Nächsten Sonntag wird in Europa gewählt, es wird Europa gewählt, es wird das Europa-Parlament gewählt. Es werden PolitikerInnen gewählt, die kaum jemand kennt und von denen kaum jemand weiß, was genau sie in BrüsselStraßburgLuxemburg so machen. PolitikerInnen, die von den Alpha-Tieren in den echten, nationalen Parlamenten nicht (mehr) geduldet werden.
Wir wählen also die B- oder C-Prominenz der Politiker-Garde. Im besten Fall jung und unbekannt, in den meisten Fällen abgehalftert und abgeschoben. „Hast Du einen Opa, schick' ihn nach Europa.“ Dieser Spruch ist wohl so alt wie das Europaparlament und so mancheR ParlamentarierIn selbst. Dennoch weht seit einigen Wochen der sanfte Hauch eines Frühsommerwahlkampfes durch die Straßen.
Von hässlichen Parteipräsentationsplakatwänden strahlen uns Unbekannte an, die nur eins wollen: unsere Stimme. Manche sind „Wirr in Europa“, andere schmeißen den Föhn ins Haifischbecken, wiederum andere wumsen sich in unser Hirn oder waren mal liberal und sind jetzt nur noch blond. Da wird das Küren von Volksvertretern für uns Bürger zur lästigen Pflicht, die wir ebenso ungern absolvieren wie Müll raustragen.
Doch wie beim Müll Raustragen gilt auch beim Wählen: Wenn man's nicht macht, fängt es schnell an zu müffeln und es bildet sich ein brauner Bodensatz, den man nicht so schnell wieder los wird. Und das kann doch niemand ernsthaft wollen.
Also sollte jeder von uns die Politikerphrasen sorgfältig von der Idee Europa trennen und zeigen, dass braune Verbalschlacke gesondert entsorgt werden muss. Denn Europa ist ein prächtiger Nährboden für Toleranz, Akzeptanz und Miteinander. Und diese Basis sollten wir uns nicht nehmen lassen. Also am kommenden Sonntag aufkreuzen und ankreuzen.
Und dabei kann man ja auch gleich den Müll mit raustragen, oder?
...fragt Friedland...
Geschrieben von
Friedland

Kommentare 21
Sehr einverstanden. So wahr es ist, dass die Kanidaten und auch die Wahlwerbung einen nicht vom Hocker reißen, so wahr ist aber auch, dass man wählen gehen sollte.
Überzeugt!
Da kommt mir ein Gedanke.
Auf dem zukünftigen medialen Müllzettel, ähm Wahlzettel werden alle Volksvertreter abgebildet. Es wird gewählt, angekreuzt. Danach verschwinden die nicht gewählten Politiker mit dem Sound der Toilettenspülung oder dem Klang des Mülleimerdeckels im politischen schwarzen Loch.
So würden bestimmt wieder mehr junge Leute Spaß an der Wahl finden.
Schöne Metapher. Und so treffend!
Die jungen Leute (wie auch alle anderen Unzufriedenen) könnten auch mal selbst die Toilettenspülung betätigen, indem sie sich aufstellen lassen...
...auch, wenn ich Ihnen selbstverständlich darin zustimme, dass dies der jungen Generation momentan nicht unbedingt leicht gemacht wird. Eine Ausrede für Leute, die ihr Lebensbedingungen tatsächlich verändern wollen, ist bspw. ein Ortsverband mit Durchschnittsalter 60+ aber dennoch nicht.
Lieber Friedland,
Müll raus tragen? Ja, sollte man regelmäßig tun. Aber Europa-Wahl - bitte ausschlafen. Argumente dafür hast du genügend geliefert. Ansonsten bei mit im Blog den Beitrag "WUMS-peng-daneben" plus Debatte noch zusätzlich hinzuziehen.
Was die Bekämpfung des "brauen Bodensatzes" angeht, ist das nicht eine Frage der Entscheidung: wählen gehen oder nicht.
Gruß BW
"Die jungen Leute (wie auch alle anderen Unzufriedenen) könnten auch mal selbst die Toilettenspülung betätigen, indem sie sich aufstellen lassen..."
Das ist aber langweilig und nicht sexy.
Daran liegt's meiner Meinung nach nicht unbedingt. Was ich beobachte, sind zwei Phänomene:
a) vollkommene Interesselosigkeit einer übersättigten Generation und
b) absolute Überforderung mit politischem System und Position der Parteien.
Scheinbar führt die Kombination oder manchmal auch nur eins von beidem dazu, am besten alles Politische, was zum einen Ohr hinein ging, möglichst schnell zum anderen wieder heraus zu scheuchen.
