Es geht um die Selbstbestimmung der Afghanen und die Selbstverteidigung des Westens gegen die Taliban, die wahrscheinlich die beste Regierung waren, die Afghanistan je hatte, jedenfalls in den letzten 30 Jahren. Dem einen dient ISAF, dem anderen Enduring Freedom. ISAF ist die UN, Enduring Freedom sind die Amerikaner. Dabei geht es um zwei voellig verschiedene politische Zwecke. Der eine ist das gerade Gegenteil des anderen. Die Amis stuermen nach Afghanistan und die UN, in der ja auch Russen und Chinesen sitzen, setzt dem eine Grenze. Afghanistan sollte keine amerikanische Kolonie sein.
Selbstbestimmung ist Sache der Afghanen und Selbstverteidigung ist unsere Sache.
Zur Selbstverteidigung hat Mixa schon genug gesagt. Verteidigen kann man sich nur gegen einen Angriff, der zumindest unmittelbar bevorstehen muss, solange dieser andauert. Die Taliban haben ohnehin noch niemals irgendwen angegriffen. Sie haetten allenfalls als Regierung Afghanistans einen Angriff auf Usama dulden muessen, der ihr Gast war. Und selbst wenn der 9/11 ein Angriff der Taliban war, so kann doch heute von einem noch andauernden oder unmittelbar bevorstehenden Angriff der Taliban auf den Westen keine Rede sein. Ferienlager fuer deutsche Muslime sind kein Angriff! Und wenn ueberhaupt reicht dann eine Rakete aus Californien, dafuer muss man kein Land besetzen. Ausserdem darf der Angriff nicht mehr Schaden anrichten, als er verhueten soll. Hierzu hat Gysi schoene Zahlen genannt.
Institutionell ist "Selbstbestimmung der Afghanen" -- zur Freude der UN -- der Petersberg-Prozess. Der Petersberg bei Bonn, Teil des Siebengebirges am Rhein, Drachenfels, was nach Siegfried klingt, etc. Dort gibt es ein Hotel, typischer Nazibau, Gaestehaus der Bundesregierung, voll mit moderner Kunst. Dorthin wurden Afghanische Stammesfuehrer eingeladen. Sie konnten sich erst auf keinen gemeinsamen Fuehrer einigen, sollten sie wohl, da wird es ein Protokoll geben, ueber das Diplomarbeiten geschrieben werden koennen, und dann ist irgendwem, was man mal genauer untersuchen muesste oder irgendwo steht, Karzai eingefallen, den Stammesfuehrern standen Traenen in den Augen. Was nicht heisst, dass der Wille Karzais der Wille der Stammesfuehrer oder der Afghanen insgesamt waere. Obwohl das ISAF sicher vereinfachen wuerde. So einfach ist ISAF aber nicht.
Die Taliban waren nicht dabei, denn die Amerikaner fuehrten gegen sie Krieg und Joschka hat sie nicht eingeladen. Im Parlament sitzen sie auch nicht. Der Krieg gegen die Taliban, die angebliche Selbstverteidigung, ist aber ganz irrelevant fuer den Inhalt des Selbstbestimmungsrechtes. Es ist nicht das Selbstbestimmungsrecht derjenigen, die zur Petersbergkonferenz eingeladen hatten, und es ist nicht das Selbstbestimmungsrecht von Karzai. Es ist das Selbstbestimmungsrecht der Afghanen und Afghanen sind die Taliban ganz sicher auch. Die anderen Afghanen koennen die Taliban nicht von vorneherein -- sozusagen als Feinde einer erst noch zu beschliessenden Verfassung -- rausschmeissen. Die Selbstbestimmung der Afghanen ist die Selbstbestimmung aller Afghanen einschliesslich der Taliban.
