Quote für Hosenanzüge

Wundersamer Alltag Durch mathematische Verfahren und Prozentvorgaben wird die Chancengleichheit im Alltag nicht verbessert. Im Gegenteil

Frauen sollen ins Management: Ich bin dafür. Das Leben ist angenehmer, wenn in den Meetings nicht nur graue Anzugträger sondern auch bunte Kostümträgerinnen sitzen. In Telefonkonferenzen könnte man die Stimmen auch besser unterscheiden.

Viel mehr Nutzen wird die Quoten-Regel, die jetzt wieder einmal heiß durch die relevanten Ministerinnen und Manager diskutiert wird, nicht bringen. Sie wird überhaupt kein einziges Problem lösen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Probleme, die gelöst werden sollten, noch nicht einmal wirklich benannt worden sind.

Es gibt zwei mögliche Problemfelder, die für die Politik überhaupt Thema sein könnten: Chancengleichheit für alle und Verbesserung der Management-Qualität im Interesse aller.

Chancengleichheit gibt es aber nicht für anonyme Gruppen. Selbst wenn 10.000 Frauen mehr in Management-Positionen kämen, muss das nicht heißen, dass sich die Chancen für Lisa Müller auf einen Vorstandsposten auch nur im geringsten verbessert haben.

Stellen wir uns vor, Lisa Müller ist eine alleinerziehende Mutter zweier Kinder, das eine ist im Kindergarten, der um 8:00 Uhr öffnet und um 16:00 Uhr schließt, das andere in der Grundschule, ohne Nachmittagsbetreuung. Was nützt Lisa Müller eine Frauen-Quote?

Zockermentalität in Chefetagen

Ihre Schwester Lara Müller hat sich entschlossen, Karriere zu machen, auf Kinder zu verzichten, sie joggt morgens eine Stunde, kommt um 9:30 Uhr ins Büro und arbeitet bis 20:00 Uhr. Sie trägt leider kein buntes Kostüm sondern einen grauen Hosenanzug und hat gute Chancen, von der Quoten-Regel zu profitieren.

Chancengleichheit? Auf diese Weise bleiben die Männer in den Vorstandsetagen unter sich, manche von ihnen sind zwar etwas kleiner und haben ein paar mehr Rundungen, die sie unterm teuren Stoff gut verbergen können. Sie stehen auf den Vorstands-Gruppenfotos immer in der Mitte. Aber das weibliche Denken, das vielleicht Nachhaltigkeit statt Zockermentalität in die Chefetagen bringen könnte, wird durch sie nicht befördert.

Was für eine Quote bräuchten wir wirklich? Eine Mütter-Quote? Eine Familien-Quote? Die Quote, die wir brauchen, kann man nicht messen und nicht abrechnen. Deshalb sollten sich die Ministerinnen auch nicht mit Managern zusammensetzen um medienwirksam die Konzerne zu etwas aufzufordern, wofür diese nicht zuständig sind: Sie sollten sich um Familienförderung kümmern, Kitas, Schulen, die Eltern auch unterstützen usw. Dann kommt die Quote in der Regel ganz von selbst.

(In eigener Sache: Dies ist die letzte Folge des Wundesamen Alltags, die Gründe für das Ende kann man hier nachlesen, sie liegen nicht beim Inhalt und auch nicht darin, dass der Alltag nichts mehr zum Wundern hergeben würde. Mir hat die Kolumne Spaß gemacht, auch die kritischen Kommentare waren immer anregend, dafür Danke! Man liest sich.)

Jörg Friedrich ging in den letzten Wochen immer donnerstags in seiner Kolumne "Wundersamer Alltag" seinem ganz alltäglichen Staunen über die Welt nach. Denn alle Philosophie beginnt beim Staunen. Und alle Veränderung mit einem Wundern.

Jörg Friedrich twittert auch philosophische und politische Gedankensplitter. Im Sommer erschien sein Buch Kritik der vernetzten Vernunft

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Geschrieben von

Jörg Friedrich

Naturwissenschaftler, IT-Unternehmer, Philosoph

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