Wann ist eine Frau eine Frau

Wundersamer Alltag Eine Messe verspricht, "Alles für die Frau" zu bieten. Das ist ein großes Vorhaben, aber wundersamer Weise ist die Messe recht klein - und speziell
"Beauty" gehört für die münsteraner Messeveranstalter zum Frausein dazu - also wohl auch die Gurkenmasken
"Beauty" gehört für die münsteraner Messeveranstalter zum Frausein dazu - also wohl auch die Gurkenmasken

Foto: Torsten Blackwood/AFP/Getty Images

In Münster wird alljährlich eine Messe mit dem anspruchsvollen Titel: "Alles für die Frau" durchgeführt. Das ist kein Scherz. Wer nun vermutet, das westfälische Oberzentrum müsse über ein Messezentrum ungeahnter Größe verfügen, um das Spektrum all dessen, was "die Frau" benötigt, abzudecken, sieht sich getäuscht. Die Halle Münsterland verfügt über eine Ausstellungsfläche von ca. 20.000 Quadratmetern und das sind gut 5 Prozent der Fläche der Messe Frankfurt oder rund 4 Prozent der Messe Hannover.

Nun kann man natürlich sagen, dass eine Messe, die "Alles für die Frau" anbietet, nicht alles bereithalten muss, was eine Person zum Leben wünscht oder braucht, die eben eine Frau ist. Eine Messe etwa, die "Alles für die Angler" anbietet, müsste eben nur all jene Dinge bereithalten, die zum Angeln benötigt werden, Angeln, Köder, Eimer, Kescher, Messer, aber nicht etwa Fernseher. Wer tags angelt, sieht abends zwar fern, aber dann ist er eben kein Angler, sondern Fernsehzuschauer.

So wie eine Anglermesse das ausstellen muss, was eine Person benötigt, wenn sie angelt, also das, was sie dabei von anderen Personen unterscheidet und was diese anderen normalerweise nicht unbedingt brauchen, so kann sich eine Frauenmesse natürlich auf die Dinge konzentrieren, die das Frausein ausmachen, die eine Person als Frau wünscht oder benötigt.

Wobei es zwischen Angeln und Frausein natürlich einen gewissen Unterschied gibt, nämlich den, dass es möglich ist, vorübergehend mit dem Angeln aufzuhören um dann beispielsweise fernzusehen, was mit dem Frausein nicht so ohne weiteres möglich ist, weshalb es dafür auch kein richtiges Tätigkeitswort gibt.

Frausein vom Angeln abgrenzen

Aber gesetzt den Fall, man könnte das Frausein vom Angeln, vom Fernsehen und anderen Tätigkeiten so abgrenzen, dann kann uns diese famose Messe sicherlich Aufschluss darüber geben, was das Frausein ausmacht: Wann ist eine Frau eine Frau?

Nein, es sind nicht die guten alten 3 K: Kirche, Kinder, Küche, auch nicht in abgewandelter Form. Münster ist eine moderne Stadt, mit modernen Messeveranstaltern. Auf dem Plakaten und auch auf der Webseite des Veranstalters (die ich hier – man sehe es mir nach – nicht verlinken möchte) wird uns prägnant in vier Worten mitgeteilt, was die Frau zur Frau macht: "Mode, Wellness, Beauty, Sport". Auch das ist kein Scherz.

Während die Frau im alten Frauenbild der drei K wenigstens zu zwei Dritteln noch mit etwas beschäftigt war, was anderen nützte, was in der Gemeinschaft Wert hatte, sehen wir in diesem Bild eine Person, die ganz auf sich konzentriert ist, die offenbar nichts anderes im Sinn hat als ihr eigenes Wohlergehen, und deren ganzer Bezug zu anderen allenfalls darin besteht, anderen gefallen zu wollen. Wenn Frauen "ganz Frau" sind, so will die Messe suggerieren, dann beschäftigen sie sich mit sich selbst und ihrem Äußeren.

Wir befinden uns im 21. Jahrhundert, mitten in Europa, in einer Stadt, die Wissenschaft und Lebensart als ihre Stärken sieht, die so modern ist, dass sie Hindenburg von den Straßenschildern verbannt. In dieser Stadt mit 60.000 Studierenden hängen Plakate, auf denen steht "Alles für die Frau: Mode, Wellness, Beauty, Sport" und niemand tut etwas dagegen. Das ist kein Scherz.

Jörg Friedrich geht immer donnerstags in seiner Kolumne "Wundersamer Alltag" seinem ganz alltäglichen Staunen über die Welt nach. Denn alle Philosophie beginnt beim Staunen. Und alle Veränderung mit einem Wundern.

Vergangene Woche wunderte er sich darüber, warum kaum noch jemand per Anhalter fährt.

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Geschrieben von

Jörg Friedrich

Naturwissenschaftler, IT-Unternehmer, Philosoph

Jörg Friedrich

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