@ Bildungswirt:
Die Wahllokale haben ja mind. bis 18h00 geöffnet, da kann selbst ich ausschlafen UND wählen gehen.
Und ja, rechte Stimmen kann/soll/muss man auch anders eindämmen, aber am Sonntag sei als Mittel auch die Mathematik gestattet: je mehr Stimmen insgesamt, desto weniger Stimmenanteil relativ für Extremisten.
...Friedland...
Für mich ist das ein sehr wichtiger Grund. Die Politiker, die einem täglich "begegnen" wirken wie Technokraten, freudlos und dem Leben nicht sehr nahe. Da es keine Ausnahme gibt, scheint das eine Voraussetzung zu sein, die Ochsentour zu überstehen.
Ein Grund für mangelndes Interesse könnte die mangelnde Wahrhaftigkeit der politischen Elite sein. Dort wird vorgelebt, was wir sonst nicht machen sollen:
Fehler werden vertuscht,
Andere (und ihre Meinungen) nicht ernst genommen,
Die eigene Meinung nicht in Frage gestellt.
Man kann natürlich auf eine übersättigte Generation schimpfen, dann sollte man aber auch fragen, wer diese Generation so gefüttert hat.
Natürlich, ich sage ja nicht, dass diese Generation selbst daran Schuld ist übersättigt zu sein. Das hindert sie aber ja nicht daran, darüber nachzudenken, ob ihr Lebensstil zufriedenstellend und wenn nicht irgendwie veränderbar ist. Aber vlt. sehe ich das zu idealistisch und verlange zu viel.
Genauso geht es mir übrigens den anderen Punkt betreffend: Klar, glaubwürdig sind Politiker meist nicht. Dennoch finde ich es traurig, daran festzumachen, dass ein anderes Dasein dieser Leute gar nicht möglich ist. Der Ruf ist generell schon gegeben, selbst, wenn jemand ganz neu im "Geschäft" ist. (Erinnert mich daran, dass ja auch alle Lehrer "faul" sind.)
Mag ja sein, dass dieser Ruf dann oftmals (?) auch zutrifft, aber es ist die Frage, ob wir uns da mit dieser "self-fulfilling prophecy" nicht im (Teufels-)Kreis drehen. Wenn nie jemand versucht ihn zu durchbrechen, dann wird es auch immer so bleiben.
Ich glaube, das größte Problem eines Politikers (gehen wir mal davon aus, es gibt ihn!), der ehrlich seine Ideen durchsetzen will, sind auch die Erwartungen an das, was er durchsetzen will. Er muss immer zu einem bestimmten Grad populistisch handeln, um auch nur in irgendeiner Weise die Chance zu haben, möglichst viele Wählerstimmen zu bekommen und seine Ziele dann auch durchsetzen zu können. Die Gefahr dabei ist dann, dass er diese populistischen Ziele einmal im Amt dann doch nicht mehr verwirklichen kann - somit wird er dann wieder zum Lügner...
Wer das einmal gesehen hat neigt natürlich dazu, nicht in die Politik zu gehen, was nützt es ihm persönlich denn? Wiegen die Gefahren und Probleme nicht schwerer als die evtl. zu erreichende Ideale? - Am Ende sitzen dann eben deshalb (kann ichs's Egoismus nennen? Bequemlichkeit?) hauptsächlich Machtmenschen da oben und lügen ein bisschen, um ihre Macht auch zu halten...
@Friedland,
je weniger Stimmvieh, desto mehr potenzielle Morgendämmerung.
Falls du hingehen willst, gut ausgeschlafen, wünsch ich dir ein glückliches Händchen.
Gruß BW
Lieber Friedland;
toll geschrieben, pointiert... es hat mir Spaß gemacht, das zu lesen.
Und im Inhalt: Siehe Magda, ich stimme voll zu. Allerdings schlägt die Europawahl in diesem Jahr wirklich Kapriolen - bwz. ihre Kandidatenkür: Ich habe nämlich bereits meine Briefwahlunterlagen erhalten (und schon wieder abgeschickt, jawohl!).
Der Wahlbogen hatte Überlänge und passte deshalb kaum ins Kuvert: Etwas 25 verschiedene Parteien bieten sich diesmal an, darunter die "Violetten", eine spiritistische Partei, über die ich bisher noch nie etwas gehört habe. Dachte auch schon daran, darüber mal einen Blog zu schreiben. Von den "Violetten" habe ich bisher noch nie ein Plakat gesehen!
Herzlich, Anna
Boing: Kleine (Freudsche) Fehlleistung! Es muss natürlich heissen "die Violetten - eine SPIRITUELLE Partei." Was immer das auch sein mag.
