Oder: Putzen oder Gymnasium?
("Soziale Haengematte" ist noch ein anderes Problem. Die Familie als Sozialversicherung ist uebrigens repressiver.)
Anyway, in der NZZ finde ich ein Interview mit dem emeritierten Bio-Prof Gottfried Schatz,
www.nzz.ch/nachrichten/startseite/die_muslimische_kultur_ist_wenig_bildungsfreundlich_1.7449209.html
das ich sehr einleuchtend finde:
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Fangen wir mit dem Teil an, dem Sie zustimmen. Sarrazin sagt: Die Muslime in Deutschland integrieren sich zu wenig. Sie verharren überdurchschnittlich oft in der Arbeitslosigkeit, verlassen sich auf Sozialleistungen des Staates und halten ihre Kinder zu wenig zum Vorankommen in der Schule an.
Leider scheinen die Statistiken Sarrazin hier recht zu geben. Man hat diese Probleme zu lange nicht offen angesprochen – mit dem Resultat, dass sich das versteckte Unbehagen der Gesellschaft an Scheinproblemen wie den Minaretten abreagiert. Political correctness ist eine Gefahr für jede Demokratie, weil sie zum Gleichdenken zwingt. Der amerikanische Journalist Walter Lippmann sagte: «Wo alle gleich denken, denkt keiner sehr viel.» Wie viel sinnvoller wäre es doch gewesen, nicht über Minarette, sondern über schärfere Massnahmen gegen Zwangsehen abzustimmen!
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Wenn es die Zwangsehen waeren. Jedenfalls geht es nicht um irgendeine Islamisierung unserer Gesellschaft, sondern darum, zu erkennen, was bei den "Muslims" los ist. "Auslaenderwissenschaft" sozusagen. Und Schatz macht den "Vorwurf", den er den Muslimen und Katholiken spaeter macht, zunaechst uns selbst. Sarrazin als Feind der Menschheit, "Arschloch" hat eine Journalistin mit Migrationshintergrund in der TAZ geschrieben. Und die Bundesbank schmeisst ihn raus, obwohl doch Unabhaengigkeit gerade ihre Existenzberechtigung ist und er nichts ueber Waehrungspolitik gesagt hatte. Nun ja, "sowas tut man nicht", aber was hat er denn getan?
Selbstverstaendlich gibt es eine Tendenz zum "Verharren in der sozialen Haengematte" auch sonstwo. Es wird von einigen in fuer mich unglaublichen Masse fuer selbstverstaendlichl gehalten, dass der Staat zahlt und man sich darauf bis an sein Ende verlassen kann. Der Staat als Selbstbedienungsladen, was uebrigens auch schon in der Diskussion um die doppelte Staatsbuergerschaft jedenfalls am Rande mitschwang. Doppelte Loyalitaeten usw, kein Thema. Vielleicht sind solche Dinge auch schwer zu vermitteln, mansche Leute verstehen sie nicht, Unbildung eben, basta. Und der Staat traegt durch die Umbennenung der Aemter in "Servicecenter" noch dazu bei. Aus Buergern werden Kunden. Der Staat wird so zur "BRD GmbH & Co KG" und die Frau Bundeskanzler zur Aufsichtsratsvorsitzenden, wie man hier so oder so aehnlich sagt.
Interessanter finde ich:
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Liest man Sarrazins Buch, entsteht der Eindruck, die Muslime in Deutschland seien an Bildung kaum interessiert.
Diese Behauptung scheint mir allzu pauschal. Dennoch bin ich überzeugt, dass nicht alle Kulturen gleich bildungsfreundlich sind. Die katholische Kultur, in der ich aufwuchs, war eindeutig weniger bildungs- und wissenschaftsfreundlich als die jüdische oder chinesische Kultur. In meiner katholischen Erziehung waren kritische Fragen nicht erwünscht – doch diese sind die Quelle von eigenständigem und wissenschaftlichem Denken. Leider trifft dies auch auf die heutige muslimische Kultur zu. Ich sage «die heutige», denn dies war nicht immer so. In der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends waren Muslime – zusammen mit Juden – die wichtigsten Kulturträger und schenkten uns zahllose fundamentale Erkenntnisse in Philosophie, Wissenschaft und Medizin.