Seitdem kein Angriff der Taliban mehr stattfindet, wenn es einen solchen jemals gab, wird ISAF fuer die Zwecke von Enduring Freedom missbraucht. Zumindest als Karzai von Eindringlingen sprach, konnte man den Eindruck bekommen, der Krieg gegen die Taliban wuerde Karzai aufgedraengt. Die Taliban wurden ohnehin nicht gefragt. Das ist eine verbotene Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Afghanistan, der "nicht-internationale Konflikt" wird zum internationalen. Was immer Karzai sagt, ueber das Selbstbestimmungsrecht kann er nicht verfuegen. Es ist ein Angriffskrieg. Die Bundesanwaltschaft bezeichnet die Taliban als Feinde im Sinne des Kriegsrechtes. Damit sagt sie aber nur etwas ueber den gegenwaertigen Zustand Afghanistans. Dass wir an diesem Krieg teilnehmen duerfen, sagt die Bundesanwaltschaft nicht
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Ganz nett als Ergaenzung George Packers blog ueber eine Begegnung in Berlin im Oktober 2009:
The German View of Afghanistan
Posted by George Packer
Berlin
Among those waiting for the outcome of the White House review of its Afghanistan strategy are the Germans. The country’s politicians refuse to call the war in Afghanistan a war. Germany’s participation was sold to the public here as peacekeeping and reconstruction, and that’s what it must remain to prevent any further erosion of support—even though it’s becoming more and more obvious that the war has come to the Germans in the north, the first real fighting the German army has seen since 1945. The German politicians and journalists I’ve spoken with want Germany to do more, not less, in Afghanistan, even if that means fighting. Public opinion in this amazingly pacifist country runs otherwise, though only the extreme left and right want an immediate withdrawal. This gap between élite and mass opinion is a dangerous one, since there’s so little attempt by German leaders to explain the country’s position in the war and why it might be necessary to do more than build roads and schools. A single mass-casualty blow against German forces in Afghanistan (or against a soft target here in Germany—the intelligence traffic has been unusually heavy recently) could significantly change the terms of this non-debate.
I spoke with a senior German diplomat earlier this month, and several points he made struck me:
1. The Germans are waiting for an American position to emerge before they come up with their own.
2. There is little to no real consultation of the NATO allies on the part of the White House—its strategy review is an internal affair. If so, this is really too bad. We have a lot to learn from our Europeans allies in Afghanistan. Germans in particular have ties there that go back to the nineteenth century.
3. Germans have a hard time accepting the narrow rationale for the war in Afghanistan, based on preventing another 9/11. For them, the reason to be in Afghanistan is to prevent a return to power of the Taliban and with it an enormous propaganda victory for Islamists all over the world. In other words, Obama’s turn away from Bush’s more ideological agenda and toward a narrow focus on national security is not necessarily persuasive here, in spite of the former’s huge popularity and the latter’s abysmal reputation. (How’s that for irony?)
4. The German attitude toward the fraudulent Afghan election is: what did you expect? It happens all the time in that part of the world. The problem comes when you raise expectations to an unreasonable level. I’ve also heard this view from a couple of American officials. Here, it seems connected to a sense of European realism, if not cynicism, toward America’s universalist approach to democracy when applied to non-European countries. One German army officer told me that it was much easier for her to justify being in Kosovo, which is part of Europe, than in Afghanistan, which is so alien. Another officer warned me that the development of democratic values in Germany over two or three generations should not be taken as any kind of model for something similar in Afghanistan.
True—Afghanistan is a pre-modern country with almost no state or civic institutions on which a democracy could be based. Still, it’s a little strange to hear citizens of the country that has resoundingly proved political change can happen sound so skeptical about its happening somewhere else.
Read more: www.newyorker.com/online/blogs/georgepacker/afghanistan/#ixzz0m5zcWG00
Mit anderen Worten:
Deutschland hat das ISAF Mandat nie ernstgenommen und ueberschreitet seine Grenzen ganz bewusst aus ideologischen Gruenden, Taliban verhindern. So bloed sind Deutsche.
Die USA haben es gleichfalls nie ernstgenommen, aber aus pragmatischen Gruenden, another 9/11 verhindern. So gruendlich sind Amerikaner.
www.americanacademy.de/home/audiovideo-archive/video/289//george_packer/