Wer „Schweden“ hört, der lächelt meist. Wegen des sozialen Wohlfahrtsstaates, wegen der grenzenlosen Natur oder wegen der schönen Frauen. Vielleicht auch bloß, weil Bier auf schwedisch „Öl“ heißt und somit zwei der wichtigsten menschlichen Treibstoffe für uns in einem Wort vereint.
Seit dem 1. Juli hat nun Schweden den Vorsitz im Europarat inne. Seit der letzten Europawahl sitzt außerdem ein schwedischer Pirat als möglicher Vorreiter einer Neuen Digitalen Bewegung im Europa-Parlament. Ist Europa nun reif für das Schwedische Modell?
In den kommenden sechs Monaten ist Schweden also für Europa verantwortlich, dabei beginnt es als Wink-August schon im Juli, kann sich aber noch steigern. So ist nun mal Europa: Viel Repräsentanz, wenig Substanz. Doch während auf dem diplomatischen Parkett getanzt wird, sterben anderswo Menschen in Kriegen und Revolten.
Ein Rezept gegen Kriege, Ausbeutung und Unterdrückung wird aber auch die schwedische Regierung mit Europa im Rücken nicht ausstellen können. Doch in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise kann der nordische Staat eine Hilfe, wenn nicht gar ein Vorbild sein. Schließlich hat Schweden in den letzten Jahrzehnten das Meiste richtig gemacht: Frauen und Familie gefördert, das Alter abgesichert, langfristige Stabilität über den kurzfristigen Profit gestellt, eine Kultur des Ausgleichs durch Ombudsmänner etabliert, der (Aus)Bildung einen hohen Stellenwert eingeräumt.
Das Haus Europa braucht im Augenblick genau solch ein Vorbild. Die Bürger würden dann zwar auch gefordert (durch Steuererhöhungen), die Entwicklung der Gesellschaft letztendlich aber gefördert. Kurzum: Wir brauchen einen flinken Burschen, der mit einem Inbus-Schlüssel in der Hand hier und da die Schrauben nachzieht und dafür nicht erst langwierig die Bauanleitung studieren muss. Denn was den Schweden recht ist, kann uns doch nur Billy sein...
Schwedens Agenda der nächsten sechs Monate könnte also lauten:
„Internationale Krise endlich abschwächen.“
oder (schlagwortartiger)
„Integration. Krisenbewältigung. Erwärmungsreduzierung. Afghanistan.“
Dahinter sollte die Einsicht stehen:
„In Konflikten endet alles.“
Doch bevor es heißt
„Ignoranz killt einen allmählich“,
muss die Frage Europas immer lauten:
„Ist Krieg ein Allheilmittel?“
...fragt Friedland...
Kommentare 22
Das ist eine Fangfrage, oder?
es stimmt mit meinen beobachtungen überein, dass in schweden manches besser geregelt ist als hierzulande oder im übrigen eu-europa. was aber hat diese feststellung mit deiner schlussfrage zu tun, friedland?
schweden ist der staat in europa, der bei keinem krieg im jahrhundert der kriege dabei war. schweden hat die frage jedenfalls eindeutig beantwortet.
übrigens finde ich die frage deplatziert. ein krieg ist kein heilmittel, schon gar kein allheilmittel. wer hegt denn noch solche atavistischen vorstellungen?! (für die waffenlobby ist die frage auch keine frage, nie eine frage gewesen.)
mit blick auf die sich in der welt ausbreitende atomare rüstung ist die frage schlicht unverschämt bis verboten.
Ich bin verwirrt... war das nicht sowieso mit einer Prise Ironie geschmückt???
Danke Emu,
ich habe natürlich die rhetorische Frage als Stilmittel gewählt. Außerdem verbirgt sich hinter jenen holprigen "Agenden" ein typisch schwedisches Akronym, worunter alles irgendwie subsumiert wurde. Wer's findet, darf sich eine halbe Stunde gratis im Kinderparadies aufhalten...
@ h.yuren:
Natürlich ist Krieg KEIN Allheilmittel. Dennoch handeln gerade die Regierungen großer Nationen oft gegen Menschlichkeit und Vernunft und meinen, Konflikte durch Kriege lösen zu können.