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Daran sind zwei Dinge bemerkenswert. Einmal die Unterscheidung von Islam als Religion, Ideengebaeude, von der real existierenden Kultur der Muslims, wie sie leben. Und der Hinweis auf den Katholizismus, wo genauso zu unterschieden ist. In der Einleitung eines kriminologischen Werkes ueber die Verbrecher Spaniens von etwa 1900 heisst es zur Begruendung der verglichen mit Preussen unglaublichen Rueckstaendigkeit des Landes: Jahrhundertelang seinen alle, die nicht Stierkaempfer oder Priester waren, einen Kopf kuerzer gemacht worden, wenn sie etwas Neues zu denken wagten. Sicher ein pauschales Urteil, vielleicht trifft es aber doch im Wesentlichen zu. Die spanischen Verbrecher waren uebrigens hoefliche Leute: Darf ich Sie bitte um ihre Geldboerse erleichtern? Der Verbrecher als Gentleman.
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Erklärt die heutige muslimische Kultur, warum es in Deutschland nur wenige Abiturienten aus muslimischen Ländern gibt?
Ich kann dies nicht beweisen, vermute es aber. Die meisten der heutigen muslimischen Gesellschaften vertreten weder eine Trennung von Staat und Religion noch die Gleichberechtigung aller Religionen. Damit verhindern sie demokratische Meinungsbildung, Weltoffenheit und wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Wenn Familienbande, persönliche Beziehungen und der Primat religiöser Doktrin wichtiger sind als Können und Motivation, wird Bildung als Instrument des sozialen Aufstiegs weitgehend irrelevant. Ein anderes Beispiel . . .
Ja?
Ich habe viele Jahre an Universitäten der USA unterrichtet und mich darüber gewundert, dass nur so wenige Studenten und Doktoranden Kinder lateinamerikanischer Einwanderer waren – obwohl diese Einwanderer heute einen beträchtlichen Teil der amerikanischen Bevölkerung ausmachen. Studenten aus chinesischen, vietnamesischen oder indischen Immigrantenfamilien waren hingegen so zahlreich, dass einige Universitäten mehr oder minder verkappte «Asiatenquoten» in Kraft setzten. Ähnlich wie bei den Muslimen in Deutschland scheinen auch bei den «Hispanics» in den USA extrem starke Familienbande, Traditionshörigkeit, starres Festhalten an der eigenen Sprache und fundamentalistisch geprägtes Religionsverständnis die Bildungsfreudigkeit und den sozialen Aufstieg zu behindern. In vielen Regionen der USA ist Spanisch heute fast schon zur offiziellen Staatssprache geworden. Unwilligkeit zur Integration ist nicht auf muslimische Immigranten beschränkt.
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Integration ist dann die Anpassung an die Leistungsgesellschaft? Die starken Familienbande sind auch eine Sozialversicherung und man kann nicht alles gleichzeitig haben. Diese "private Sozialversicherung" zwingt dann zum Geldverdienen, obwohl die Kinder besser aufs Gymnasium gingen. Nicht alle Tuerkenkinder sind dumm, mag es auch mansche Schwachsinnige geben, zum Beispiel das schwachsinnige Kind, das einmal fast unser Treppenhaus angezuendet haette. Selbst ausgegossenes Oel half nicht. Das Holz war staerker. Die Kinder, die ich mir auf dem Gymnasium gewuenscht haette, hatten uebrigens eine andere Mutter. Und ist nicht auch das Geldverdienen eine Leistung?
Kommentare 22
vielleicht geht der emeritus mal hier
www.bgsmcs.fu-berlin.de/index.html
oder hier
www.zmo.de/
nen bißchen senioren-studieren?
auf dass sich aufkläre, welch ein unding es ist, von "muslimischer Kultur" zu sprechen - und dann noch im vergleich zum katholischen biotop seiner kindheit (wie konnte aus ihm eigentlich ein emeritus werden?)
