(1) Die Mitgliedstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite.
(2) Die Kommission überwacht die Entwicklung der Haushaltslage und der Höhe des öffentlichen Schuldenstands in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Feststellung schwerwiegender Fehler. Insbesondere prüft sie die Einhaltung der Haushaltsdisziplin anhand von zwei Kriterien, nämlich daran,
a) ob das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert überschreitet, es sei denn, dass - entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat - oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt, b) ob das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert überschreitet, es sei denn, dass das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.
Die Referenzwerte werden in einem den Verträgen beigefügten Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit im Einzelnen festgelegt.
(3) Erfüllt ein Mitgliedstaat keines oder nur eines dieser Kriterien, so erstellt die Kommission einen Bericht. In diesem Bericht wird berücksichtigt, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaats.
Die Kommission kann ferner einen Bericht erstellen, wenn sie ungeachtet der Erfüllung der Kriterien der Auffassung ist, dass in einem Mitgliedstaat die Gefahr eines übermäßigen Defizits besteht.
(4) Der Wirtschafts- und Finanzausschuss gibt eine Stellungnahme zu dem Bericht der Kommission ab.
(5) Ist die Kommission der Auffassung, dass in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht oder sich ergeben könnte, so legt sie dem betreffenden Mitgliedstaat eine Stellungnahme vor und unterrichtet den Rat.
(6) Der Rat beschließt auf Vorschlag der Kommission und unter Berücksichtigung der Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, nach Prüfung der Gesamtlage, ob ein übermäßiges Defizit besteht.
(7) Stellt der Rat nach Absatz 6 ein übermäßiges Defizit fest, so richtet er auf Empfehlung der Kommission unverzüglich Empfehlungen an den betreffenden Mitgliedstaat mit dem Ziel, dieser Lage innerhalb einer bestimmten Frist abzuhelfen. Vorbehaltlich des Absatzes 8 werden diese Empfehlungen nicht veröffentlicht.
(8) Stellt der Rat fest, dass seine Empfehlungen innerhalb der gesetzten Frist keine wirksamen Maßnahmen ausgelöst haben, so kann er seine Empfehlungen veröffentlichen.
(9) Falls ein Mitgliedstaat den Empfehlungen des Rates weiterhin nicht Folge leistet, kann der Rat beschließen, den Mitgliedstaat mit der Maßgabe in Verzug zu setzen, innerhalb einer bestimmten Frist Maßnahmen für den nach Auffassung des Rates zur Sanierung erforderlichen Defizitabbau zu treffen.
Der Rat kann in diesem Fall den betreffenden Mitgliedstaat ersuchen, nach einem konkreten Zeitplan Berichte vorzulegen, um die Anpassungsbemühungen des Mitgliedstaats überprüfen zu können.
(10) Das Recht auf Klageerhebung nach den Artikeln 258 und 259 kann im Rahmen der Absätze 1 bis 9 dieses Artikels nicht ausgeübt werden.
(11) Solange ein Mitgliedstaat einen Beschluss nach Absatz 9 nicht befolgt, kann der Rat beschließen, eine oder mehrere der nachstehenden Maßnahmen anzuwenden oder gegebenenfalls zu verschärfen, nämlich
- von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangen, vor der Emission von Schuldverschreibungen und sonstigen Wertpapieren vom Rat näher zu bezeichnende zusätzliche Angaben zu veröffentlichen, - die Europäische Investitionsbank ersuchen, ihre Darlehenspolitik gegenüber dem Mitgliedstaat zu überprüfen, - von dem Mitgliedstaat verlangen, eine unverzinsliche Einlage in angemessener Höhe bei der Union zu hinterlegen, bis das übermäßige Defizit nach Ansicht des Rates korrigiert worden ist, - Geldbußen in angemessener Höhe verhängen.
Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament von den Beschlüssen.
(12) Der Rat hebt einige oder sämtliche Beschlüsse oder Empfehlungen nach den Absätzen 6 bis 9 und 11 so weit auf, wie das übermäßige Defizit in dem betreffenden Mitgliedstaat nach Ansicht des Rates korrigiert worden ist. Hat der Rat zuvor Empfehlungen veröffentlicht, so stellt er, sobald der Beschluss nach Absatz 8 aufgehoben worden ist, in einer öffentlichen Erklärung fest, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat kein übermäßiges Defizit mehr besteht.
(13) Die Beschlussfassung und die Empfehlungen des Rates nach den Absätzen 8, 9, 11 und 12 erfolgen auf Empfehlung der Kommission.
Erlässt der Rat Maßnahmen nach den Absätzen 6 bis 9 sowie den Absätzen 11 und 12, so beschließt er ohne Berücksichtigung der Stimme des den betreffenden Mitgliedstaat vertretenden Mitglieds des Rates.