Vielleicht schafft es ja das verhältnismäßig kleine Schweden, den Dampfer Europa auf einen gemäßigt pazifistischen Kurs zu bringen. Dazu gehört eben auch die Frage: Was machen wir in Afghanistan? Und jetzt komme bitte keiner mit der Verteidigung der Demokratie...!
Ach seien wir doch mal ehrlich, im 21. Jhd. geht es vor allem darum wer sich mit ‚bewaffnetem Einsatz‘ wo überall einmischen kann und genau das hat so gar nichts mit Konfliktlösung zu tun. Wer glaubt, dass die internationale Weltbühne seit dem Ende des Kalten Krieges ohne tarzianisches Brustklopfen und Blutvergießen auskommt lebt an der Realität vorbei.
Da hilft auch keine feucht-fröhliche Verbrüderung in einer lauen Mittsommernacht. Je stärker der Rausch desto deprimierender die Ernüchterung: In Europa haben sich eben alle nur soweit lieb wie es unbedingt sein muss…
Aber was die Innenpolitik angeht geb ich Dir völlig Recht!
Übrigens habe ich mich besonders über Dein Akronym gefreut aber Humor ist ja bekanntlich nicht Jedermans Stärke...
Konsequent zu Ende gedacht ist Krieg ein Allheilmittel.
Je mehr, um so wirksamer.
Danach ist Ruhe.
Und wer räumt dann hinterher wieder auf...?
Die Demokratie wird doch nicht in Afghanistan verteidigt sondern am Hindukusch.
Wer spielt, muss auch Aufräumen. Frag mal im Kinderparadies.
"Hinterher" steigen dann ein paar Alter Männer aus ihren Bergbunkern in den nuklearen Winter, wollen sich daran machen, die Zivilisation wieder aufzubauen und plötzlich wird ihnen klar, wofür die Frauenquote gut war...nein gewesen wäre. Schade eigentlich.
bei der frage "krieg oder frieden" hört der spaß am spiel auf. alles andere wäre bloßer zynismus, von dem wir schon genug hatten und haben.
Ich werde mich nicht über konkrete Kriegsopfer lustig machen. Ich mache aber auf das Absurde im Denken mancher Mächtigen aufmerksam - und zwar mit dem scharfen Schwert des Humors. So wie alles vom Menschen Gemachte eben a u c h humoristisch betrachtet werden kann und muss.
Ein Krieg ist kein achtköpfiges Fabelwesen, das "ausbricht", sondern eine von dummen Menschen gemachte, befohlene und zu verantwortende Katastrophe. Dass andere Menschen darunter leiden, sollte uns nur immer wieder daran erinnern, wie wenig die Verantwortlichen aus der Geschichte gelernt haben.
Dabei soll der Mensch sogar zu den weniger aggressiven Säugetieren gehören, die sozial in Rudelverbänden leben. Trotz der Millionen von Kriegstoten. Und das war jetzt nicht ironisch gemeint.
Und ich dachte immer, es hieße Imbußschlüssel.
Ich auch, hatte aber angst zu fragen, weil ich befürchtete ein Wortspiel nicht verstanden zu haben. Aber jetzt sind wir ja zu zweit.
Das dachte ich zunächst auch. Das Ding heißt offiziell Inbus, aber Imbus hat sich wohl umgangssprachlich eingeschlichen, weil's leichter zu sprechen ist. Ein anderes Beispiel ist Lybien und Libyen...
@friedland
die mächtigen lassen denken, sie selbst sinnen nur auf macht, erhalt und steigerung der macht. das ist instinktverhalten wie bei platzhirschen und anderen edlen tieren. beispiel zum beweis gibt es zu viele.
@titta
der mensch ist ein säugetier, das in rudeln lebt. ok. aber der mensch allgemein und speziell ist nicht kriegerisch, solange er nomadisch im familienverband lebt. das rudelwesen unter den fortschrittlichen bedingungen der sesshaftigkeit und der militärischen rangordnung (die inzwischen die ganze gesellschaft durchwirkt hat) macht den menschenschwarm leicht manipulierbar in der konkurrenz der territorien. milgram schlussfolgerte aus seinem experiment, der mensch verwandle sich in ein anderes wesen, eben ein rudeltier, sobald er in eine organisation eintrete. (milgram irrte, als er zur erklärung des phänomens der willfährigkeit vom angeborenen gehorsam faselte. das gen gibt es nicht.)
