Wenn schon, denn schon

Gastkommentar Die neue Linke sollte keinen Zweifel daran lassen, dass sie auf Basis des Grundgesetzes agiert

Wer sich anschickt, alle Enttäuschten und Abgehängten, Erniedrigten und Beleidigten zu sammeln, muss sich nicht wundern, dass sich da Leute untermischen, die gerne im Trüben fischen. Wenn sich weiterhin eine "ideologisch gefestigte DKP-Genossin" so etwas wie die Stasi wieder wünscht und die Mauer rechtfertigt, macht sie deutlich, dass die DKP ihrer ideologischen und finanziellen Ziehmutter SED nach deren Ableben in revolutionärer Wachsamkeit treu geblieben ist. Dieses so winzige wie schlagfertige Kadergrüppchen, stramme alte Genossen aus der Zeit des Kalten Krieges, springen flugs auf den Wagen der Linken, ebenso allerlei Utopisten, Anarchisten, Querulanten - nicht wenige arg enttäuschte Sozialdemokraten.

Da bleibt noch viel Klärungsbedarf, aber eine Gefahr für unsere Demokratie geht davon nicht aus. Es sammeln sich sozial Zurückgesetzte und stimmlos Gemachte, die sich von Politik mehr Klarheit, Radikalität und Konsequenz wünschen, weniger Machbarkeitsüberlegungen, keine Kompromisse. Verzicht auf stets mühselige Gestaltung sättigt sich in selbstbefriedigter Radikalkritik. Hauptsache die Parolen stimmen! Andere sind zu konkreter Mitverantwortungsübernahme bereit, bleiben indes bei den Etablierten stigmatisiert.

Selbst wer zu denen gehört, die die DDR nicht dämonisieren, sie nicht auf Mauer und Stasi reduzieren, die neoliberale Weltideologie mit allen sich bereits fatal auswirkenden Konsequenzen für ein Unglück halten, kommt das kalte Grausen, sollten Leute in unseren Parlamenten sitzen, die Mauer und Stasi verklären. Denen sei zugerufen: "Wenn schon, denn schon": Also bitte zurück auch zu Stacheldraht und scharfgemachten Hunden, Drill und Rotlichtbestrahlung, lächelnd-unterwürfigem Zettelfalten statt Wahlen, einer Partei, "die immer Recht hat", statt der vielen Parteien, die alle Recht haben wollen, zu emsiger Doperei im sportlichen Friedenskampf, Marxismus-Leninismus als einzig wissenschaftliche Weltanschauung, Parteilichkeit der Wahrheit, Klitterung der Geschichte, Einheitspresse, guten (Atom-)Waffen des Friedens, Vollbeschäftigung ohne Rücksicht auf Arbeitspriorität, gleichen Lohn für schlechte Arbeit, ewigen Bruderbund mit der ruhmreichen KPdSU, stets schnelle brüderliche Hilfe, falls sich eines der bereits erlösten Völker aus der Zwangsumklammerung lösen will, Verschlucktwerden des Einzelnen in Kollektiven, periodisch wiederkehrende Versorgungsprobleme, aber im Winter stets den "gelben Köstlichen". Damit die Bürger einer solchen Gesellschaft nicht in Scharen weglaufen, braucht man in der Tat so etwas wie eine Mauer und so etwas wie eine Stasi, aber eben diesmal ewig und nicht bloß hundert Honecker-Jahre.

Der Kampf gegen den Heuschrecken-Kapitalismus, in dem alle und alles zur Ware wird, Gewinner über Verlierer triumphieren und die Arm-Reich-Schere immer weiter auseinander klafft, braucht indes so entschlossene wie geduldige Gestaltung, Mehrheiten für eine Gesellschaftsveränderung, die umfassend auf Emanzipation ausgerichtet bleibt, die individuelle Entfaltung und soziale Verpflichtung zusammenhält. Die neue Linke wäre gut beraten, wenn sie nicht den leisesten Zweifel daran ließe, dass verpflichtende Ausgangsbasis jeglichen politischen Handelns unser Grundgesetz ist. Alte DKP-Genossen sollten im Hinterstübchen verbleiben; in Kuba könnten sie noch brüderliche Aufbauhilfe leisten, aber ganz auf Linie! Andererseits wirkt es irrational, wie angesichts eines kommunistischen Fossils reflexartig eine geradezu neurotische Kommunismusphobie Parteien und Medien erfasst, wie das ganze alte Arsenal der Kommunismusangst aufgefahren und bei der Linken abgeladen wird. Nicht wenige Altlinke sind wieder an vorderster Front. Ohne inneren Feind geht es offenbar nicht.

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