Die qualifizierte Mehrheit der übrigen Mitglieder des Rates bestimmt sich nach Artikel 238 Absatz 3 Buchstabe a.
(14) Weitere Bestimmungen über die Durchführung des in diesem Artikel beschriebenen Verfahrens sind in dem den Verträgen beigefügten Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit enthalten.
Der Rat verabschiedet gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren einstimmig und nach Anhörung des Europäischen Parlaments sowie der Europäischen Zentralbank die geeigneten Bestimmungen, die sodann das genannte Protokoll ablösen.
Der Rat beschließt vorbehaltlich der sonstigen Bestimmungen dieses Absatzes auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments nähere Einzelheiten und Begriffsbestimmungen für die Durchführung des genannten Protokolls.
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The New York Times
April 30, 2010
Op-Ed Columnist
The Euro Trap
By PAUL KRUGMAN
Not that long ago, European economists used to mock their American counterparts for having questioned the wisdom of Europe’s march to monetary union. “On the whole,” declared an article published just this past January, “the euro has, thus far, gone much better than many U.S. economists had predicted.”
Oops. The article summarized the euro-skeptics’ views as having been: “It can’t happen, it’s a bad idea, it won’t last.” Well, it did happen, but right now it does seem to have been a bad idea for exactly the reasons the skeptics cited. And as for whether it will last — suddenly, that’s looking like an open question.
To understand the euro-mess — and its lessons for the rest of us — you need to see past the headlines. Right now everyone is focused on public debt, which can make it seem as if this is a simple story of governments that couldn’t control their spending. But that’s only part of the story for Greece, much less for Portugal, and not at all the story for Spain.
The fact is that three years ago none of the countries now in or near crisis seemed to be in deep fiscal trouble. Even Greece’s 2007 budget deficit was no higher, as a share of G.D.P., than the deficits the United States ran in the mid-1980s (morning in America!), while Spain actually ran a surplus. And all of the countries were attracting large inflows of foreign capital, largely because markets believed that membership in the euro zone made Greek, Portuguese and Spanish bonds safe investments.
Then came the global financial crisis. Those inflows of capital dried up; revenues plunged and deficits soared; and membership in the euro, which had encouraged markets to love the crisis countries not wisely but too well, turned into a trap.
What’s the nature of the trap? During the years of easy money, wages and prices in the crisis countries rose much faster than in the rest of Europe. Now that the money is no longer rolling in, those countries need to get costs back in line.
But that’s a much harder thing to do now than it was when each European nation had its own currency. Back then, costs could be brought in line by adjusting exchange rates — e.g., Greece could cut its wages relative to German wages simply by reducing the value of the drachma in terms of Deutsche marks. Now that Greece and Germany share the same currency, however, the only way to reduce Greek relative costs is through some combination of German inflation and Greek deflation. And since Germany won’t accept inflation, deflation it is.
The problem is that deflation — falling wages and prices — is always and everywhere a deeply painful process. It invariably involves a prolonged slump with high unemployment. And it also aggravates debt problems, both public and private, because incomes fall while the debt burden doesn’t.
Hence the crisis. Greece’s fiscal woes would be serious but probably manageable if the Greek economy’s prospects for the next few years looked even moderately favorable. But they don’t. Earlier this week, when it downgraded Greek debt, Standard Poor’s suggested that the euro value of Greek G.D.P. may not return to its 2008 level until 2017, meaning that Greece has no hope of growing out of its troubles.
All this is exactly what the euro-skeptics feared. Giving up the ability to adjust exchange rates, they warned, would invite future crises. And it has.
So what will happen to the euro? Until recently, most analysts, myself included, considered a euro breakup basically impossible, since any government that even hinted that it was considering leaving the euro would be inviting a catastrophic run on its banks. But if the crisis countries are forced into default, they’ll probably face severe bank runs anyway, forcing them into emergency measures like temporary restrictions on bank withdrawals. This would open the door to euro exit.
So is the euro itself in danger? In a word, yes. If European leaders don’t start acting much more forcefully, providing Greece with enough help to avoid the worst, a chain reaction that starts with a Greek default and ends up wreaking much wider havoc looks all too possible.
Meanwhile, what are the lessons for the rest of us?
The deficit hawks are already trying to appropriate the European crisis, presenting it as an object lesson in the evils of government red ink. What the crisis really demonstrates, however, is the dangers of putting yourself in a policy straitjacket. When they joined the euro, the governments of Greece, Portugal and Spain denied themselves the ability to do some bad things, like printing too much money; but they also denied themselves the ability to respond flexibly to events.
And when crisis strikes, governments need to be able to act. That’s what the architects of the euro forgot — and the rest of us need to remember.
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