Das alle Muslims immer und ewig doof sind und dass das am Islam liegt, sagt er ja nicht:
Diese Behauptung scheint mir allzu pauschal.
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Er meint nur, dass unter Muslims der Konformitaetsdruck im Normalfall groesser ist, was mir einleuchtete:
Dennoch bin ich überzeugt, dass nicht alle Kulturen gleich bildungsfreundlich sind.
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Der Konformitaetsdruck im evangelischen Germany mag noch groesser sein, siehe "Kopf ab" im Falle S... Es hat mich jedenfalls an die Lektuere der Einleitung jenes Buches ueber die spanischen Verbrecher erinnert, die mich ueberzeugte.
Soziologie....
Thanks
Und Dank fuer die links, das ist ungefaehr die "Auslaenderforschung", die ich mir wuensche. Wir sprechen aber nicht von den Eliten, die man auch aus dem Hoersaal und sonstwoher kennt. Sondern fragen uns, warum es mit der "Integration" der hier lebenden Auslaender oft nicht weitergeht.
er eiert ... und verfestigt den glauben an etwas, was es nicht gibt - gut katholisch, wa!
einfache antwort: weil die anders als so, wie stattgefunden, nicht vorgesehen war
er eiert ...
>>
Das finde ich ueberhaupt nicht. Das eine schliesst das andere nicht aus.
weil die anders als so, wie stattgefunden, nicht vorgesehen war
>>
Das finde ich allerdings auch. Aendert aber nichts am Problem. In das "wir" durch eine grenzenlose Naivitaet hineingeschliddert sind. Und jeder, der darauf aufmerksam machte, dass es "kulturelle" Unterschiede gibt, wurde als Auslaenderhasser abgestempelt. Im Orient sind halt Verhaltensweisen angesagt, die hier eher stoeren. Unterschiedliche Zivilisationstufen, nenn ich das mal. Das haette immer klar sein muessen.
hä? unterschiedliche wus?
Man kanns auch noch anders formulieren. Mein lieber Freund soundso, Gulbenkianpreistrager fuer irgendeinen Blubberfilm, seinen ersten, und Prof., beklagte sich darueber, dass er in England, wo es nur ums Geldverdienen gehe, nichts wert sei. Seine Schwester, Anwaeltin in NYC, verdiene das Hundertfache.
Ist "wu" jetzt chinesische Philosophie a la Needham?
So Unterschiede gibts auch hier zwischen Land und Stadt. Was sich dann als "Rechtsradikalismus" austobt, im Kern aber nichts anderes als doerfliches Halbstarkentum ist. Gewaltbereitschaft. Die unter Umstaenden noetig ist, wenns beispielsweise keine Polizei gibt.
Vielleicht ist "Traegheit" hier ein passender Begriff. Man schleppt Traditionen mit sich, die sich halten, auch wenn sie nicht mehr passen.
ich kann 'wus' in zukunft auch gern mit 'ss' am ende schreiben - auf dass jiddisch von chinesisch unterscheidbar sei
ich hätte auch fragen können, was das "unterschiedliche Zivilisationsstufen" denn auf japanisch heiße
der zweite absatz hilft mir auch nicht weiter
Wir sollten uns mehr mit den Unterschieden beschaeftigen als nur die Gleichheit zu betonen.
Mit "unterschiedlichen Zivilisationsstufen" ist kein Unwerturteil verbunden, sie sind an ihrem jeweiligen Ort alle richtig, wie schon Montesquieux und Manzini sagten. Rom wurde eben nicht an einem Tag gebaut, wenn es eine Hierarchie der Zivilisationen gaebe. Was nicht heisst, dass ich sie zurueckschicken will an ihren Ort. Wo es noch Blutrache etc gibt. Klarer?
klarer? - nö!
sicher sollten wir uns mit den unterschieden beschäftigen. die frage ist nur: mit welchen und wie.