Anna
Hallo Anna,
die Spirituosen-Partei trifft sich regelmäßig vor meinem Haus am Kiosk. Violett ist bei denen allerdings nur die Nase...
...Friedland...
Hallo Friedland,
das ist mal ein hübscher, kecker, unerwartbarer Text Pro-Wählen-Gehen. Danke dafür.
klara (die brav den Müll trennt, auch wenn sie nicht weiß, ob er danach wieder zusammengekippt wird, und die selbstverständlich wählen geht, so wie sie auch ihre Kinder gegen Diphterie impfen lässt, auch wenn's weh tut)
Jo, die kenne ich auch. Aber ob die wirklich nach Europa wollen?
Offiziell heisst es übrigens, jetzt habe ich es: "Die Violetten - für ein spirituelles Deutschland."
Auch interessant: "Christliche Mitte - für ein Deutschland nach GOTTES Geboten" (so steht es da wirklich, "GOTTES" groß).
Und wer ist die "Partei für Soziale Gleichheit, Sektion der Vierten Internationale"?
Was mich hoffen lässt: In "Feministische Partei DIE FRAUEN" stellt sich ein Mann als Kandidat vor. Sehr mutig!
Der Link dazu: www.bundeswahlleiter.de/de/europawahlen/EU_BUND_09/
zugelassene_parteien/index.html
Ach ja, interessant ist auch, wie heterogen (und teilweise auch dem Klischee entsprechend) die Berufe der Kandidaten sind: So gibts bei den Violetten viele Selbstständige, vor allem Heilpraktiker, Sozialpädagogen... Bei der "Piratenpartei" (die mir irgendwie sehr sympathisch ist, klingt so nach Störtebeker) sitzen dagegen lauter Leute aus der IT-Branche. Ein Schelm, der Böses dabei denkt... Kannst Du Dir aber vorstellen, wie verzweifelt der 80jährige von nebenan ist, der sich nicht mehr so intensiv befasst? Der wählt aus lauter Verwirrung automatisch CDU, oder genauso schlimm, FDP.
Herzlich, Anna
Spiritistisch - spirituell - spirituös, und welche Partei kann man als beinharter Rationalist wählen? Bei den Kommunalwahlen sicher die, die für bessere Straßenbeleuchtung sorgen; das kalte Licht der Aufklärung gegen die Hymnen an die Nacht singenden Stadtsäckelbewacher... Und Pflaster, Bürger, neues Pflaster fehlt auch an vielen Stellen.
Nette Verknüpfung von Wahl und Müll.
Stimmt noch mehr überein.
Wir Bürger wurden zum Müllsortieren und -sammeln erzogen.
Geradezu inbrünstig werden die Sorten getrennt.
Fahren wir dann zufällig (oder auch nicht) mal so 'nem Müllauto hinterher stellt sich heraus, dass alles im gleichen Müllofen landet.
Die Verbrennung, sprich Thermierung, gleicht alle Unterschiede wieder aus.
Bei der Wahl, nicht nur der Europawahl, ist das ganz ähnlich.
Die Wählerstimmen, welche Partei sie auch immer bekommt, verbrennt unser gemeinsames Steuergeld.
Ab 0,5 % der abgegebenen Stimmen werden sämtliche Stimmen gestaffelt subventioniert. Für die ersten 4 Millionen Stimmen erhält die jeweilige Partei 0,85 Euro, für Stimmen darüber hinaus immerhin noch 0,70 Euro pro Stimme.
Diese Regelung der Stimmensubventionierung gilt so zumindest in Deutschland. Das ist keineswegs überall in Europa so.
In Europa wird auch nicht überall soviel Müll sortiert, mancherorts lässt man ihn auch einfach liegen
In Deutschland wird eben gern verbrannt: Geld und Müll.
Sooo, der Müll ist weg, die Stimme abgegeben (oder war's andersrum?). Die ersten beiden Bürgerpflichten sind somit erfüllt. War gar nicht so schwer.
Im Wahllokal angekommen, dachte ich allerdings zunächst, man wollte direkt nach der Wahl den Raum tapezieren und hatte die Tapete schon bereit gelegt, doch der Stapel Papier entpuppte sich dann als Wahlzettel...
Stimmt, die Länge der Wahlzettel ist nicht schlecht, zumal einem dann sehr aufmerksam drei Mal gesagt wird, man solle den Zettel bitte öfter falten, damit er in die Urne passt.
Was mich aber wirklich erstaunt hat: Es war doch viel Betrieb in den Wahllokalen, als ich dort war - ja, DEN Lokalen, ich hatte mich zuerst in ein anderes verirrt. Ob das nur eine Momentaufnahme war, oder gehen vielleicht doch noch mehr Leute zur Europawahl, als man immer so hört?