenntnis kommt, dass die Sicherheit der letzten Jahre – personifiziert durch Angela Merkel – nicht wieder wählbar ist. Er nennt dies die merkelsche Sicherheit, die die Bürger:innen suchen. Es geht bei der Wahlentscheidung eher weniger um Inhalte, sondern viel eher um ein bekanntes Muster – die Deutschen streben eher nach Bekanntheit und Sicherheit bei Ihrer Wahl. Reform und Veränderung sind Themen, die weniger zu einer Wahlentscheidung führen, somit wird laut Professor Korte weniger auf Fehler oder programmatische Erneuerung geachtet, als auf das gewohnte Sicherheitsgefühl. Dieses Mal müssen sich die Wähler:innen umsehen – Wen wähle ich überhaupt nach 16 Jahren Angela Merkel.

Aber – so Professor Korte weiter – haben wir hier ein Luxusproblem, wir müssen nicht zwischen Kandidaten wie Trump oder Biden entscheiden, es geht einfach um die Neuordnung der demokratischen Mitte und das ist ein Privileg. Den Wahlkampf empfindet er nicht als schmutzig, die “verlässliche Langeweile” hebt den deutschen Wahlkampf im Gegensatz zu den anderen Ländern hervor. Das sei nicht unbedingt negativ.



Voraussagen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen, zitiert Miriam Hollstein den Komiker Karl Valentin. Was heute gilt, muss morgen nicht mehr gelten, das sagen die Diskutant:innen auch über die Ergebnisse der Studie. Die eine oder andere Frage innerhalb der Umfrage hätten sie jetzt wohl anders beantwortet als noch vor drei Monaten. Die Veränderung des politischen Klimas war so von niemandem vorausgesehen worden.



Axel Wallrabenstein sagt, dass die Zeit der großen Parteien vorbei ist, er spricht von einer “Europäisierung der Parteienlandschaft.” Mittlerweile ist es auch - wie in Holland - möglich, mit 22 Prozent Kanzler:in zu werden, was das Ganze nicht weniger vorhersehbar macht, als es eh schon ist.

Sicher ist, alles ist offen und das bis zuletzt. Claudia Oeking richtet einen Appell an das hybride Publikum: "Wir sagen nicht wählt links oder rechts oder sonst was sondern nutzt das Privileg und geht wählen.”




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Geschrieben von

Frida Adamska

Frida Adamska ist Politologin und Kommunikationswissenschaftlerin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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