Die Erwartungen sind gigantisch. Die großen Menschheitsprobleme sollen gelöst werden, und zwar in den kommenden 15 Jahren. Die Staaten dieser Welt haben vor wenigen Tagen auf der UN-Konferenz die „Ziele nachhaltiger Entwicklung“ beschlossen. Es geht um die Bekämpfung von Armut und Hunger, um Gesundheit, Bildung, Umwelt und Frieden. Die Staatschefs feiern sich schon. Dabei ist bereits absehbar, dass es zwar Fortschritte geben wird, die Ziele aber am Ende verfehlt werden. Wenn sich die Staaten so verhalten wie bisher, wird die Umsetzung scheitern. Am politischen Willen. Sprich: am Geld.
Bisher gab es die Millenniums-Entwicklungsziele. Sie sollten im Jahr 2015 verwirklicht sein. Der aktuellste Report der Vereinten Nationen zeigt: Es gibt zwar enorme Fortschritte, aber nicht alles wurde erreicht. Der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung ist zwar seit 1990 von 23 auf 13 Prozent gesunken, eigentlich sollte er aber halbiert werden. Bei der extremen Armut hingegen hat es mit dem Halbieren geklappt, jedoch vor allem wegen des Wirtschaftswachstums in China und Indien. Im südlichen Afrika leben immer noch mehr als 40 Prozent der Menschen von weniger als 1,25 Dollar pro Tag.
Versprochen und gebrochen
Nun gibt es neue Ziele: Statt acht sind es 17, mit 169 Unterzielen, zu erreichen bis zum Jahr 2030. Sie richten sich nicht nur an Entwicklungsländer, sondern an alle Staaten dieser Welt. Und sie sind anspruchsvoller. So soll beispielsweise extreme Armut nicht nur halbiert, sondern ganz besiegt werden. Zugestimmt hatten die Staaten bereits, bei dem Gipfel in New York wurden die Ziele nun feierlich beschlossen. „Wir zeigen den Weg in eine bessere Welt“, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.
Doch der Weg dürfte mühsam sein – zumindest wenn die Industriestaaten weiterhin so knausrig sind mit ihrem Geld. Seit Jahrzehnten versprechen sie, mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen – und seit Jahrzehnten brechen fast alle Länder dieses Versprechen. Die Vereinten Nationen hatten sich schon 1970 (!) das Ziel gesetzt. Heute liegt der Durchschnitt der Geberländer bei 0,3 Prozent, also unter der Hälfte der versprochenen Mittel. Nur fünf Länder hielten im vergangenen Jahr ihre Zusagen ein: Großbritannien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Luxemburg.
Deutschland gibt rund 0,38 Prozent und das wird sich auch in den kommenden Jahren nur minimal ändern. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zwar in New York, dass die Bundesrepublik zum 0,7-Prozent-Ziel stehe und dass der Entwicklungshilfe-Etat in den kommenden Jahren „substanziell steigen“ werde. Doch die geplanten Erhöhungen in dieser Legislaturperiode entsprechen ungefähr dem erwarteten Wirtschaftswachstum, weswegen die Quote in den vier Jahren lediglich von 0,38 auf 0,40 Prozent steigen wird, wie die Nichtregierungsorganisation Germanwatch prognostiziert.
Die SPD hat blockiert
Das ist allerdings nicht Merkels Schuld. Sie hätte für die Entwicklungshilfe gerne mehr Geld bereitgestellt, wie Anfang 2014 nach Ende der Koalitionsverhandlungen zu hören war. Es sollen hochrangige Sozialdemokraten gewesen sein, die das verhindert haben – und das Geld lieber für Bildung und Verkehr in Deutschland ausgeben wollten. So berichtete es der damalige entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sascha Raabe. Er hat daraufhin seinen Posten hingeschmissen, weil er in der Öffentlichkeit nicht vermitteln könne, dass die SPD gegen ihr eigenes Wahlprogramm verstoße.
Selbst wenn alle Industriestaaten das 0,7-Prozent-Ziel einhielten, würde das für die neuen Nachhaltigkeitsziele nicht reichen. Dann beliefe sich die Entwicklungshilfe nämlich auf 400 Milliarden Dollar. Für die Umsetzung der Ziele sind nach einer Berechnung der Hilfsorganisation Oxfam jedoch mindestens 1.500 Milliarden Dollar nötig, die Vereinten Nationen schätzen den Bedarf sogar auf das Doppelte bis Dreifache.
Das Geld wäre vorhanden
Wie lässt sich die Lücke schließen? In Frage kommen private Spenden und Investitionen oder staatliche Gelder aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Große Potenziale gibt es auch beim Kampf gegen Steuerbetrüger. Oxfam schätzt, dass alleine durch Steuertricksereien multinationaler Konzerne den Entwicklungsländern jährlich mindestens 100 Milliarden Dollar an Einnahmen entgehen. Fortschritte auf diesem Gebiet sind jedoch von den Industrieländern abhängig. Sie bestimmen maßgeblich die internationalen Regeln.
Wenn das alles nicht reicht, müssten die reichen Staaten über die 0,7 Prozent hinausgehen. Unmöglich? Im vergangenen Jahr wurden weltweit 1.700 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben. Unfair? Bislang fließt doppelt so viel Geld von Entwicklungs- in Industrieländer wie in die andere Richtung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Nichtregierungsorganisation Eurodad, die unter anderem auch Zinszahlungen für Staatsschulden und Profite von Investoren aus Industriestaaten berücksichtigt hat. Letztlich stellt sich aber eine ganz andere Frage: Was sind Milliarden an Dollar im Vergleich zu Millionen an geretteten Menschenleben?
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