Uff...wenn die, die von oben draufhauen können edle aber gehirnlose 'Platzhirsche' sind und mit 'der Mensch' die Gesamtbevölkerung dieses Erballs gemeint ist - frage ich mich wo mein wabbernder Menschschwarm ist der mir beim Denken hilft?
Mir kann keiner glaubhaft machen, dass nur wer potentiell Macht hat diese auch zwangsläufig missbraucht bzw. spätestens dann sein Gehirn ausschaltet. Weder sind alle Mächtigen blöd noch sind alle anderen flächendecked manipulierbar.
Was mich am meisten am Krieg schockiert ist dessen Profanität... Da schickt man tausende archiasch in den tot, nennt es 'Gewalt für den Frieden' und kann am Ende noch nicht mal was mit nach Hause nehmen!
Wieso reicht der Biologismus immer nur um die Abgründe unserer Existenz zu beschreiben?
"kann am Ende noch nicht mal was mit nach Hause nehmen!"
das stimmt ja so auch nicht:
- Ruhm und Ehre
- Kunst
- Öl
- Unehrenhafte Kinder (gut die lässt man eher da aber auch das ändert sich)
- weniger Gliedmaßen
und vieles mehr oder eben weniger.
danke, merdeister, das nenne ich eine vollwert-entkräftung.
nun zum rest, emu:
nein, macht ist nicht hirnlos, das hätte ich nicht beweisen können, aber der machtinstinkt schaltet das beizeiten aus, was mensch denken nennen kann. im deutschen weiß man wahrscheinlich nicht, was das ist, was da ausgeschaltet wird, weil es im deutschen so verwirrende wortkontaminationen gibt wie prestigedenken, statusdenken, gedenken, heldengedenken, gedenkmalschutz etc. zu sowas sind die machtprotze noch fähig. ja.
Also sollte ich bloß nicht mächtig werden weil ich dann vielleicht von der lieben Studentin zum achtköpfigen Mysterium mutiere?
Ich 'denke' wir sind uns über den Missbrauch von Macht völlig einig - aber ich bin der Überzeugung, dass es auch Menschen gibt die ihre Macht zum Guten einsetzen können. Nur ist dann die Frage ob das genau so imponiert... und da ist dann tatsächlich die Masse gefragt.
Ich bin fast geneigt mich auf Aristoteles zu beziehen: Der Einsatz von Macht ist verwerflich wenn er nur dem Eigenwohl dient. Aber ich befürchte wir verennen uns dann in eine Diskussion über die antike Vorstellung von Gemeinwohl, ich denke dies würde die so charmant angedachte schwedische Leichtigkeit gänzlich sprengen.
liebes emu,
macht ist natürlich allgemein ein vermögen und insoweit nichts übles. nach reagans wahl zum präsidenten hat ein kritiker gemeint, das system der us-amerikanischen präsidentenwahl sei so beschaffen, dass die besten durchfallen müssen und die miesesten typen siegen. mit obama sieht alles anders aus. aber warten wir mal ab, was da in den nächsten jährchen noch auf uns zukommt.
der historiker jacob burckhardt kannte sich in seiner zeit und in der geschichte einigermaßen aus, und sein fazit in den Weltgeschichtlichen Betrachtungen lautet: "Und nun ist die Macht an sich böse, gleichviel wer sie ausübe. Sie ist kein Beharren, sondern eine Gier und eo ipso unerfüllbar, daher in sich unglücklich und muß also andere unglücklich machen."
zwar haben die schweden das königshausmuseum bewahrt, doch in praktischer politik viele gesetze, die vorbildlich sind. aber auch der beste staat ist eine kriegsmaschine, weil die schlechteren staaten rundherum auf distanz gehalten werden müssen. es war für die schweden kein leichter schritt in die eu.