An diesem Freitag Mittag zieht eine illustre Gruppe durchs Hamburger Hafenviertel: Zwei Männer mit reglosen Gesichtern tragen eine Bahre, darauf ist in einer Vitrine eine Thatcher-Handtasche ausgestellt. Sie werden flankiert von einem kirchlichen Würdenträger in Knallrosa, der mit einer Klobürste und Wasser aus einem Plastikeimer die Passanten segnet. Dahinter laufen in einer Prozession etwa zwanzig Männer mit Melonen und Frauen, die Handtaschen in die Höhe recken. „Kapitalismus ins Museum!“ rufen sie.
Ziel der skurrilen Gruppe ist das Museum an den Deichtorhallen, wo sie ihre Reliquie feierlich abstellen und der Anführer der Prozession verkündet, was nun passiert. „Wir übergeben dem Museum hiermit eine Schenkung“, sagt er. „Es ist ein lange gehegtes Vorurteil, dass der Neoliberalismus ein Wirtschaftsmodell ist. Viele andere Vorurteile sind daraus entstanden, zum Beispiel, dass Gemeinwohl entsteht, wenn alle gemein zueinander sind.“ In Wirklichkeit, fährt er fort, sei der Neoliberalismus ein Kunstprojekt, das über die letzten Jahrzehnte Freigang gehabt habe und jetzt zurück ins Museum geholt werde. Sie brächten ihn dem Museum an den Deichtorhallen deshalb als Schenkung, symbolisiert durch eine Thatcher-Handtasche.
Die Prozession geht mit der Bahre und einem Transparent ins Museum, sie passen fast nicht durch die schmale Tür. Im Foyer legen sie sie ab. Der Sicherheitsangestellte sieht einige Minuten lang verunsichert zu, dann bittet er die Aktivisten hinaus. Die Museumsleitung hatte den Aktivisten im Vorfeld in einem Brief geschrieben, dass sie die Schenkung leider nicht annehmen könnte. Vielleicht ist der Neoliberalismus als soziales Kunstwerk einfach zu groß geworden für die Räume am Hafenkanal.
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