Als Mercedes-Vertriebschef hat Jan Bredack viel Geld verdient. Den Job hat er aufgegeben, um für eine Welt ohne Tierausbeutung zu kämpfen. Vom Glanz des Automobilherstellers ist in seinem Leben wenig geblieben: Der 40-Jährige sitzt mit einem schwarzen Kapuzenpulli auf einer einfachen Holzbank in einem Café vor seinem Supermarkt in Prenzlauer Berg. Bredack löffelt eine Suppe – vegan, ohne Ei, ohne Milch, ohne Fleisch.
Bredack ist Geschäftsführer des Supermarkts Veganz. Seinen Angaben zufolge ist das der europaweit einzige Laden mit Vollsortiment, der auf Produkte von Tieren verzichtet. Vor etwa einem Jahr wurde das Geschäft eröffnet, nun soll daraus eine Kette werden. In Frankfurt am Main, Leipzig und Wien sind Filialen geplant, die Mietverträge sind bereits unterschrieben. Im Januar soll ein weiterer Laden in Berlin öffnen.
Aber Bredack reicht das noch nicht, er will ganz Europa erobern. „Wir haben einen richtigen Expansionsplan“, sagt er. Wenn er das erzählt, wirkt er nicht wie ein Manager, eher kumpelhaft, und ein bisschen wie ein Aktivist. Er ist im Gespräch sofort beim Du. 20 Jahre hat er bei Mercedes gearbeitet, fünf davon leitete er den Vertrieb in Deutschland, zog anschließend nach Russland, um dort das erste Mercedes-Werk aufzubauen. Dann traf er seine Frau – und veränderte sein Leben.
Inkonsequente Argumente
Sie lebte vegetarisch, er kurz darauf auch. Als er dann seine Kinder davon überzeugen wollte, fand er seine eigenen Argumente aber „inkonsequent“ und wurde deshalb zum Veganer. An Milch und Ei hänge „genauso Tierleid“ wie an Fisch und Fleisch, erklärt Bredack. Einer Kuh werde etwa ihr Kalb gleich nach der Geburt weggenommen. „Diese Dinge muss man sich erst bewusst machen.“
Bredack arbeitete weiter bei Mercedes, doch nun beschäftigten ihn lauter Fragen, die sich „ganz außerhalb der Schein-Kunstwelt des Konzerns abspielen“, wie er heute sagt. Er suchte nach rein pflanzlichen Lebensmitteln, und ihm kam die Idee, einen veganen Supermarkt zu gründen. Für ihn, den Geschäftsmann, war klar: Damit lässt sich Geld verdienen. Er plante den ersten Laden und war kaum noch motiviert für seine Arbeit als Auto-Manager, die ihn „24 Stunden am Tag“ forderte. Nach einem halben Jahr merkte er, dass er nur einen Job schafft: Mercedes oder Supermarkt. Er verließ den Autokonzern.
Für seinen eigenen Supermarkt verbringt er nun die meiste Zeit im Büro. Oder er ist in Deutschland unterwegs. Manchmal schaut er auch persönlich im Laden vorbei. Einer Kundin rät er: „Wenn du guten Frischkäse suchst, dann nimm den aus der Schweiz.“ Bredack redet von Käse, Milch und Bolognese – streng genommen sind es Alternativen zu den Tierprodukten, die aber ähnlich schmecken. Oft werden sie aus Soja hergestellt. Um die 5.000 Produkte sind im Sortiment: vom Adventskalender mit veganer Schokolade bis zur Zahnpasta, die nicht an Tieren getestet wurde. Im Supermarkt kommen selbst Haustiere auf ihre Kosten: Auch Hunde- und Katzenfutter gibt es rein pflanzlich. Zwei Mitarbeiterinnen suchen ständig neue Waren im Internet. Derzeit beliefern 80 Firmen aus der ganzen Welt den Supermarkt. Die meisten Produkte kämen mit dem Schiff nach Deutschland, berichtet Bredack, nur wenige Obstsorten würden eingeflogen.
An einem durchschnittlichen Tag kommen seinen Angaben zufolge 400 Kunden in den Laden: gesundheitsbewusste Anwohner, Touristen und Veganer aus der Berliner Szene – dort ernähren sich geschätzt etwa 9.000 Menschen vegan.
Und auch deutschlandweit leben nach Angaben des Vegetarierbunds, immer mehr Menschen ohne tierische Produkte. „Vor allem Jüngere entscheiden sich bewusst für eine pflanzliche Ernährung“, sagt Elisabeth Burrer, die Sprecherin. Das nütze nicht nur dem Tierschutz, sondern auch der eigenen Gesundheit, dem Klima und dem Kampf gegen den Hunger in der Welt.
Pflanzlicher Lippenstift
Vom veganen Lebensstil profitiert auch Bredack – obwohl er betont, er wolle nicht nur Veganer ansprechen, sondern jeden, der sich bewusst ernähren wolle. Er habe bisher 700.000 Euro vorgeschossen und 14 Mitarbeiter eingestellt, der Supermarkt in Berlin schreibe aber schon schwarze Zahlen. Auch in anderen Städten werde das Konzept aufgehen, ist er überzeugt. Der Markt sei noch nicht erkannt, sagt Bredack, aber die Nachfrage steige. Man kann bei ihm auch Lippenstift, Shampoo und Kondome kaufen.
Viel teurer als im Bio-Supermarkt seien die Produkte nicht, erklärt Bredack und verweist auf den Liter Sojamilch für einen Euro. Die Preise der anderen 46 Sojamilch-Sorten liegen deutlich höher. Die Tafel Schokolade kostet zwei bis drei Euro, 150 Gramm veganer Käse ähnlich viel. Kunden hat er trotzdem. Eine Veganerin aus Stuttgart ist zufällig an dem Supermarkt vorbeigefahren und schaut sich um. In den Bio-Supermärkten müsse sie immer das Etikett lesen, erklärt die 45-Jährige, weil man dort darauf achten muss, ob eventuell tierische Produkte enthalten sind. Ein anderer Kunde liest das Kleingedruckte auf einem Glas mit veganer Bolognese. Er wolle künftig womöglich auf Fleisch verzichten.
Jan Bredack weiß von einigen Kunden, dass sie durch seinen Laden zu Veganern geworden sind. Trotz seiner „Mission“, die Geschäftsmodell und Lebensaufgabe zugleich ist, gibt er sich tolerant gegenüber Nicht-Veganern – und setzt auf die subtile Macht des Marktes. Wenn überall pflanzliche Produkte angeboten werden, warum sollte dann noch jemand auf Milch oder Eier zurückgreifen? Bredack hat erkannt, dass auch ein Markt mit Moral ein guter Markt sein kann.
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