Coach

Sparbüchse Peer Steinbrück will seinen Ruf aufpolieren. Das ist ihm noch mehr wert als seinem Vorgänger Eichel

Er war mal - man fasst es kaum - einer der beliebtesten deutschen Politiker: Hans Eichel. Gerade als Ministerpräsident abgewählt, holte ihn Gerhard Schröder 1999 für den sich verabschiedenden Lafontaine ins rot-grüne Kabinett. Die Fachwelt staunte nicht schlecht über die Berufung dieses hessischen Lokalpolitikers ausgerechnet zum Finanzminister. Zudem nahm sich der gelernte Stupidienrat neben dem damals offensiv Havanna rauchenden Brioni-Kanzler und all seinen alerten Adlati wie eine sakkokarierte Bratwurst aus. Oder wie es der Medienberater Klaus-Peter Schmidt-Deguelle ausdrückte: "Eichel galt als blass und unerfahren, als bebrillte Büroklammer, mit dem Image eines Sparkassendirektors." Exakt das war aber nach Schröders durchtriebenem Kalkül die beste Voraussetzung für einen Finanzminister. Wer, wenn nicht so ein enthusiastischer Schmalhans, würde dem Volk überzeugender beibiegen können, dass es ab sofort ausgeplündert gehört?

Folglich galt es, Eichels sparbüchsenes Renommee eher noch zu stärken. Diesen Job übernahm erwähnter Klaus-Peter Schmidt-Deguelle. Der musste dazu bloß das vermeintlich negative Image des öden Nordhessen ins vermeintlich Positive wenden. Erstmals in seinem Leben sollten Eichel damit seine zahlreichen Nachteile zum Vorteil gereichen: sein schlichtes Wesen, eine linkische Ausstrahlung, die sozialdemokratische Gesinnung. Vor allem aber stülpte ihm Schmidt-Deguelle den Leumund eines eingefleischten Geizkragens über, der sogar privat eine wahre Knaps- und Sparnatur sei. So musste der Minister als Berliner Dienstwohnung ein Kleinstappartement beziehen, das überdies sparsamst nur mit Ikea-Möbeln ausgestattet wurde. Schmidt-Deguelle ließ Fotos verbreiten, auf denen Eichel beim eigenhändigen Zusammenschrauben dieser Möbel posierte, und tat auch sonst alles, um ihn als vorbildlichen Knicker zu etablieren.

So wurde Eichel der allseits beliebte Geizhals und Sparminister. Längst ist´s allerdings aus mit dieser Anbiederei. Eichels Sparpakete sind als das enttarnt worden, was sie für Schröder von Anfang an waren: Gefälligkeiten für die prosperierende Exportwirtschaft. Die konnte so alsbald ihre Kontore mit Weltmeisterschaftspokalen pflastern, während der treue Hans zuletzt nur noch als ausgemachter Schwindler und töffeliger Bankrotteur da stand, dem die EU alljährlich wie einem I-Männchen mit blauen Briefen winkte. Einzig die Tränen, die ihm keiner nachweinte, vermochte Eichel am Ende noch selber aufzubringen.

Blaue Briefe aus Brüssel wird vorerst auch sein Nachfolger erhalten. Auch sonst weist Peer Steinbrück Parallelen zu Eichel auf. Das fängt beim gemeinsamen Parteibuch an und hört beim ähnlich tumben Gesichtsausdruck noch lange nicht auf. Steinbrück scheiterte zuvor als Ministerpräsident und rückte, anders zwar als Eichel, nicht aus propagandistischem Kalkül, sondern weil die SPD eh bloß noch Pfeifen aufzubieten hat, ebenfalls nur als Behelf ins Kabinett. Um sich dort dann aber gleich genauso falsch, wenn auch noch aufgeplusterter als sein Vorgänger als unerbittliches Sparschwein zu gerieren. Bisher wird Steinbrücks forsches Entschuldungsgetröte allenfalls staunend registriert. Man ist einfach zu geplättet ob der neuerlichen Schlichtheit seines flapsig vorgetragenen Finanzerlateins, dessen Essenz doch nur darin besteht, die letzten Hemden, die schon Eichel kassierte, nochmal einzustreichen. Wenn aber dieser irrwitzige Plan erst rum ist, dürfte es mit Steinbrücks Schonzeit vorbei sein.

Als karriereinstinktiver Aufschneider ahnt Steinbrück sehr wohl, dass er sich dagegen wird wappnen müssen. Doch statt etwa einen Coach für einen Rücktritt in Würde anzuheuern, nimmt auch er sich einen Imageberater. 320.000 Euro soll dieser Consultant laut Stellenanzeige kassieren. Dreimal so viel wie noch Eichels Schmidt-Deguelle. Dieses stattliche Salär säte denn auch den ersten Ausläufer jenes Sturms, den zu kommunizieren allerdings ein Kommunikator erst noch gefunden werden müsste. So ging der Minister die Sache ungecoached an: Er suche gar keinen Imageberater, log er. Dieser Begriff sei bewusst kolportiert worden, um ihn zu diskreditieren. Außerdem: "Mein Image ist wohl kaum zu verändern." Als ob es darum ginge. Wie schon an Eichel praktiziert, wird auch eine Imagepflege Steinbrücks vor allem darin bestehen, seine substanziellen Defekte als ebensolche Effekte zu deklarieren. Bei einem sich gern vierzigschrötig gebenden finanzpolitischen Viertelschrot, das Steinbrück allenfalls ist, schwant einem da jedenfalls wenig Gutes.


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