Latte Macchiato ist ein Schichtengetränk: Perfekt zubereitet, bilden Milch, Espresso und Milchschaum drei Schichten im Glas. Latte Macchiato ist ein Schichtengetränk: Wer es trinkt, zählt sich zur hippen, (erfolg)reichen oberen Schicht, zum edlen Schaum der Gesellschaft.
Darunter verschwimmen nach und nach die beiden Schichten, ein Abgrenzung ist kaum mehr möglich, die langsamen Wellenbewegungen sind Zeichen fürs Auf und Ab im Leben. Beim Schaum ist es anders: er ist immer oben. Und selbst wenn diese Schicht dünner wird, prägt sie Getränk und Gesellschaft. Denn ohne sie wär' alles nur piefiger Milchkaffee, hellbraune Plörre. Deshalb braucht unsere Gesellschaft den Schaum dort oben: So kann man sich nach Höherem sehnen – und wenn es nur heiße Luft in (Sprech)Blasen ist.
In Berlin Prenzlauer Berg oder in Hamburg Altona hat diese Latte-Macchiatisierung der Gesellschaft bereits begonnen: Milchpott, MacBook, Männertasche. So sitzen die hippen Herren an Caféfenstern und blicken durch schicke Designerbrillen auf TFT-Displays. Daneben schaukeln Kinderwagenmuttis ihren rosafarbenen Designernachwuchs und schlürfen VanillaLatteGrandeChocChipsToppingSplendaDecaf.
Die untere Schicht kann sowas noch nicht mal aussprechen, geschweige denn bezahlen. Also funktioniert das ja ganz gut mit der Abschottung. Wer braucht da noch „Gated Communities“, wenn doch bereits unsere Hirne eingezäunt wurden? Die oben haben dicke Taschen, die unten machen dicke Backen. So beginnt sich der Schaum nach und nach zu verfestigen: Elterngeld, Abwrackprämie - wer viel hat, bekommt noch mehr. Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen...
A propos viel bekommen. Ein Bekannter meint, in Deutschland bekämen nur noch zwei gesellschaftliche Gruppen viele Kinder: die Assis und die Adligen. Ich möchte dann immer widersprechen, doch schon hoppelt mir Ursula v. d. Leyen ins Hirn, ihre zwanzig Kinder im Schlepptau. Und hat nicht auch unser von und zu (und ab Oktober hoffentlich auf und davon) Wirtschaftsminister Guttenberg fast so viele Kinder wie Vornamen? (Naja, eigentlich erst zwei, aber seine Frau ist ja noch jung...)
...fragt Friedland...
Kommentare 6
Die Schaumschicht mit dem Blubb, die jede Nützlichkeit negiert und Muße als das Maß der Dinge betrachtet, macht beim Nippen einen bräunlichen Oberlippenbart. Grundsätzlich ist sie ebenso hohl wie entbehrlich. Es reicht einmal kräftig ins Glas zu blasen, um ihre wahre Schwäche zu offenbaren. Der verbleibende Rest ist nicht mehr so hip aber das, worauf es ankommt: die Substanz, das Wesen des Getränks.
Und wenn wir's umrühren? Schmeckt es auch nicht anders. Da ist mir ein oller Muckefuck ehrlich lieber als diese Schaumwelt - Coffein muntert eben nur kurz auf. Und macht dann müde.
Schöne Grüße von Herrn Freud:
Den letzten Absatz musste ich drei mal lesen, bis mein Hirn aus Frau v.d.L. nicht mehr Gloria von Thurn und Taxis machte.
Klasse
Wieder gelesen, wieder gelacht - und nun auch kommentiert.
Du solltest Deine heutige Blog-Frequenz wieder ein bisschen der 'damaligen' anpassen!
Lieber Friedland, ja - hier am Prenzlauer Berg ist die Welt noch in Ordnung. Die Läden heißen "Glück der Erde" oder "Wunschkind", da kann man sich dann mit Design für Gustav oder Klara eindecken, kein ChiChi sondern funktional, also durchdacht versnobt ... Der Kinderwagen - ganz wichtig. Ein Hesba oder Emmaljunga muss es schon sein, schön retro und doch Understatement, weil nicht in rosa sondern in dunkelblau. Und neben der Latte-Macchiatisierung gibt es natürlich die Volvorisierung im Kiez ...