Die Musikbiz-Plattform MBW (Music Business Worldwide) hat vor ein paar Tagen Zahlen der britischen Majorlabels Sony, Universal und Warner veröffentlicht, die besagen, dass der durchschnittliche Gender Pay Gap bei erschreckenden 33,8 Prozent liegt. Für die deutsche Musikbranche gibt es zum Thema Entgeltunterschied noch keine konkreten Zahlen, es ist aber zum Beispiel kein Geheimnis, dass der Vorstand des Bundesverbandes Musikindustrie aus fünf Männern besteht (darunter die Chefs von Sony, Universal, Warner). Und noch eine Zahl kennen wir seit einiger Zeit: Nur 7,4 Prozent der Mitgliedsunternehmen des VUT (Verband unabhängiger Musikunternehmen) werden von Frauen geführt. 5,5 Prozent haben gemischte Teams an der Spitze.
Ich bin also eine von lächerlich wenigen! Und obwohl an Wichtigkeit demnach kaum zu überbieten, muss ich mich nach wie vor häufiger vorstellen als mein Mit-Chef (ich bin doch die von Buback, genau, ja, wir haben uns schon mal ...), werde seltener in Businessgespräche eingebunden und häufiger gefragt, welche Klasse mein Sohn besucht. Meine Kollegin, die seit vielen Jahren eine eigenständige Position in unserer Firma bekleidet, wird immer noch oft für die Assistentin von meinem Mit-Chef gehalten (ihren Namen hat sich bisher kaum jemand gemerkt).
Das Bewusstsein für das Thema wächst stetig, doch Chefsein ist nach wie vor Männersache. Geld verdienen anscheinend ja auch. Angeblich sind Männer risikofreudiger, in Gehaltsverhandlungen besser, haben mehr Erfolgswillen, sind nicht so bescheiden und harmoniebedürftig. Sagen sogar ausgebildete Psychologen! Die Frauen, die ich kenne, sind genauso viel und wenig ehrgeizig wie ihre männlichen Kollegen, die einen wollen Kinder, die anderen nicht, die einen können gut verhandeln, die anderen nicht. Und abgesehen davon, es ist für eine Führungsposition doch nicht von Nachteil, selbstkritisch und bescheiden zu sein?
Fakt ist sicherlich, dass alte Strukturen und eine traditionelle Sozialisation Frauen den Einstieg in die Branche (hinter und vor den Kulissen) immer noch schwer machen. Es braucht Vorbilder und eine Selbstverständlichkeit, mit der alle an Musik herangeführt werden. Ich habe als Jugendliche nicht wirklich hinterfragt, warum im Plattenladen immer nur Typen rumhängen. Oder warum bei den vielen Bands, die sich im Jugendzentrum gründeten, keine Mädchen mitgemacht haben und die DJs in meiner Heimat (immerhin mit drei Diskotheken) alle Männer waren. Eine Menge hat sich seitdem getan, das merke ich nicht erst, seit wir das Female* Future Festival in Hamburg planen (und seitdem ich nicht mehr 15-jährig in Ostfriesland wohne).
Viele, vor allem bei den Indielabels, sind wachsamer geworden, es gibt mehr Austausch, Netzwerke, wie das vom VUT gegründete Music Industry Women, diverse Panels und auch immer mehr Festivals zum Thema (Perspectives Festival, We Make Waves, Women of the World, Female Future Force Day). Trotzdem: Für eine Branche, die „am Puls der Zeit“ sein müsste und gesellschaftliche Trends setzt, sind alle Statistiken, die veröffentlicht werden, jedes Mal wieder ein Schlag in die Magengrube. In solchen Momenten finde ich die Vorstellung einer Quote für die gesamte Branche extrem reizvoll.
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