Zivilisation wie man sich das als Jurist vorstellt, Gewaltmonopol und Weltregierung als Ideal, alles schoen ordentlich. Woebei das ja mit der Bildungsfreundlichkeit der "Kulturen", irgendeines jeweils vorherrschenden mainstreams, nicht so viel zu tun hat. Vielleicht mit dem Intelligenzbegriff?
Vielleicht mit den Unterschieden ueberhaupt und damit, dass man sie nicht verteufelt und beseitigen will. Hab es geahnt, dass ich noch auf die EU kommen muss, an die man bei dem Titel des Sarrazin'schen Buches als erstes denkt, vielleicht deshalb auch die allgemeine Aufregung, an der Genetik kanns nicht liegen, am "Judengen" des Tagesspiegels eh nicht, aber Unterschiede wegzubuegeln ist heute eben in. Man will sie nicht wahrhaben, jedenfalls nimmt man im allgemeinen politischen Diskurs das gewuenschte Ergebnis der "Integration" schon fuer die Wirklichkeit.
http://www.faz.net/m/%7B8BE14B07-7719-41D7-8C6F-F49732912DD3%7DPicture.jpg
Fritz, du kannst dir ja gern zivilisation so vorstellen, wie "man sich das als Jurist vorstellt"
ich tu das nicht, im gegenteil - ich liebe unordnung und unterschiede!
und bildung ... ah, bildung ist etwas, was mit 'büldung' nix zu tun hat
letztlich kann ich nur empfehlen, erst mal mit den fingern gebildet reis essen zu lernen
dann kommen wir der sache vielleicht näher
Damit rennst Du bei mir offene Tueren ein, aber man muss die Dinge auch auf irgendeinen Begriff bringen.
Hier noch, natuerlich aus Genf:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/thumb/1/10/Espritdeloix.png/484px-Espritdeloix.png
Die mir bekannteste letzte von Sarrazin'sche auslaenderwissenschaftliche Erkenntnis war die ueber den Unterschied in der Erziehung von Jungen und Kopftuchmaedchen. Der Fez ist noch nicht wieder in, wuerde den verhaetschelten Buben aber vielleicht etwas Wuerde zurueckbringen und Verantwortungsgefuehl einfloessen. Oder auch nicht. Die Kopftuchmaedchen sind mittlerweile angeblich auch bei Sarrazin in. Die Verhaetschelung der Jungs, der Coolheit usw. Vielleicht sollte man Spucken in der Oeffentlichkeit unter Strafe stellen..
vor-Sarrazin'sche Erkenntnis. Wenn man ihn als Pionier einer praktischen Auslaenderwissenschaft sieht, kann man ihm auch das Dilletieren verzeihen. Immerhin steckt er einen Rahmen ab. Multikulti oder Assimilation, wieso ist Multikulti eigentlich gescheitert? Es ging einem als Thema hoechstens auf die Nerven weils gar kein Problem ist. Man muss sich nur besser kennen. Wobei dazu zweie gehoeren.
Vielleicht sollte man Spucken in der Oeffentlichkeit unter Strafe stellen..
>>
Passt das zum Fez?
katholischen biotop seiner kindheit (wie konnte aus ihm eigentlich ein emeritus werden?)
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Vgl. Robert W. Kempners hervorragende Unterscheidung von Lichterfelde West und Steglitz.
Man kann als Person ohne weiteres Unterschiede der Milieus bemerken. Vielleicht sollte man Auslaenderwissenschaft zum Schulfach machen. Und Sarrazin zum Schulsenator.
Ich frag mich nur noch, ob ein Rechtsweg fuer Sarrazin gegeben waere. Art. 88 GG gibt ihm keine Rechte, der Bund kann die Bundesbank einrichten, wie er will. Ist Sarrazin ein Beamter? Er steht irgendwie zwischen einem politischen Beamten und dem Teil eines Verfassungsorgans, nett!